Heidenau/Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat am Samstag, 29. August, alle für das Wochenende ausgesprochenen Versammlungsverbote im sächsischen Heidenau aufgehoben. Es begründete seine Entscheidung mit einer Folgenabwägung. Die sächsischen Behörden hätten nicht hinreichend begründet, weshalb ein polizeilicher Notstand vorliegen soll.
Das Versammlungsverbot war zunächst vom Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ausgesprochen worden. Es sollte von Freitagnachmittag bis Montagmorgen für alle Versammlungen gelten – für Aufmärsche rechter Gruppen, aber auch für ein Willkommensfest, das die Initiative „Dresden nazifrei!“ für die Flüchtlinge in Heidenau plante. Das stieß auf harsche Kritik.
Die Behörde hatte ihre Entscheidung damit begründet, dass zu wenig Polizeikräfte zur Verfügung stünden, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und die gegnerischen Lager zu trennen. Am Wochenende zuvor hatten Neonazis zwei Nächte lang nahezu ungehindert vor dem Asylheim randaliert, Polizisten angegriffen und versucht, die Zufahrt für Busse mit Flüchtlingen zu blockieren.
Das Verwaltungsgericht Dresden hob das generelle Versammlungsverbot auf, das sächsische Oberverwaltungsgericht setzte es am Freitag wieder in Kraft. Nur die Willkommensfeier nahm das Oberverwaltungsgericht aus. Nun erließ die dritte Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine einstweilige Anordnung und ließ alle Versammlungen am Wochenende zu.
Die Begründung des Gerichts: Wenn das Versammlungsverbot bestehen bleibt, eine Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hat, wäre das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit „in einem zeitlich wie örtlich eng durch aktuelle Ereignisse gebundenen Kontext zu Unrecht außer Kraft gesetzt“. Das Verbot von Versammlungen im gesamten Gebiet der Stadt Heidenau für das anstehende Wochenende wöge schwer. „Aufgrund der Geschehnisse der jüngeren Zeit und der aktuellen Medienberichterstattung“ komme der Stadt Heidenau „für das derzeit politisch intensiv diskutierte Thema des Umgangs mit Flüchtlingen in Deutschland und Europa besondere Bedeutung zu“.
Das freie Wochenende sei für viele Bürgerinnen und Bürger die einzige Möglichkeit, sich durch ein „Sich-Versammeln“ an der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen und „im Wortsinn Stellung zu beziehen“. Das Verwaltungsgericht habe aber einen polizeilichen Notstand nicht feststellen können. Das habe auch das Oberverwaltungsgericht mit Blick auf das Willkommensfest nicht und das Fest deshalb erlaubt.
Es sei auch sonst „substantiiert nichts erkennbar“, dass jede Versammlung in Heidenau am ganzen Wochenende „zu einem nicht beherrschbaren Notstand führt“ – zumal polizeiliche Unterstützung durch andere Bundesländer und den Bund möglich sei.
Die zuständigen Behörden hätten trotz dieser einstweiligen Verfügung das Recht, dem Versammlungsrecht entsprechend „begrenzende Anordnungen im Einzelfall zu treffen“, betonte das Bundesverfassungsgericht.
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