Von Andreas Scheffel – Stuttgart. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt gingen am Samstag, 12. September, rund 2500 Kurden und Kurdinnen auf die Straße, um gegen die türkische Regierung zu demonstrieren. Hintergrund des Protests, der von der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP mitorganisiert wurde, war die Situation in der Stadt Cizre, über die der Ausnahmezustand verhängt wurde. Die zentrale Forderung der Kurden ist Frieden und Demokratie für die Türkei.
Die Polizei kontrollierte im Vorfeld der Demonstration viele TeilnehmerInnen penibel. Sie beschlagnahmte bei ihren Personenkontrollen mehrere Fahnen. Die Demonstration begann am späten Nachmittag in der Lautenschlagerstraße und führte über den Rotebühlplatz bis zum Stuttgarter Rathaus.
Kurz nach dem Rotebühlplatz gab es ein Handgemenge, weil jemand fotografierte und das Zeichen der Grauen Wölfe machte: eine Faust mit gestrecktem Zeigefinger und kleinem Finger.
Die Rede der HDP Plattform von Stuttgart im Wortlaut:
Wir grüßen den Widerstand in Cizzre Botan (Cizre). Wir verurteilen die faschistischen Angriffe auf die HDP. Mit der Beendigung des kurdisch-türkischen Friedensprozesses durch den türkischen Präsidenten Erdogan am 24. Juli 2015 ist ein neuer totaler Krieg gegen Kurden entfacht worden. Seit diesem Zeitpunkt befinden sich kurdische Bergedörfer und Ländereien täglich unter Beschuss und Bombardement der türkischen Sicherheitskräfte.
Die Ereignisse überschlagen sich. Jeden Tag gibt es neue Meldungen von Toten. Es ist schon lange kein Krieg mehr allein zwischen den türkischen Sicherheitskräften und den Volksverteidigungskräften HPG, der türkische Staat hat auch die kurdische Bevölkerung ins Visier genommen.
Der Faschist Erdogan kann die Niederlage, die er bei den Wahlen am 17. Juni 2015 erhielt, nicht einstecken. So hat er das kurdische Volk und die Demokraten dafür verantwortlich gemacht, ihnen einen regelrechten Krieg – angefangen mit der Ermordung der 32 sozialistischen Jugendlichen in Suruc – erklärt.
Ausnahmezustand in Cizir
Nur wenige Informationen sickern aus der von der türkischen Armee abgeriegelten Stadt an die Öffentlichkeit. Die belagerten Stadtteile von Cizir sind ständigem Beschuss durch das türkische Militär ausgesetzt. Dadurch kommt es auch immer wieder zu Bränden in Wohnhäusern. Seit mittlerweile fünf Tagen gilt die vom Gouverneur von Sirnex verhängte Ausgangssperre über Cizir.
Aus diesem Grund können die Leichname der Zivilisten, die seit Beginn der Belagerung der Stadt durch die türkischen Sicherheitskräften ermordet wurden, nicht bestattet werden. Teilweise müssen deshalb die Leichnamen in Tiefkühltruhen aufbewahrt werden. Bei den Angriffen des türkischen Staates auf die Stadt wurden bisher Dutzende getötet, darunter auch ein einmonatiges Baby.
Das Volk in Cizir ist nicht allein. Überall ist Cizre! Überall ist Widerstand!
Dieser Slogan verbreitet sich wie ein Lauffeuer von Kurdistan bis in alle Städte in Europa. Alle Menschen, die noch Menschlichkeit in sich haben, reagieren auf diese Ereignisse und nehmen Anteil daran.
Wir verurteilen die deutsche Regierung. Während sie zu den faschistischen Angriffen der AKP-Regierung keine Stellungnahme bezieht, verhaften und kriminalisieren sie kurdische Politiker und ATIK Aktivisten. Obwohl sie behauptet gegen die IS zu sein, schweigt die deutsche Regierung gegenüber der türkischen Regierung, die immer näher an die IS heranrückt. Wir verurteilen die heuchlerische Politik der deutschen Regierung.
Wir, die Stuttgarter HDP Plattform, rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich dem türkischen Staatsterrorismus gegen Zivilisten und die Partei HDP entschlossen entgegenzustellen. Die AKP Regierung wendet gegen die kurdische Bevölkerung in Nord-Kurdistan Methoden des islamischen Staates IS an. Und somit gegen die Menschen, die den Kampf gegen den IS aktiv führen.
Angriffe auf die Partei HDP
Angestachelt durch die Hetze regierungsnachher Medien griffen faschistische Gruppen in Städten wie Istanbul, Mugla, Ankara, Kirsehir und Elaziz Büros der Demokratischen Partei HDP an. Die AKP-nahe Tageszeitung Yeni Safak hatte mit der Überschrift „Mörder“ über einem Bild des HDP-Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtas auf ihrer Titelseite die Partei praktisch zum offenen Angriffsziel für faschistische MHP- und AKP-Sympathisanten gemacht.
Das Schweigen zum türkischen Staatsterror bedeutet Zustimmung zum Massaker an Kurden und der Vernichtung der Demokraten in der Türkei.
Stuttgarter HDP Plattform 12. September 2015
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