Von Tape Lago – Essen. Die Polizei war mit einem massiven Aufgebot vor Ort, schützte die NazigegnerInnen jedoch kaum: Rund 300 DemonstrantInnen waren am Sonntag, 20. September, dem Aufruf des Bündnisses „Essen stellt sich quer“ gefolgt. Sie protestierten gegen mehr als 200 Neonazis und Hooligans. Nachdem sich beide Versammlungen aufgelöst hatten, griffen Anhänger von HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten) ohne ersichtlichen Grund TeilnehmerInnen der Gegendemonstration an.
Nach Angaben der Polizei gab es zwei Verletzte. Eine Frau aus dem linken Spektrum habe einen Nasenbeinbruch erlitten. Die Polizei habe 152 HoGeSa-Anhänger überprüft und 13 von ihnen auf die Wache gebracht. Sie ermittle unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Verstößen gegen das Versammlungsrecht.
Die Neonazis und Hooligans waren gewalttätig geworden, obwohl die Polizei mit einem massiven Aufgebot in der Innenstadt war. Dieser strategische Fehler sorgte bei den Angegriffenen und NazigegnerInnen für große Empörung. Er warf Fragen auf: „Wo war die Polizei, als wir angegriffen wurden? Warum konnte sie diese Attacke von bewaffneten Neonazis und Hooligans nicht verhindern?“
Selbst ein Hubschrauber war im Einsatz
Beamte aus Köln, Münster, Bielefeld und Aachen waren abkommandiert, ihre Essener Kollegen zu unterstützen. Ein Hubschrauber war ebenfalls da. Seine Besatzung beobachtete das Geschehen in der Innenstadt aus der Luft bis zum Schluss. Vor Ankunft der Neonazis und Hooligans hatte die Polizei mehrere Straßen mit Gittern gesperrt und Beamte entlang der Demoroute der Neonazis und Hooligans postiert. Ziel dieses massiven Aufgebots war, den HoGeSa-Aufmarsch zu ermöglichen und Blockaden von GegnerInnen zu verhindern. So waren an dem Sonntag hunderte Polizisten im Einsatz in der Innenstadt.
HoGeSa: Eine Mischung aus Neonazis und Hooligans
Die HoGeSa-Kundgebung die von Dominik Roeseler (Pro NRW) angemeldet war, startete mit einer kleinen Verspätung wegen technischer Probleme. Davor versammelten sich auf dem Viehofer Platz mehr als 200 bekannte Mitglieder der Neonazi- und Hooliganszene in einer Art Gehege, das von der Polizei gesichert und bewacht war.
Die Kundgebung wurde von Glockengeläut und Gegenprotesten begleite. Roesler hetzte gegen den Islam, Muslime und Flüchtlinge. „Deutschland für die Deutschen“, „Wer Deutschland nicht mag, soll Deutschland verlassen“, „Ausländer raus“ riefen die Neonazis und Hooligans. Roeseler rief seine Anhänger und Deutschland zum Nationalismus auf und griff die WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) an. Er bezeichnete sie als „Lügenpresse“.
„Spaziergang“ der Rechten ohne Außenwirkung
Gleichzeitig demonstrierten auf dem Pferdemarkt knapp 300 DemonstrantInnen gegen HoGeSa und riefen „Nazis raus, Refugees are welcome, kein Mensch ist illegal“. Nach ihrer Kundgebung zogen die Neonazis und Hooligans – von der Polizei begleitet – am späten Nachmittag durch die Innenstadt. Sie liefen durch die Friedrich-Ebert-Straße, Kreuzeskirchstraße und Rottstraße. Zuletzt landeten sie wieder im „Nazi-Gehege“.
Es war ein Spaziergang ohne Wirkung. Entlang der Demoroute protestierten mehrere GegendemonstrantInnen. Ihr Versuch, den Naziaufmarsch zu blockieren, blieb wegen des großen Polizeiaufgebots ohne Erfolg. Die Abschlusskundgebung der Neonazis und Hooligans und die Gegendemonstration verliefen weitgehend friedlich.
