Berlin. Die Gewerkschaft Verdi und die kommunalen Arbeitgeber haben sich in dreitägigen Verhandlungen auf neue Tarife im Sozial- und Erziehungsdienst geeinigt. Die meisten Beschäftigten würden bessergestellt. „Ein Durchbruch ist möglich geworden, weil die Arbeitgeber – anders als im August – zu einer deutlichen Veränderung der Schlichtungsempfehlung bereit gewesen sind“, erklärte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske am Mittwoch, 30. September, in Hannover.
Die Verhandlungskommission empfehle der Bundestarifkommission und den Mitgliedern die Annahme des Ergebnisses, heißt es in einer Mitteilung von Verdi. Die Bundestarifkommission, die am Freitag, 2. Oktober, gleichzeitig mit einer Streikdelegiertenkonferenz in Fulda tagt, müsse nun entscheiden, ob eine weitere Urabstimmung eingeleitet werden soll.
Eine deutliche Mehrheit der Betroffenen hatte im August das Ergebnis der Schlichtung abgelehnt (wir berichteten). Nun wurde offenbar aufgestockt. Die neue Vereinbarung sieht Verdi zufolge vor, dass zumeist jüngere Erzieherinnen und Erzieher in den unteren Gehaltsstufen besser gestellt werden als zuvor. Vollzeitbeschäftigte erhielten demnach zwischen 93 und 138 Euro mehr pro Monat als bisher. Die in der Kindererziehung Beschäftigten profitierten gleichmäßiger von einer Aufwertung. Das Berufsfeld bleibe für EinsteigerInnen attraktiv.
Bei Sozialarbeitern noch „Luft nach oben“
Zusätzlich gebe es nun auch Verbesserungen für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Allgemeinen Sozialdienst (S 14), die vom Schlichtungsergebnis nicht profitiert hätten. Sie erhielten nun zwischen 30 und 80 Euro monatlich mehr. „Wir bedauern, dass es nicht gelungen ist, für Sozialarbeiter außerhalb des Allgemeinen Sozialdienstes mehr zu erreichen, als in der Schlichtungsempfehlung vorgesehen war. Angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung der wichtigen Arbeit von Sozialarbeitern und -pädagogen ist für künftige Aufwertungen noch viel Luft nach oben“, betonte Bsirske. Wie in der Schlichtungsempfehlung vorgesehen, profitierten auch die Leitungen von Kindertagesstätten und Einrichtungen der Behindertenhilfe.
Die Arbeitgeber hätten „eine signifikante Ausweitung des Verteilungsvolumens abgelehnt“, bedauerte Bsirske. Allerdings seien beide Seiten in den Gesprächen daran interessiert gewesen, eine weitere Eskalation des Tarifkonflikts zu vermeiden.
Jutta Krellmann: Gesellschaftliche Akzeptanz ist gewachsen
Die Vereinbarung soll rückwirkend zum 1. Juli 2015 in Kraft treten und bis zum 30. Juni 2020 laufen. Ab 1. Juli 2019 seien Gespräche über die Erfahrungen mit dem Tarifabschluss vereinbart. „Die jahrzehntelange Lohndiskriminierung sozialer und frauentypischer Berufe lässt sich nicht im Handstreich beseitigen, bleibt aber weiter gewerkschaftliche Aufgabe. Das Ergebnis ist ein erster Schritt in Richtung Aufwertung, dem weitere folgen müssen“, betonte Bsirske.
„Die gesellschaftliche Debatte über die Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe hat den Arbeitgebern jetzt Nachbesserungen abgerungen – das ist ein nicht zu unterschätzender Erfolg“, findet auch Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Die Beschäftigten hätten nun zu entscheiden, „ob diese Nachbesserungen des zuvor von ihnen abgelehnten Schlichterspruches eine Aufwertung ihrer Arbeit bedeutet“. Ihnen sei in ihrem allerersten Tarifkampf gelungen, „eine breite gesellschaftliche Akzeptanz für die Hochwertigkeit ihrer Tätigkeiten zu erreichen“. Es gebe ihnen und ihren Gewerkschaften für künftige Auseinandersetzungen „ordentlich Rückenwind“, dass sich diese Akzeptanz jetzt in einem neuen Angebot niederschlägt.
Siehe auch unsere früheren Artikel:
Schlichterspruch abgeschmettert
Ärger über Schlichterspruch (Interview mit Jochen Dürr)
Wichtige Arbeit für die Gesellschaft
Verschnaufpause bei Kita-Streiks
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