Von Julian Rettig – Weissach im Tal -Rems-Murr-Kreis. Etwa 500 Menschen versammelten sich am Dienstagabend, 25. August, vor der teilweise schon abgerissenen Ruine eines leerstehenden Flüchtlingsheims in Weissach im Tal. Das Gebäude war am frühen Montagmorgen durch einen Brand völlig zerstört worden. Wie es zu dem Feuer kam, ist noch ungeklärt, ein Brandanschlag jedoch wahrscheinlich. Jetzt ruft ein überörtliches Bündnis „Zusammen gegen Rechts – Gemeinsam für Vielfalt im Rems-Murr-Kreis“ für Samstag, 29. August, zu einer weiteren Kundgebung auf. Sie beginnt um 11 Uhr in Backnang am Obstmarkt 11.
Das Bündnis „Zusammen gegen Rechts“ wurde vom Jugendzentrum Backnang und der Initiative „Rems-Murr nazifrei!“ gegründet. Zu der Kundgebung am Dienstagabend in Weissach hatte die örtliche Friedensinitiative aufgerufen. Die Menschen aus dem Ort bekannten Farbe und wollten ein Zeichen gegen Fremdenhass zeigen, auch wenn die Ursache für das Feuer noch nicht geklärt ist. Allerdings halten die Sicherheitsbehörden – so auch der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) – einen Brandanschlag auf das unbewohnte Gebäude für wahrscheinlich. Alles andere müsste ein sehr großer Zufall sein, sagte er bei einem Besuch vor Ort.
Allerdings kann bisher auch ein technischer Defekt noch nicht ausgeschlossen werden. Die Suche nach der Brandursache ist dadurch erschwert, dass Teile des abgebrannten Gebäudes wegen Einsturzgefahr bereits abgerissen werden mussten. Außerdem war Heizöl aus einem Tank ausgelaufen, was den Nachweis eines Brandbeschleunigers im Labor umso schwieriger macht. Die Gemeinde möchte das Gebäude auf jeden Fall an dieser Stelle wieder aufbauen und als Flüchtlingsunterkunft nutzen, wurde am Donnerstag bekannt.
Beachtliche Zahl von DemonstrantInnen
Am vergangenen Dienstagabend stand vor dem abgebrannten Asylheim erneut die örtliche Feuerwehr. Erst am Vortag waren die Feuerwehrleute an der selben Stelle damit beschäftigt, den Brand unter Kontrolle zu bringen. Diesmal waren sie allerdings auf der Suche nach Schadstoffen in der Kanalisation. Als sie zu diesem Anlass mit Blaulicht und Martinshorn in der Welzheimer Straße eintrafen, war die spontan angesetzte Kundgebung unter dem Motto „Weissach bekennt Farbe“ gerade im Begriff sich aufzulösen.
Die große Anzahl an DemonstrantInnen war beachtlich, da zu der Kundgebung in der 7000-Einwohner-Gemeinde innerhalb von nur 24 Stunden aufgerufen worden war. Die Menge vor der Brandruine drängte sich so sehr auf der der abgesperrten Fahrbahnhälfte, dass der Verkehr auf der anliegenden Straße zeitweise zum Erliegen kam. Schließlich wichen die TeilnehmerInnen auf ein benachbartes Grundstück aus, das doch noch genügend Platz bot.
Das Heim war schon einmal Zielscheibe von Nazis
Am Bauzaun rund um das abgebrannte Flüchtingsheim hingen Transparenten. Eine Sprecherin der Initiative „Rems-Murr nazifrei!“ untermauerte den Verdacht einer fremdenfeindlichen Tat mit dem Hinweis auf einen Anschlag im Jahr 2005. Damals war dasselbe Heim schon einmal zur Zielscheibe von Neonazis geworden, die mit einem Brandsatz versuchte das Haus anzustecken.
Die Sprecherin erwähnte auch andere Straftaten in der Region, die auf eine aktive rechte Szene hinweisen. So wurden die Moschee und die Skateranlage im nahe gelegenen Welzheim mit Hakenkreuzen und anderen Nazi-Symbolen beschmiert (siehe „Schockierend: Welzheimer Moschee stand auf NSU-Liste„). Im badischen Remchingen zwischen Pforzheim und Karlsruhe brannte ebenfalls ein als Asylunterkunft vorgesehenes Haus (siehe „Entsetzen über abgebranntes Asylheim„). In diesem Fall steht bereits fest, dass der Brand absichtlich gelegt wurde.
Zeichen der Solidarität und gegen Intoleranz
Der Bürgermeister von Weissach im Tal Ian Schölzel forderte indes von den BürgerInnen der Gemeinde Zeichen der Solidarität und gegen Intoleranz. Diese klaren Worte sind auch deshalb von Bedeutung, da es erst vor kurzem zu einer hitzigen Debatte um eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Weissach gekommen war.
