Karlsruhe. Mit einer solchen Ohrfeige für die Polizei hatten wohl die wenigsten gerechnet: Der Einsatz des Polizeispitzels mit dem Tarnnamen „Simon Brenner“ in der Heidelberger linken Szene war auf ganzer Linie rechtswidrig. Das stellte das Verwaltungsgericht Karlsruhe am Mittwoch, 26. August, in mündlicher Verhandlung fest. Geklagt hatten sieben Betroffene. Vor der Verhandlung gab es eine Kundgebung gegen Überwachung vor dem Gerichtsgebäude.
Schon am Samstag, 22. August, war eine Demonstration gegen Bespitzelung durch Heidelberg gezogen (siehe „Keine Stasi-Methoden am Neckar!„). Neun Monate lang hatte „Simon Brenner“ im Jahr 2010 Hunderte von AktivistInnen bis ins Privatleben hinein ausgeforscht – selbst Freunde und Eltern der Betroffenen. Er hatte sich mit falschen Papieren als Germanistikstudent an der Uni Heidelberg immatrikuliert und in linke Gruppen eingeschlichen.
„Brenner“ fertigte Dossiers und erstattete seinen Auftraggebern – dem baden-württembergischen Landeskriminalamt und der Heidelberger Polizei – regelmäßig umfassend Bericht. Das wertet der Heidelberger Arbeitskreis Spitzelklage als Eingriff in elementare Grundrechte mit geheimdienstlichen Methoden – allein mit dem Ziel, Daten über linke Gruppen wie die Antifaschistische Initiative
Heidelberg (AIHD) und Einzelpersonen zu erheben. Enttarnt wurde „Brenner“ nur durch einen Zufall.
Geschwärzte Akten gehen zulasten der Polizei
Das alles hatte keine Rechtsgrundlage, stellte das Gericht nun in fünfstündiger Verhandlung fest. Es konnte nicht erkennen, dass von den Bespitzelten eine Gefahr für Recht und Ordnung ausgegangen wäre. Das Polizeipräsidium Mannheim, vor Gericht Vertreter für das Land, behauptete, es habe durch den Spitzeleinsatz politische Straftaten verhindern wollen. Details nannten die Prozessvertreter auf Nachfrage der Richter nicht. Auch die vorgelegten Akten belegten die Gefährdung jedoch nicht. Sie waren unvollständig und über weite Teile geschwärzt, angeblich aus polizeitaktischen Gründen. Selbst wenn es dafür berechtigte Gründe gebe, gehe das Nichtvorlegen von Akten zulasten der Beklagten, also der Polizei, sagte die Vorsitzende Richterin.
Der Anwalt der KlägerInnen, Martin Heiming, wertete die Verhandlung am Mittwoch als vollen Erfolg: „Das Gericht hat ohne Einschränkung anerkannt, dass der Polizei keinerlei konkrete Anhaltspunkte für Straftaten vorlagen, sondern dass sie sich ohne wirklichen Anlass ein besseres Bild der linken Szene in Heidelberg verschaffen wollte.“
AK Spitzelklage dankt seinen UnterstützerInnen
Eine Sprecherin des AK Spitzelklage nannte das Urteil „eine schallende Ohrfeige für einen Repressionsapparat, der sich für allmächtig hält und seine Befugnisse im Verborgenen immer weiter ausbaut“. Die Repressionsmaßnahme sei nur durch Zufall aufgedeckt worden. Nur dank der Geduld und der Stärke der sieben KlägerIinnen sei der Spitzeleinsatz nun gerichtlich für unrechtmäßig erklärt worden. Der Richterspruch sei „zudem ein klares Signal, das andere linke Gruppen vor ähnlichen Spitzelattacken schützt“. Sie danke ausdrücklich „allen Organisationen und Einzelpersonen, die uns in den vergangenen Jahren solidarisch unterstützt haben.“ Auch zu der Verhandlung am Mittwoch waren über sechzig ProzessbeobachterInnen gekommen, überdies Dutzende von MedienvertreterInnen.
Mit der schriftlichen Ausfertigung des Urteils ist Mitte September zu rechnen. Der AK Spitzelklage will weiter gegen den Einsatz verdeckter ErmittlerInnen und Überwachung linker und antifaschistischer AktivistInnen vorgehen. Wie notwendig das sei, zeigten die immer wieder bekannt werdenden Spitzeleinsätze. Gerade erst am Mittwochvormittag wurde der Fall der in Hamburg als verdeckte Ermittlerin eingesetzten Polizeibeamtin Maria Böhmichen offiziell bestätigt.
Rote Hilfe warnt vor weiteren Spitzeleinsätzen
Auch die Rote Hilfe sprach von einer „vernichtenden Schlappe für das Land Baden-Württemberg im Fall des verdeckten LKA-Ermittlers Simon Bromma“. Die Ausforschung eines gesamten Milieus, die überdies „in keiner Weise vom Einsatzbefehl abgedeckt war“, sei der Richterin zufolge durch überhaupt nichts zu rechtfertigen.
Als “ bitterer Nachgeschmack“ bleibt jedoch aus Sicht der Roten Hilfe, dass die Bespitzelten dank der „Vertuschungspolitik der grün-roten Landesregierung weiter im Unklaren gelassen werden, was für Informationen überhaupt über sie gesammelt und gespeichert wurden“. Der Vertreter des LKA habe den Einsatz vor Gericht als einen ganz gewöhnlichen Polizeieinsatz dargestellt. „Die geheimdienstliche Überwachung radikaler Linker und aller widerständigen Bewegungen durch politische Polizei und Inlandsgeheimdienst geht also weiter“, so die Rote Hilfe. Sie wolle „auch weiterhin allen beistehen, die sich gegen Überwachung, Einschüchterung und Kriminalisierung linker Bewegungen durch Polizei und Geheimdienste wehren“.
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