Phillipsburg. Im badischen Phillipsburg fand am Samstag, 29. August, eine „Demonstration“ von genau acht Neonazis und rechten Hooligans statt. 150 bis 200 GegendemonstrantInnen stellten sich den Rechten entgegen. Die Polizei schützte die Kundgebung der Neonazis. Sie versuchte aber auch, das Presserecht einzuschränken. Sie schikanierte FotografInnen der Beobachter News durch mehrfache Personenkontrollen und behinderte sie bei der Arbeit.
Zu der rechten Versammlung hatte Mathias B. aus Bruchsal aufgerufen. Er war in der Vergangenheit bereits bei den rassistischen und islamfeindlichen Aufmärschen von „Widerstand Karlsruhe“ (ehemals Pegida-Karlsruhe) als Redner, Ordner und Mitorganisator aufgetreten. Er steht auch im engen Kontakt zu der Gruppe „Berserker Pforzheim“, die mit den HoGeSa-Krawallen in Köln letztes Jahr in die Öffentlichkeit trat und bis vor kurzem bei den Pegida-Demonstrationen in Karlsruhe den Orderdienst übernahm.
Die überschaubare Gruppe von Neonazis sammelte sich gegen 13.30 Uhr unter Polizeischutz am Bahnhof in Phillipsburg. Nahezu alle Teilnehmer tranken Bier. Einige waren erkennbar stark alkoholisiert. Gegen 14.30 Uhr starteten sie auf Drängen der Polizei ihren Aufmarsch. Sie zogen einmal um den Block. Nach zehn Minuten war der Zug auch schon wieder vorüber.
Diese Zeit nutzten die GegendemonstrantInnen, um vor das Bahnhofsgebäude zu ziehen. Das hatte zur Folge, dass die Rassisten ihren Umzug einige hundert Meter früher als geplant beenden mussten. Das Offene Antifaschistische Treffen Karlsruhe OAT KA (siehe unten den Wortlaut der Rede) ging auf die aktuelle Situation ein. Es sei notwendig, sich antifaschistisch zu organisieren. Nach dem Redebeitrag löste sich auch die Gegenkundgebung auf. Zuvor waren alle Neonazis abgereist.
Die Polizei hatte sich an diesem Tag zur Aufgabe gemacht, die Neonazis zu schützen – aber auch, das Presserecht einzuschränken und einzelnen AntifaschistInnen nachzustellen. Die anwesenden Fotojournalisten der Beobachter News mussten sich von den Kräften der Polizei mehrfach einer Personenkontrolle unterziehen lassen. Sie wurden an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert und aufgefordert, das Fotografieren einzustellen. Dies geschah unter der – rechtlich völlig haltlosen – Androhung, die Fotoausrüstung zu beschlagnahmen.
Der Redebeitrag des Offenen Antifaschistischen Treffens Karlsruhe OAT KA im Wortlaut:
„Übergriffe auf Flüchtlinge an der Tagesordnung – Die Antifaschistische Aktion aufbauen!
An den 23. Jahrestagen der Pogrome von Rostock-Lichtenhagen steht im sächsischen Heidenau erneut ein hässlicher Mob vor einer Unterkunft für Asylsuchende. Der offen zur Schau gestellte Hass auf Fremde und Rassismus entlädt sich letztendlich in Straßenschlachten mit der Polizei. Dieses Schauspiel wiederholt sich an mehreren aufeinander folgenden Tagen.
Doch so bitter es auch ist, dieses Ereignis stellt nur die Spitze des Eisbergs dar. Täglich sind den Medien Berichte über Angriffe auf Asylsuchende und deren Unterkünfte entnehmbar. Diese finden im gesamten deutschen Bundesgebiet satt. Auch hier in der Gegend sind die Auswirkungen dieses Rechtsrucks in aller Deutlichkeit zu erkennen. So fand seit Februar diesen Jahres im Schnitt jede zweite Woche ein rassistisch motivierter Aufmarsch in Karlsruhe statt. Waren diese Aufmärsche („Pegida Karlsruhe“ – Jetzt: „Widerstand Karlsruhe“) zu Beginn eventuell noch ein Sammelbecken für alles rechts von der CDU, so sind sie mittlerweile zu einem harten Kern aus Neonazis und rechten Hooligans zusammengeschrumpft.
