Von unseren ReporterInnen und der Redaktion – Uhingen. Die Antifa könne gern demonstrieren, aber viel Freude werde sie dabei nicht haben: So hatte eine NPD-Funktionärin via Facebook im Vorfeld getönt. Doch dann kam es am Freitagabend, 6. November, umgekehrt – und das verbuchte die Antifa als Riesenerfolg: Achtzig bis neunzig AntifaschistInnen hielten eine Kundgebung mit Reden, Musik und Flugblättern vor der Hieber-Schule in Uhingen ab. Derweil beschloss der Gemeinderat drinnen ungestört, in der Nassachmühle fünfzig Flüchtlinge unterzubringen. 10 bis 15 Neonazis, die in den Saal einmarschieren wollten, kamen nicht durch.
Unter den Rechten waren auch frühere Mitglieder der inzwischen verbotenen AN („Autonomen Nationalisten“) Göppingen. Wegen der angemeldeten antifaschistischen Kundgebung war die Polizei mit fünfzig BeamtInnen vor Ort. Sie hatte auch Hunde dabei. Die Polizisten, unter ihnen BFE-Einheiten, hielten die Neonazis zum eigenen Schutz mehrmals von dem Versuch ab, die antifaschistische Kundgebung aus verschiedenen Richtungen anzugreifen, um auf den Platz vor der Schule und in die Mensa zu gelangen.
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Merkwürdige Vorstellung von Pressefreiheit
Einer der Rechten – Manuel M., der erst vor kurzem vom Stuttgarter Landgericht als Rädelsführer der AN verurteilt worden war und Berufung eingelegt hat – versuchte, mit einer kleinen Gruppe auf einem Umweg von oben in die Halle zu gelangen. Er wurde ebenfalls gestoppt.
M. sprach einen Fotografen der Beobachter News mit Namen an und drohte ihm mit „wir kriegen dich“. Ein leitender Polizeibeamter forderte unseren Reporter mehrfach auf, nicht mehr zu fotografieren, da das die Rechten provoziere. Davon zeigten sich auch die Berichterstatter anderer Medien befremdet. Unser Fotograf sagte dem Beamten, er möge ihn einfach seine Arbeit machen lassen. Um das zu tun, sei er schließlich vor Ort.
Ratssitzung in ruhiger Atmosphäre
Schon mehrmals waren in Uhingen Neonazis bei Gemeinderatssitzungen aufgetreten. Das wollten die AntifaschistInnen mit ihrer Kundgebung verhindern, und das gelang ihnen auch. Er hoffe nur, dass alles friedlich verlaufe, sagte uns Bürgermeister Matthias Wittlinger vor der Sitzung. Dieses Mal blieben die Ratsmitglieder in dem mit etwa 75 ZuhörerInnen gut gefüllten Saal unbehelligt. Die Sitzung verlief sehr ruhig, es gab keine Kommentare aus dem Publikum.
Die Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Gasthof Nassachmühle war auch schon Gegenstand einer Bürgerversammlung mit 300 TeilnehmerInnen. Nun gaben die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen in der Ratssitzung noch einmal ihre Statements ab. Sie äußerten mehr Vorbehalte und Bedenken, als der spätere einstimmige Beschluss nahelegt. Immer wieder wurde auf diffuse Ängste und Sorgen der Bevölkerung verwiesen, ohne darauf einzugehen, worin sie konkret bestehen und ob sie eine Grundlage haben oder nur auf Vorurteilen beruhen.
SPD-Sprecherin thematisiert Sorgen der Flüchtlinge
Der Vorteil der neuen Unterkunft liege darin, dass sie sofort verfügbar sei und sich der große Gastraum als Aufenthaltsraum eigne, sagte Rainer Frey von der Freien Wählervereinigung FWV. Der Nachteil sei, dass sie unmittelbar neben der Schule liege. Man nehme die Sorgen der Eltern und Anwohner sehr ernst.
Susanne Widmaier, SPD, ging als einzige näher auf die Sorgen der Flüchtlinge ein. Auch ihre Fraktion hätte es begrüßt, die Menschen in kleineren Einheiten unterbringen zu können. Nach der Flucht und der Zeit in überfüllten Erstaufnahmestellen befänden sich die Ankommenden in keiner einfachen Situation. „Sie sollen zur Ruhe kommen und ein Gefühl der Sicherheit erleben können“, sagte sie. Das gelte für Männer und Frauen jeder Altersgruppe. Rechtsradikale dürften keine Oberhand gewinnen. Niemand nehme ohne Grund eine Flucht auf sich. An den Ursachen könne man von Uhingen aus nichts ändern, „aber eine Zuflucht bieten“.
Diffuse Ängste der Bevölkerung
Sabine Braun, CDU, forderte, dass der Landkreis seine Zusage halte, den Gasthof Nassachmühle, aber auch die anderen Unterkünfte „sozialverträglich zu belegen“. Überdies müsse immer ein Ansprechpartner vor Ort sein. Auch für die FDP-Fraktion sei „das Abwägen zwischen Ängsten und Sorgen und dem Ja zu Flüchtlingen“ nicht leicht, erklärte der Vorsitzende Ulrich Langer.
