Von Alfred Denzinger – Ludwigsburg. 6000 Menschen fasst die Halle. Mindestens 2000 weitere mussten draußen bleiben, weil es in der Ludwigsburger MHP-Arena zu eng wurde: Zur einzigen Wahlkampfveranstaltung der linksgerichteten HDP in Süddeutschland kamen am Samstag, 3. Oktober, AnhängerInnen der prokurdischen Partei aus der Umgebung von Stuttgart, aber auch aus Ulm, Heilbronn, Heidelberg oder Manheim. Sie feierten den Auftritt des Co-Vorsitzenden der HDP Selahattin Demirtas. Als der 42-Jährige auf die Bühne kam, wurde er mit begeistertem Applaus begrüßt.
Viele Menschen sprangen von ihren Sitzen auf, klatschten und zückten Kameras oder Smartphones, um den HDP-Führer inmitten der jubelnden Menge zu fotografieren. Selahattin Demirtas appellierte an seine ZuhörerInnen, seiner Partei bei der Parlamentswahl in der Türkei am 1. November ihre Stimme zu geben. Die HDP stehe für Freiheit und Gerechtigkeit. Sie wolle den Unterdrückten eine Stimme geben.
Demirtas fordert höhere Mindestlöhne
Der Mittlere Osten sei zu einer einzigen Blutlache geworden, klagte Demirtas bitter. Die HDP wolle allen Glaubensrichtungen und Minderheiten die gleichen Rechte einräumen. Die AKP hingegen lasse Vielfalt und Andersartigkeit nicht zu. Demirtas forderte eine neue Verfassung für die Türkei. Man brauche eine neue Verfassung, die Regionale Selbstverwaltung garantiert, und eine sozialere Politik.
Zuvor hatten die Bundestagsabgeordnete der Linken Heike Hänsel, der Bundesvorsitzende der Grünen Cem Özdemir, der FDP-Politiker Tobias Huch, und Hüseyin Mat, der Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde in Deutschland, gesprochen. Auch sie riefen in ihren Grußworten dazu auf, die HDP zu wählen und in ihrem Kampf gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu unterstützen. Er trete zunehmend autokratisch auf und unterdrücke Oppositionelle und Kurden brutal.
Linke und Grüne unterstützen die HDP
Heike Hänsel warf Erdogan vor, den Terror des IS zu unterstützen. Ihre Partei werde sich weiter für eine Aufhebung des PKK-Verbots einsetzen. Sie müsse als gleichberechtigter Partner bei der Suche nach einer Friedenslösung anerkannt werden, forderte die Abgeordnete der Linken unter Beifall. Tobias Huch (FDP) bezeichnete Erdogan als „Diktator“. Auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte, dass der türkische Staat Kurden und anderen Minderheiten mehr Rechte einräumen müsse. Allerdings müsse auch die PKK den wieder aufgenommenen bewaffneten Kampf beenden.
Die 2012 in dieser Form gegründete HDP ist nicht nur eine Kurdenpartei. Die Abkürzung steht für „Halkların Demokratik Partisi“, „Demokratische Partei der Völker. Die HDP vereint ein großes Spektrum von Minderheiten. So gehören ihr auch Aleviten, Armenier oder Syrisch-Orthodoxe an. Bei den Parlamentswahlen im Juni erhielt sie 13 Prozent der Stimmen. Die RednerInnen riefen die wahlberechtigten türkischen Staatsangehörigen in Deutschland dazu auf, die HDP bei den Neuwahlen im November weiter zu stärken.
Protest gegen HDP-Veranstaltung abgesagt
Die Polizei war nach eigenen Angaben mit einem Großaufgebot von mehreren hundert Einsatzkräften vor Ort. Die „Union Europäisch-Türkischer Demokraten“ UETD hatte zunächst eine Versammlung von Anhängern der AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor der Arena angekündigt, allerdings wieder abgesagt. Nach eigenen Angaben wollte sie eine Eskalation vermeiden. Dennoch schloss das Polizeipräsidium Ludwigsburg Störungen nicht aus, zumal es in jüngerer Zeit auch in Stuttgart Auseinandersetzungen zwischen türkischen Nationalisten und Kurden gab (wir berichteten).
Am Ende der Veranstaltung kam es zu einem Zwischenfall, dessen Ursache nicht erkennbar war. Polizeikräfte umschlossen an der Ausfahrt der Tiefgarage eine Gruppe von rund zehn Besuchern und Ordnern. Nach rund 20 Minuten wurden die Personen weggeführt. Die von uns angesprochene Polizei konnte oder wollte zu den Hintergründen keine Angaben machen.
Ansonsten blieb alles ruhig. Problematisch sei nur gewesen, dass die restlos belegte Arena nicht alle Interessierten aufnehmen konnte und die Zugänge geschlossen werden mussten, heißt es in einer Mitteilung der Polizei. Mehrere Hundert enttäuschte Besucher hätten teils über Stunden auf dem Vorplatz ausgeharrt. Da es in Ludwigsburg mehrere Veranstaltungen mit großem Besucherandrang gleichzeitig gab, seien die Parkplätze in der Stadt binnen kurzer Zeit belegt gewesen, merkt der Polizeibericht noch an. In den Straßen im Bereich der Arena habe man rund 50 verkehrsbehindernd abgestellte Fahrzeuge abgeschleppt.
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