Doch nicht nur mit rechter Hetze, sondern auch mit direkten Aktionen können die RassistInnen in der Region aufwarten. In der Nacht zum Samstag, den 18. Juli 2015, wurde im nahegelegenen Remchingen (Enzkreis) ein Brandanschlag auf ein Haus, in dem Flüchtlinge untergebracht werden sollten, verübt. Das Gebäude wurde so stark beschädigt, dass es abgerissen werden muss. Die Polizei tappt derweil im Dunkeln. Eine weitere erschreckende Meldung kam aus Weissach im Tal (Rems-Murr-Kreis). Dort brannte in den frühen Morgenstunden des 24. August 2015 ein Haus, das ebenfalls zur Unterbringung für Flüchtlinge vorgesehen war, vollständig nieder. Auch hier steht der Verdacht der Brandstiftung im Raum.
Diese wieder aufflammende rechte Gewalt geht einher mit der Hetze gegen Menschen anderer Herkunft, Sprache, Hautfarbe oder Religion, sowie auch gegen Linke und freiheitlich Denkende. Dabei wird bewusst die Wahrheit verkannt und Fakten verdreht, um die rassistischen und menschenverachtenden Ressentiments zu befeuern.
Zu den eingesessenen rechten Vereinigungen wie der NPD gesellen sich vergleichsweise junge Gruppen wie die „Alternative für Deutschland“ (AfD), die sehr weit rechts gestartet hat und immer weiter nach rechts driftet, die Neonazipartei „Die Rechte“ und nicht zuletzt die rassistische und fremdenfeindliche Pegida-Bewegung, deren Abspaltung „Widerstand Ost/West“ oder hier in Philippsburg „Steh auf für Deutschland“. Diese Gruppierungen sprechen unterschiedliche gesellschaftliche Schichten an und versorgen diese unter anderem über soziale Medien wie Facebook tagtäglich mit ihrer menschenverachtenden Hetze, die an Opportunismus und Populismus nur schwerlich zu übertreffen ist.
Die rechte Bedrohung ist in Deutschland wieder ein Stück realer geworden. Dem gilt es etwas entgegen zu setzen!
Nicht zuletzt die Aufarbeitung der Mordserie des NSU, nach dessen Selbstenttarnung, die Unmengen an Verstrickungen zwischen organisierter rechter Szene und staatlichen Inlandsgeheimdiensten zu erkennen gibt, führt zu der Erkenntnis, dass wir uns hierbei nicht auf den Staat verlassen können, sondern selbst aktiv werden müssen. Informiert euch über die aktuelle politische Situation und diskutiert diese mit euren Freunden, in euren Wohngemeinschaften, an der Schule, an der Uni oder mit den KollegInnen im Betrieb. Organisiert euch in bestehenden antifaschistischen Zusammenhängen, oder gründet neue Gruppen. Lasst uns gemeinsam eine Öffentlichkeit für unser Anliegen schaffen und fortschrittliche Inhalte in die gesellschaftliche Diskussion tragen. Werdet aktiv, beteiligt euch an Protesten und anderen Aktionen! Es gilt die Antifaschistische Aktion aufzubauen und den notwendigen Selbstschutz zu organisieren!
Um der aktuellen Problematik der rechten Umtriebe aber auch der humanitären Katastrophe, die aus der Vielzahl von Flüchtlingen entstanden ist, nachhaltig zu begegnen, gilt es, die Verhältnisse, die unser Leben bestimmen, radikal – das heißt grundlegend – zu analysieren, zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern. Zu diesen Verhältnissen gehört die aktuelle Politik, die von den in die weltweiten Konflikte involvierten Nationen betrieben wird, genauso wie das Wirtschaftssystem, das eine weltweite Bewegungsfreiheit für Waren, Geld und Kapital ermöglicht aber Menschen an den Grenzen aufhalten möchte.
Lasst uns gemeinsam kämpfen für eine bessere, eine solidarische Welt!
Hoch die internationale Solidarität!“
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