Weissach / Rems-Murr-Kreis. In der 7000-Einwohner-Gemeinde Weissach im Tal ist am frühen Montagmorgen ein leerstehendes Flüchtlingsheim abgebrannt. Es sollte renoviert werden und danach etwa 20 Schutzsuchenden Obdach bieten. Wegen Einsturzgefahr ließen die Behörden das komplett zerstörte Haus noch am Montag abreißen. Die Brandursache ist ungeklärt, ein rassistischer Hintergrund naheliegend. Die Friedensinitiative Weissach im Tal ruft zu einer Mahnwache am Dienstag, 25. August, 18 Uhr, vor dem Haus Welzheimer Straße 41 auf.
Aktuell könne weder ein technischer Defekt noch eine fahrlässige oder eine vorsätzliche Brandstiftung ausgeschlossen werden, heißt es in einer Erklärung der Behörden. Die Verantwortlichen der schwäbischen Gemeinde zeigten sich entsetzt. Der Sachschaden beträgt nur rund 70 000 Euro, was Rückschlüsse auf den Zustand des Gebäudes zulässt.
Autofahrerin entdeckte das Feuer
Einer Mitteilung der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Landratsamts des Rems-Murr-Kreises zufolge hatte eine Autofahrerin, die auf der Welzheimer Straße in Unterweissach unterwegs war, am frühen Montagmorgen das Feuer entdeckt. Der Alarm ging gegen 5 Uhr ein. Die Behörden gehen aber davon aus, dass das Feuer schon früher entstand. Die Autofahrerin hatte gesehen, dass ein Gebäude ziemlich stark brannte, und sofort den Notruf betätigt.
Es handelte sich um ein vorübergehend unbewohntes Gebäude älteren Baujahrs. Der Gemeinderat von Weissach im Tal hatte vor einigen Wochen beschlossen, es zu sanieren und für die so genannten Anschlussunterbringung von Flüchtlingen zu nutzen, deren Asylverfahren abgeschlossen und Aufenthaltsberechtigung geklärt ist.
Ölgeruch kam vermutlich von der Heizung
Die Bauarbeiten wurden bereits ausgeschrieben, aber noch nicht begonnen. Trotz des raschen Eingreifens der Weissacher-Tal-Feuerwehren sei das Gebäude sehr schnell vollständig ausgebrannt, heißt es im Bericht von Polizei, Staatsanwaltschaft und Landratsamt. Die Feuerwehren des Weissacher Tals seien mit zehn Fahrzeugen und 40 Einsatzkräften mit den Löscharbeiten beschäftigt gewesen.
Weil zu Beginn der Löscharbeiten Diesel- oder Heizölgeruch wahrzunehmen war, gab es schnell Spekulationen über die Brandursache. Später wurde aber klar, dass der Geruch vermutlich von der Ölheizung des Gebäudes kam. Nach Angaben der Behörden haben die zuständige Waiblinger Kripo, die Brandermittler und die Zentrale Kriminaltechnik die Ermittlungen aufgenommen. Da das Haus als Flüchtlingsunterkunft dienen sollte, sei auch der bei der Polizei angesiedelte Staatsschutz in die Ermittlungen einbezogen.
Brandruine wurde unverzüglich abgerissen
Die Elektroleitung zu dem Gebäude war nach Polizeiangaben noch bis zum Sicherungskasten intakt. Es könne also auch ein technischer Defekt nicht ausgeschlossen werden. Das Gebäude sei vollständig ausgebrannt und stark einsturzgefährdet. Deshalb hätten noch am Montag die Abrissarbeiten begonnen. Das war nach Angaben des Weissacher Ordnungsamtsleiters Rudolf Scharer unumgänglich, da viele tragende Wände und Balken beschädigt wurden. Über die Brandruine wurde ein absolutes Betretungsverbot verhängt. Brandsachverständige des Landeskriminalamtes überwachten die Abrissarbeiten und hätten dabei die beseitigten Gebäudeteile und den Brandschutt untersucht.
Rems-Murr-Landrat Dr. Richard Sigel verschaffte sich in Weissach im Tal ein Bild von der Lage, Bürgermeister Ian Schölzel brach seinen Sylt-Urlaub ab. Es sei „besonders bedrückend, wenn ein Haus brennt, das für die Unterbringung von Flüchtlingen vorbereitet wird“, sagte Landrat Sigel. Dennoch müsse man zunächst die Ermittlungen der Polizei abwarten.“ Ihm sei bewusst, „dass den Kommunen, den Bürgerinnen und Bürgern im Rems-Murr-Kreis derzeit viel abverlangt wird“, appellierte der Landrat an die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung: „Wir als kommunale Familie – der Landkreis und die Kommunen – müssen noch enger zusammen stehen, um die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. Die Situation ist nach dem Brand sicher nicht einfacher geworden.“
Heftige Kritik an Asyl-Unterkunft bei Info-Veranstaltung
Die Polizei hat eine 17 Mitglieder zählende Ermittlungsgruppe eingerichtet. Die Flüchtlingsunterkunft in Weissach im Tal war im Jahr 2005 schon einmal Ziel eines Anschlags. Damals warf ein 17-jähriger Neonazi einen Molotow-Cocktail in das Gebäude. Er erlosch jedoch von selbst. Die damals elf Bewohner wurden nicht verletzt, der Täter zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Nun brannte das Gebäude also ab. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund ist auch deshalb naheliegend, weil es erst am 10. August bei einer Infoveranstaltung mit Bürgermeister Schölzel hitzige Debatten gab. Damals ging es um eine Sammelunerkunft, die der Landkreis Rems-Murr am selben Ort für 160 Flüchtlinge plant. Er will sie in ein einem von der Kreissparkasse Waibingen verwalteten ehemaligen Druckereigebäude in Unterweissach unterbringen. Die Veranstaltung, zu der 230 der gut 7000 EinwohnerInnen gekommen waren, soll hoch emotional gewesen sein. Allerdings richtete sich die Kritik gegen die Sammelunterkunft, nicht gegen das jetzt abgebrannt Haus in Unterweissach.
Mahnwache am Dienstag
Die Friedensinitiative Weissach im Tal ruft zu einer Mahnwache am Dienstag, 25. August, 18 Uhr, vor dem Haus Welzheimer Straße 41 auf. „Mit der Aktion, die um 18 Uhr beginnt, wollen die Weissacher Farbe bekennen, dass Flüchtlinge im Ort willkommen sind und dass es eine humanitäre Aufgabe ist, Menschen, egal welcher Hautfarbe oder Herkunft zu helfen“, erklärte die Friedensinitiative.
Erst vor kurzem wurde eine geplante Flüchtlingsunterkunft im badischen Remchingen durch ein gelegtes Feuer zerstört. Die Polizei fahndete bislang erfolglos nach den Tätern (siehe „Empörung über Brandanschlag„, „Polizei entdeckt Benzin im Brandschutt“ und „Alles so schön bunt hier„.
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