Von Anne Hilger – Backnang. Es war ein ungewöhnlich breites Spektrum, das am Samstag, 29. August, auf dem Backnanger Obstmarkt zusammenfand, um gegen rechte Hetze und Gewalt zu protestieren. Rund 350 Menschen beteiligten sich um die Mittagszeit an der Kundgebung, zu der das neu gegründete Bündnis „Zusammen gegen Rechts – Gemeinsam für Vielfalt im Rems-Murr-Kreis“ aufgerufen hatte. Anlass war der Brand eines Flüchtlingsheims im nahegelegenen Weissach im Tal wenige Tage zuvor. Nach der Kundgebung zogen rund 200 Männer und Frauen spontan durch die Stadt.
Dem überörtlichen Bündnis gehören neben der Initiative „Rems-Murr nazifrei!“ und dem Jugendzentrum Backnang auch Einzelpersonen an. Es gründete sich nach dem Brand, der ein Asylheim in Weissach im Tal am frühen Montagmorgen, 24. August, völlig zerstörte. Das Haus stand leer. Es sollte renoviert werden und dann erneut Flüchtlingen Schutz bieten.
Gemeinde will abgebranntes Haus wieder aufbauen
Wie es zu dem Feuer kam, ist noch ungeklärt, ein Brandanschlag jedoch wahrscheinlich. Das Haus wurde durch das Feuer bis auf die Grundmauern zerstört und musste wegen Einsturzgefahr noch am selben Tag abgerissen werden. Das erschwert die Suche nach der Ursache. Schon am Abend des folgenden Tages kamen in Weissach 500 Menschen vor der Brandruine zusammen, um ein Zeichen zu setzen (siehe „Weissacher stehen hinter Flüchtlingen„). Die 7000-Einwohner-Gemeinde will das Asylheim auf jeden Fall an der selben Stelle wieder aufbauen.
Die Kundgebung am heißen Samstagvormittag in Backnang dauerte über eine Stunde. Es nahmen Pfadfinder und DGB-Gewerkschafter teil, Vertreter der Jugendzentren Welzheim und Backnang, Jusos, SPD-Leute, Mitglieder der Partei DIE LINKE, Piraten, die MLPD, die VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen), AnarchistInnen und verschiedene Gruppierungen der Antifa. Neben vielen weiteren EinwohnerInnen der Stadt Backnang waren auch kleine Abordnungen aus Städten wie Heilbronn, Ulm, Esslingen und Tübingen gekommen, um sich solidarisch zu zeigen.
Aktive rechte Szene in der Region
Es reicht nicht, gegen Rassisten nur auf die Straße zu gehen – das war der Tenor der Redebeiträge. Jede/r ist auch gefordert, im privaten und beruflichen Umfeld klare Kante zu zeigen und Hetze gegen Flüchtlinge oder andere Minderheiten nicht hinzunehmen. Stattdessen solle man die Ursachen von Flucht und Vertreibung thematisieren.
Die Initiative „Rems-Murr nazifrei!“ gab einen Abriss der Übergriffe von Neonazis in jüngerer Zeit in der Region. Sie erinnerte besonders an den Winterbacher Brandanschlag im Jahr 2011. Damals hatten Neonazis fünf junge Migranten über eine Streuobstwiese gehetzt und die Gartenhütte angezündet, in die sich ihre Opfer flüchteten. Sie entgingen nur knapp dem Feuertod.
Viele engagieren sich für Flüchtlinge
Das Jugendzentrum Backnang hob hingegen positive Beispiele für den Umgang mit Flüchtlingen in der Stadt hervor. Weitere Redner kamen vom Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart und Region AABS und der Antifaschistischen Jugend Rems-Murr AJRM.
Viel Beifall erhielt die sehr emotionale Rede eines Flüchtlingscoachs des Arbeitskreises Asyl Backnang. Reinhard Neudorfer sprach für die Linke, Dieter Keller für den DGB Fellbach. Ein Sprecher des Bündnisses „Keine Basis der NPD“ aus Meßstetten berichtete von der Absicht der Partei, auf der Schwäbischen Alb einen alten Gasthof zu kaufen, um ein Schulungszentrum einzurichten. Zuletzt sprach ein Vertreter der Flüchtlings-Selbsthilfeorganisation „The Voice“ auf Englisch.
Spontan-Demo ohne Zwischenfälle
Die Polizei war mit nur wenigen Beamten in normaler Uniform vor Ort. Sie zählte auf dem schwer zu überblickenden Obstmarkt rund 250 Kundgebungs-TeilnehmerInnen – wir und die Veranstalter hingegen 350. Auch viele PassantInnen blieben stehen, hörten zu, applaudierten, nahmen Flyer mit oder trugen sich am Infostand der Veranstalter mit ihrer E-Mail-Adresse in Listen ein, um Informationen über die weitere Entwicklung zu erhalten.
An der anschließenden Spontandemonstration beteiligte sich auch die SPD. Auch hier fiel die positive Stimmung vieler PassantInnen auf. Viele zollten den vorüberziehenden DemonstrantInnen Beifall. Es gab nur sehr vereinzelt Pöbeleien. Mit Ausnahme der Besatzung eines Streifenwagens, der dem Zug hinterherfuhr, waren keine PolizistInnen zu sehen. Die Demonstration verlief ohne jeden Zwischenfall.
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