Villingen-Schwenningen/Stuttgart. In der Nacht zum 22. Oktober 2015 wurde das Gewerkschaftshaus in Schwenningen mit einem Farbbeutel beschädigt, die Briefkästen mit Öl beschmiert und die Tür attackiert. Die Gewerkschaft Verdi geht von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus.
Hierzu erklärt Dagmar Schorsch-Brandt, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin:
Angriffe auf Flüchtlinge und diejenigen, die sich für sie einsetzen, sind eine Schande für unser Land. Ausgrenzung, tätliche Angriffe und Mordversuche darf es in Deutschland nie wieder geben. Gerade wir haben eine besondere Verantwortung für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen müssen. Rechten Biedermännern und Brandstiftern muss das Handwerk gelegt werden.
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Verdi fordert mehr Personal für die Arbeit für Flüchtlinge an
Verdi Baden-Württemberg mahnt mehr Personal für die Aufnahme, Versorgung und Integration von Flüchtlingen und dafür auch eine bessere Finanzausstattung der Kommunen an. Neben tausenden Ehrenamtlichen arbeiten vor allem die Beschäftigten der Gebietskörperschaften und der Arbeitsagenturen seit Monaten an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Verdi fordert unter anderem unbefristete Einstellungen, mehr Ausbildung und die unbefristete Übernahme der Ausgebildeten, um Engpässe in den besonders belasteten Behörden und Institutionen zu beseitigen. Einige Kommunen beginnen inzwischen Pensionäre auf 450 Euro Basis wieder zu beschäftigen, verweigern aber Teilzeitkräften Aufstockungen ihrer Arbeitszeit und stellen nachwievor sachgrundlos befristet ein. Insbesondere im Bereich der Sozialarbeit sind Stellen praktisch nicht mehr besetzbar. Trotz des akuten Personalmangels muss dennoch sichergestellt werden, dass die Flüchtlinge zeitnah und umfassend informiert und betreut werden. Vor allem in den Großunterkünften kann dies nicht mehr immer gewährleistet werden, die Beschäftigten sind dort deshalb täglich unter erheblichen Belastungen im Dienst. Dezentrale Unterbringungsstrukturen müssen deshalb wo möglich angestrebt werden.
Dagmar Schorsch-Brandt: „Nach jahrzehntelangem Personalabbau und nun etlichen Jahren, in denen wegen Fachkräftemangel und mangelhafter Bezahlung Stellen unbesetzt bleiben mussten, stößt der öffentliche Dienst im Land vielerorts inzwischen an seine Grenzen. Dass die gewaltige Aufgabe der Arbeit für und mit den Flüchtlingen bisher geschafft wird, verdanken wir auch dem herausragenden Engagement der Beschäftigten. Es wird auf allen Ebenen Unglaubliches in diesen Monaten geleistet. In der Politik, im Ehrenamt und von den Beschäftigten.“
Nach Verdi-Schätzungen fehlen bundesweit mehrere zehntausend Stellen für eine angemessene Aufnahme, Betreuung und Integration der Schutzsuchenden. So müsse allein das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von derzeit 3000 auf 9000 Stellen aufgestockt werden. Darüber hinaus fehlen in den Jobcentern bundesweit mindestens 2000 Beschäftigte in den Sparten Arbeitsförderung und -vermittlung. Wegen der wachsenden Anzahl schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher unter den Flüchtlingen werden bundesweit zudem etwa 10 000 neue Lehrer benötigt. Für die 68 000 Kinder, die in den Kindertageseinrichtungen erwartet werden, sind zudem etwa 20 000 zusätzliche Stellen für pädagogische Fachkräfte erforderlich, um neben Bildung und Betreuung auch alltagsintegrierte Sprachförderung leisten zu können. Verdi Baden-Württemberg führt derzeit eine Befragung bei den Beschäftigten in den Kindertagesstätten durch, in der der genaue Bedarf an qualifiziertem Personal ermittelt werden soll.
Die Arbeitsbelastung durch die Flüchtlinge nimmt auch in den Arbeitsagenturen und Jobcentern im Land kritische Ausmaße an. Verdi fordert deshalb eine stärkere Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen. „Ohne einen Aufwuchs beim Personal werden die Aufgaben auf Dauer nicht zu stemmen sein“, so Claudia Chirizzi, zuständige Verdi Landesfachbereichsleiterin. Verdi erwartet zumindest, dass der Personalabbau im operativen Bereich unverzüglich gestoppt wird.
Hauptgrund für die Zuspitzung der Situation ist, dass aus dem Bereich Operativer Service Mannheim Personal ans Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgegeben wurde. Weitere Amtshilfekräfte von Vivento, die bisher Aufgaben der Arbeitsagenturen bearbeitet haben, sollen ebenfalls abgezogen werden. Damit fehlt „quasi über Nacht“ vor Ort Personal.
Silke Schock, Vorsitzende der ver.di Landesfachgruppe Arbeitsverwaltung: „Die Arbeitsvermittlung soll uneingeschränkt weiterlaufen, die Zielplanung 2016 bestehen bleiben, Außendienste sollen künftig in die Wohnheime gehen. Dies wird nicht mit weniger Personal funktionieren, nur mit mehr.“
Geplant sind außerdem nun Anlaufstellen für Flüchtlinge „unter einem Dach“, also beispielsweise Personal der Kommunen, der Agenturen für Arbeit und weiterer Träger. Verdi unterstützt diese Pläne ausdrücklich, erwartet aber, dass diese arbeitsfähig sind und zum Beispiel die IT synchronisiert wird, um nochmals steigende Belastungen zu vermeiden.
Chirizzi: „Die Beschäftigten arbeiten derzeit am Anschlag, um diese herausfordernde Aufgabe zu meistern, alles neben dem laufenden Geschäft. Mit der jetzigen Besetzung schaffen das die Beschäftigten nicht dauerhaft.“
Fotos unten von York Töllner, ver.di
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