Der stellvertretende Bürgermeister und Friedensaktivist Bernd Hecktor richtete an die KundgebungsteilnehmerInnen den Appell, die Augen aufzumachen und „andere zum Einmischen“ anzustiften. Menschen, die auf der Flucht sind und um Asyl bitten, hätten ihre Heimat nicht freiwillig verlassen. Pfarrer Albrecht Duncker erklärte, die Kirche müsse in Situationen wie dieser „Flagge zeigen“. Er rief zu einem ökumenischen Friedensgebet auf.
Unser Kommentar: Auch wenn oder gerade weil noch nicht gesichert ist, warum das Heim abbrannte, haben die Bewohner aus dem Ort, die zu der Kundgebung gekommen sind, ein deutliches Zeichen gesetzt. Davon abgesehen wird es wichtig sein, dass es nicht nur bei einem symbolischen Akt bleibt. Farbe bekennen bedeutet mehr als eine einmalige Kundgebung, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Es bleibt, die ersten Ermittlungsergebnisse abzuwarten und in die Offensive zu gehen. Vor allem in Zeiten, zu denen rechte Horden Flüchtlingsunterkünfte angreifen und von Pegida und Co. Schützenhilfe erhalten.
Die aktuelle Pressemitteilung der Initiative Rems-Murr nazifrei!:
Für ein deutliches Zeichen gegen rechte Gewalt
Was tun gegen rechte Gewalt? Ist die Frage, die uns seit Gründung der Initiative Rems-Murr Nazifrei nach dem Brandanschlag von Winterbach im Jahr 2011 beschäftigt. Diese Frage bekommt nun durch verschiedene Anlässe wieder eine aktuelle Brisanz . Weil wir leider sehen müssen, dass wieder geplante und auch bewohnte Flüchtlingsheime Ziel von Brandanschlägen werden. Weil wir leider sehen müssen, dass rechte Hetze auf der Straße präsenter wird und das auch immer mehr in Gewalt umschlägt. Weil wir leider feststellen müssen, dass die Hetze im Internet immer heftiger wird. Für diese Entwicklungen in der Gesellschaft ist der Rems-Murr-Kreis leider keine Ausnahme. Im Juli wurden in Welzheim eine Moschee mit Hakenkreuzen beschmiert und drohende Parolen angebracht. In unterschiedlichen regionalen Facebookgruppen wird inzwischen ungeniert gehetzt. Nun sind wir alle sehr schockiert, weil ein Haus niedergebrannt ist in dem im Dezember Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Allein der Umstand, dass dieses Haus brannte ist schockierend in dem aktuellen Zusammenhang. Die Vermutung, dass auch hier braune Brandstifter hier Unwesen getrieben haben liegt sehr nahe. Es werden auch Erinnerungen wach an das Jahr 2005. Damals wohnten im Gegensatz zu heute bereits Flüchtlinge in dem Haus als Nazis versuchten dieses anzuzünden. Nun brannte es nieder und Flüchtlinge werden dort nicht einziehen können.
Die Mahnwache am Dienstag in Unterweissach war eine erste gute und schneller Reaktion auf dieses schockierende und wachrüttelnde Ereignis.
Auch wenn die Brandursache noch nicht geklärt ist halten wir eine klare und schnelle Antwort auf dieses fatale Zeichen für wichtig. Am Mittwoch Abend fand ein Treffen statt in dem Menschen aus Backnang und von unserer Initiative konstruktiv die weitere Vorgehensweise besprachen. Unter dem Motto „Gemeinsam gegen Rechts – Zusammen für Vielfalt“ wird ein weiteres deutliches Zeichen folgen. Am kommenden Samstag den 29.08.2015 um 11 Uhr in Backnang wird eine Kundgebung statt finden. Angesichts der geschilderten Entwicklungen sind parteitaktische Schachzüge und unterschiedliche Ansätze zur Frage „Was tun gegen rechte Gewalt“ nach unserem Dafürhalten überflüssig. Wir wünschen uns eine breite Resonanz und ein starkes Zeichen wie damals nach dem Brandanschlag von Winterbach. Da beteiligten sich viele Menschen an der Demonstration. Wir hoffen, dass dies nun auch möglich sein wird. Es soll ein deutliches Zeichen sein, dass rechte Gewalt nicht ignoriert oder schöngeredet wird. Wir wollen auf die Straße gehen für einen Rems-Murr-Kreis in dem rechte Hetze und rechte Gewalt keinen Platz haben.
Tim Haller der Pressesprecher der Initiative sagt dazu: „Wie begrüßen es sehr, dass sich so kurzfristig sehr viele Einzelpersonen und Organisationen zusammengesetzt haben und nun gemeinsam aktiv werden. Wir sind sehr optimistisch, dass am Samstag viele Menschen Flagge zeigen für das Motto „Zusammen gegen Rechts – Gemeinsam für Vielfalt“
Kundgebung „Zusammen gegen Rechts – Gemeinsam für Vielfalt“
Samstag 29.08.2015 um 11 Uhr am Obstmarkt in Backnang
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