Von Christian Meyer – Villingen-Schwenningen. Der Pegida-Ableger im Dreiländereck „SBH-Gida“ – SBH steht für Schwarzwald, Baar, Heuberg – hielt am Sonntag, 18. Oktober, wieder einmal in Villingen eine Kundgebung ab. Bereits zum zehnten Mal lud der offen rassistische Zusammenschluss in die Doppelstadt, um gegen eine angebliche Islamisierung zu protestieren. Anders als sonst war ich nicht mit der Kamera unterwegs, sondern „undercover“ mitten im rechten Mob. Ich wollte das Grauen direkt miterleben.
Bereits auf dem Weg zur Kundgebung fiel mir auf, dass eine Vielzahl rechter Aufkleber das Straßenbild prägten. Dabei gab es erst zwei Tage zuvor einen antifaschistischer Straßenspaziergang, bei dem Naziwerbung überklebt oder entsorgt wurde. Ich machte noch einen kurzen Abstecher zur Antifakundgebung und begab mich dann in die Höhle des Löwen.
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Springerstiefel, Tarnfleckhose, Deutschlandfahne
Bis 14.45 Uhr war der Kundgebungsort der Rechten ziemlich verwaist. Die Polizei hatte den Münsterplatz doppelt eingegittert. Es gab einen inneren Gitterbereich, den direkten Kundgebungsort von Sabrina Grellmann und Konsorten, dann eine Pufferzone von bis zu 50 Metern und schließlich erneut eine Absperrung, hinter der sich der antifaschistische Gegenprotest versammeln durfte. Außer den Ordnern waren nur wenige angeblich „besorgte Bürger“ vor Ort. Ab 14.45 Uhr änderte sich die Situation. Mit „Ahu“-Rufen kündigten sich die Anhänger der SBH-Gida an. Das war der Moment, in dem ich mich in die 90er Jahre zurück versetzt fühlte. Denn was dann einlief, kann ich nicht anders beschreiben. Springerstiefel in Kombination mit Tarnfleckhose und Deutschlandfahne als Accessoire hatte ich schon lange nicht mehr gesehen. Daneben Thor-Steinar-Klamotten und jede Menge Halsketten mit Thors-Hammer oder schwarzen Sonnen als Anhänger.
Mann mit Israelfahne wurde vertrieben
Mir wurde es schlagartig kälter. Am Ende waren es knapp 160 Pegida-Anhänger, die sich auf dem Münsterplatz versammelten. Auch ein Mann mit einer Israelfahne war zugegen. Er ist Stammgast bei den Pegida-Veranstaltungen in Villingen. Doch diesmal musste er fluchtartig die Veranstaltung verlassen. Mehrere offenkundige Nazis versuchten, ihm die Israelfahne zu klauen. Sie trieben ihn mit den Worten „Verpiss dich du Ju…sau, das ist eine deutsche Veranstaltung“ vom Platz. Dann begann die offizielle Kundgebung. Wegen des Gegenprotests war nicht viel von den verschiedenen RednerInnen zu verstehen. Die Wortfetzen reichten jedoch völlig, um zu verstehen, dass hier nationalistische bis hin zu offen faschistische Propaganda betrieben wurde. Auch optisch wirkte die Versammlung wie eine Naziveranstaltung. Fast jede/r TeilnehmerIn trug die Deutschlandfahne, und auch auf der rechten Seite wurden die RednerInnen von mehreren Fahnenträgern flankiert.
Die Hälfte waren offen auftretende Nazis
Ich hielt es nicht mehr aus und verließ die Veranstaltung. Über die Hälfte der anwesenden Pegida-AnhängerInnen waren offen auftretende Nazis, und die andere Hälfte war auch nicht viel besser. Nach dem Durchqueren der Pufferzone machte ich mich auf den Weg, um mir den antifaschistischen Gegenprotest anzuschauen. Sofort fühlte ich mich wohler, aber ich war auch erschüttert. Es gab ihn zwar, den Gegenprotest, aber er war ziemlich klein. Nur etwa 90 AntifaschistInnen hielten den Gegenprotest aufrecht. Ich sprach mit Robert Hertkamp, dem Sprecher des Offenen Antifaschistischen Treffens in Villingen-Schwenningen. Er sagte mir: „Die Aufmärsche von SBH-Gida entwickeln sich mittlerweile zu einem festen Event in der süddeutschen Naziszene. Das werden wir nicht zulassen und beim nächsten Mal unseren Widerstand intensivieren!“ Ich hoffe, dass er Recht behält.
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