Von Meide Wolt – Stuttgart. Vor dem Arbeitsgericht Stuttgart kam es am Donnerstag, 22. Oktober, in drei weiteren Fällen zu Abfindungsverpflichtungen für die Firma Roto Frank AG gegenüber drei entlassenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie hatten auf Wiedereinstellung geklagt.
Roto hatte im Sommer dieses Jahres 29 Angestellte aus den Abteilungen Montage und Stanzerei am Standort Leinfelden entlassen. Von den betriebsbedingten Kündigungen, denen der Betriebsrat widersprach, sind über zwei Drittel Frauen betroffen. Die jüngste von ihnen ist 44 Jahre. Alle haben mehr als 23 Jahre für Roto gearbeitet. Die Betroffen hatten die Kündigungen nicht stillschweigend hingenommen, sondern zogen vor das Arbeitsgericht Stuttgart.
Firma bot keinen Abteilungswechsel an
Der Vertreter der Firma erklärte vor Gericht, dass in den Abteilungen Versand und Transport noch Mitarbeiter benötigt würden. Er stellte den Klägern jedoch keinen Abteilungswechsel in Aussicht. Man habe die schwere Arbeit den Frauen nicht zumuten wollen. Also eine Entlassung aufgrund des Geschlechts? Der Roto-Vertreter kommentiert die Arbeit im Versand als „im Prinzip eine Arbeit, bei der ein Mann an seine Grenze kommt“. „Die Transporter sind körperlich fertig“ gab die Anwältin Roto der Firma zur Rechtfertigung der Entscheidung an.
Eine Frau, deren Kündigungsschutzprozess mit Roto bereits abgeschlossen ist, war zur Unterstützung ihrer Kolleginnen gekommen. Sie berichtete uns von den Einschnitten in die Lebensumstände einiger Betroffener. Finanzelle Verpflichtungen, Verantwortung für Angehörigen und Bekannte machen die Kündigungen für einige Betroffene und deren näheres Umfeld zur Existenzfrage.
KlägerInnen fühlten sich unter Druck gesetzt
Eine 50 Jahre alte Klägerin berichtete, bereits auf 40 Bewerbungen Absagen erhalten zu haben. Eine andere Klägerin, 49, drückte ihre Verbundenheit mit ihrem Beruf aus. Sie konnte die Kündigung ihres Arbeitgebers nicht nachvollziehen und äußerte Zukunftsängste. Schockiert beschrieb sie ihre Misere: „Ich muss bis zum 67. Lebensjahr von Firma zu Firma“ – für den Fall, dass sie die Abfindung annähme. Hätte sie die Abfindung nicht angenommen, hätte sie in nächster Instanz alles verlieren können.
Alle drei RichterInnen sahen in den Prognosen Rotos für das Geschäftsjahr 2015 keine erkennbar gerechtfertigte Grundlage für die Kündigung von genau 29 MitarbeiterInnen. Bei der Kündigung von 30 MitarbeiterInnen hätte es sich um eine Massenentlassung gehandelt, welche ein Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat nach sich gezogen hätte. „Es geht nur ums Geld, aber nicht um den Mensch“ sagte ein Betriebsratsmitglied, das gekommen war, um die KlägerInnen zu unterstützen.
Roto-Anwälte hatten Wissensvorsprung
Die Vertretung von Roto eilte am Donnerstag von einem Saal in den nächsten und begann jeden Prozess mit dem Vorwissen der letzten Verhandlungen, aber ohne die gerichtlichen Erkenntnisse und Entscheidungen. So konnte sie wiederholt darauf setzten, dass bereits bekannt gewordene Details im nächsten Verfahren nicht zur Sprache kommen. Die Kläger standen dem Betrieb somit – trotz ihres gemeinsamen Schritts vor das Arbeitsgericht – stets vereinzelt gegenüber.
Die Anerkennung der Lebenssituation der Kläger hing von der jeweiligen RichterIn ab. Dr. Elmar Giesing arbeitete die Beweislast Rotos heraus und äußerte Unverständnis darüber, dass die Firma keine Wechselangebote machte. Richterin Hübenthal bedauerte zwar ebenfalls, dass Roto seine Prognosen nicht ausreichend dargelegt habe. Sie äußerte jedoch Verständnis für die angebliche Höchstgrenze der Abfindung. Es wäre „dem Unternehmen nur zu wünschen, dass es ihm wieder besser gehen wird“, erklärte sie und forderte die Klägerin während der Abfindungsverhandlung auf, „sich einen Ruck zu geben“.
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