Der Ortsvorsteher von Nassachtal Eberhard Hottenroth forderte, den Gasthof mit Familien vorzugsweise aus nur einem Herkunftsland zu belegen – zunächst am besten mir weniger als fünfzig Personen. Es müsse einen Ordnungsdienst geben, besonders im Schulhof . „Es geht ein Riss durch die Bevölkerung in Nassachtal“, sagte Hottenroth. Er müsse wieder gekittet werden. Die Relation zwischen Einwohnerzahl und Flüchtlingen stimme nicht. „Wir wollen, dass dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung getragen wird.“ Man wolle die Neuankömmlinge „nicht mit Misstrauen empfangen, aber mit Vorsicht“. Bürgermeister Matthias Wittlinger betonte, die Unterkunft im Gasthof Nassachmühle solle nur eine vorübergehende Lösung sein.
Die Sitzung war schnell vorbei, die Neonazis zogen zunächst in Polizeibegleitung unverrichteter Dinge ab. Die AntifaschistInnen zogen nach ihrer Kundgebung in einer Spontandemonstration von der Schule über die Hauptstraße in Richtung Bahnhof. Auf der Stuttgarter Straße provozierten türkische Nationalisten die Nazi-GegnerInnen unter anderem mit dem Wolfszeichen. Die Polizei hatte mit diesem „Faschistengruß“ offensichtlich kein Problem. Am Rewe-Markt stieß die antifaschistische Demonstration auf Neonazis, die auf dem Parkplatz gerade dabei waren, sich wie schon zuvor beim vereitelten Sturm auf die Schule zu vermummen. Die mit BFE-Einheiten stark vertretene Polizei bildete eine Kette, um die AntifaschistInnen vom Parkplatz abzuschirmen. Die Neonazis flüchteten schließlich vermummt und unter Polizeischutz in den Supermarkt.
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Kommentar von Ferry Ungar:
Antifaschismus ist die Aufgabe von uns allen
Es war ein absolut erfolgreicher Abend für die antifaschistische Bewegung und für die Uhinger Bürgerinnen und Bürger. Eine Niederlage für die Neonazis um den Uhinger Faschistenschlumpf.
Der Nazischlumpf
Kaum war dieser als Rädelsführer der kriminellen Nazibande „Autonome Nationalisten Göppingen“ verurteilte in Berufung gegangen, zeigt er sofort wieder, was von ihm zu halten ist. Offensichtlich hat die bisherige U-Haft nichts bei diesem überzeugten Uhinger Neonazi bewirkt. Ob das dem Gericht und der Staatsanwaltschaft verborgen bleiben wird? Man darf gespannt sein.
Die Katze vor der Maus schützen?
Bei einigen Passantinnen und Passanten entstand wohl der Eindruck, dass die Polizei zum Schutz für die antifaschistische Kundgebung eingesetzt gewesen sei. Bei genauerem Hinsehen wurde jedoch schnell klar: Das Gegenteil war der Fall. Die Polizei schützte die Neonazis vor einer vernichtenden Niederlage. Denn über 80 entschlossene AntifaschistInnen müssen vor 10 bis 15 Neonazis nicht beschützt werden. Das wäre etwa so, als ob man die Katze vor einer Maus schützen müsste. Ohne die verbeamtete Neonazischutztruppe hätte sich die braune Brut gar nicht in die Nähe des Tagungsortes getraut.
Danke an die Antifa
Dem antifaschistischen Engagement dieser überwiegend jungen Frauen und Männer ist es zu verdanken, dass die Gemeinderatssitzung und die Abstimmung ungestört durchgeführt werden konnten. Hätte es die Kundgebung der NazigegnerInnen nicht gegeben, wäre dieser Rassistentruppe erneut ein Podium geboten worden.
Viele Fragen bleiben
Warum durften türkische Nationalisten unter dem Schutz der Polizei provozieren? Warum durften vermummte Neonazis sich folgenlos in den nächtlichen Straßen Uhingens herumtreiben? Wurden diese Rassisten nach Waffen durchsucht? Wurden Platzverweise erteilt? Wenn ja, warum wurden diese nicht durchgesetzt? Wenn nein, stellt sich die Frage, was diese faschistische Truppe eigentlich tun muss, damit man ihr ihre Grenzen aufzeigt.
Viele Fragen, auf deren Beantwortung nicht gewartet werden muss. Denn Antifaschismus muss von der Zivilbevölkerung ausgehen. Überall und immer. Nur dann wird diesem Faschistenhaufen die Lust an seinem Tun vergehen.
Fazit
Es gibt Tage da gewinnt man, und es gibt Tage, da verlieren die anderen.
In diesem Sinne:
Man sieht sich… auf der Straße! 😉
Euer
Ferry Ungar
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