Polizei wird Versagen vorgeworfen
Kurz nach dem Ende der HoGeSa-Demonstration griffen Neonazis und Hooligans jedoch GegendemonstrantInnen an. Sie warfen Stühle auf sie und schlugen mit Ketten, Schlagstöcken und Eisenpollern gegen die Glastür einer Bar, in der GegendemonstrantInnen Zuflucht gefunden hatten. Bei dem Angriff verletzten die Neonazis und Hooligans zwei NazigegnerInnen. Das alles geschah, obwohl hunderte Polizisten vor Ort waren.
„Wir hatten von der Polizei erwartet, dass sie die Neonazis und Hooligans zum Bahnhof begleitet. Wir hatten auch damit gerechnet, dass die Polizei die HoGeSa-Anhänger bis zu ihrer Abreise im Blick behalten würde, damit es zu solchen Übergriffen nicht kommt. Aber das war nicht der Fall. Die Polizei ließ die Neonazis und Hooligans einfach so in der Innenstadt spazieren. Das ist ein Skandal!“, sagten AktivistInnen von „Essen stellt sich quer“. Sie klangen sehr empört.
HoGeSa verbreitete in der Stadt Angst und Schrecken
Auf die Frage, ob die Polizei die Gewaltbereitschaft der Neonazis und Hooligans wohl unterschätzt habe, antwortete Anabel Jujol, Künstlerin und Ratsmitglied der Stadt Essen, mit Nein. Sie warf der Polizei Versagen vor. Ihr „Fehlverhalten“ sei ein Skandal.
Jujol hatte an dem Sonntag ein Kinderfest zum Weltkindertag organisiert. Sie wurde kurz vor dem Angriff der Neonazis und Hooligans von einem Polizisten gewarnt. Er sagte, sie solle den Platz verlassen. Aus ihrer Sicht verbreiteten Neonazis und Hooligans Angst und Schrecken in der Innenstadt – trotz der großen Polizeipräsenz. Das sei nicht akzeptabel. Sie sprach mit einem Einsatzleiter der Polizei. Er habe zugegeben, dass der Einsatz nicht so gut geklappt habe. Die Polizei hätte aus Jujols Sicht die Demonstration der Neonazis und Hooligans in der Innenstadt nicht zulassen dürfen, allenfalls an einem anderen Ort, betonte sie.
Misserfolg für die Essener Polizei
Das Bündnis „Essen stellt sich quer“ sah seine Kundgebung und den Protest gegen HoGeSa als politischen Erfolg. Es empörte sich ebenfalls über das Verhalten der Polizei. „Uns liegen mehrere Beschwerden von TeilnehmerInnen vor, die aussagen, dass einige Polizeibeamte auf Hilfegesuche zunächst mit dummen Sprüchen reagiert hätten. Darüber hinaus stellt sich uns die Frage, wie die Hooligans trotz massiver Polizeipräsenz in der Innenstadt Baseballschläger mit sich führen konnten.“
Die Polizei habe ihre Zusage, allen GegendemonstrantInnen und den TeilnehmerInnen der Feste zum Weltkindertag in der Innenstadt Schutz zu bieten, jedenfalls nicht eingehalten, so das Bündnis: „Die Gründe dafür wollen wir geklärt haben. Die jetzt bekannten Geschehnisse deuten auf einen Skandal hin. Nach unseren jetzigen Erkenntnissen zeigt die Einsatzplanung der Essener Polizei ein desaströses Ergebnis.“ Eine innerpolizeiliche Aufarbeitung dieses Einsatzes könne eigentlich nur personelle Konsequenzen nach sich ziehen.
Betroffene zeigen HoGeSa-Schläger an
Die Scharmützel in der Innenstadt dauerten noch Stunden nach Auflösung des HoGeSa-Aufmarsches an. Gruppen von Nazis waren in der Stadt unterwegs, so dass TeilnehmerInnen der Gegenaktionen Angst hatten, durch die Stadt zu gehen, teilte das Bündnis später in einer Pressemitteilung mit. Einige angegriffene GegendemonstrantInnen zeigten die Neonazis und Hooligans nach dem brutalen Angriff auf sie an. Daraufhin kesselte die Polizei rund 100 Neonazis und Hooligans ein und stellte ihre Personalien fest.
Unser Kommentar: Der Polizeieinsatz bei der HoGeSa-Demo und der Gegendemonstration war ein Misserfolg für die Essener Polizei. Sie hätte entweder die HoGeSa-Demo woanders stattfinden lassen oder GegendemonstrantInnen, Kinder und Bevölkerung besser schützen müssen.
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