Von Tape Lago – Karlsruhe. Die rassistische, fremden- und islamfeindliche Gruppierung „Widerstand Karlsruhe“ stieß am Dienstag, 3. November, auf breite Proteste in der Karlsruher Innenstadt. „WiKA“ feierte ein Jahr Pegida und Co. Mehr als 350 AntifaschistInnen und BürgerInnen stellten sich rund 60 Neonazis und anderen Rechten des Pegida-Ablegers entgegen. Die Polizei war mit einem großen Aufgebot vor Ort und ermöglichte den Rechten somit den kleinen Spaziergang durch leere Straßen. Wie es aussah, war „Widerstand Karlsruhe“ in der Stadt unerwünscht.
Die Gegenveranstaltung des Bündnisses „Karlsruhe gegen Kargida“ startete pünktlich um 17 Uhr auf dem Stephansplatz. Davor riegelte die Polizei die Innenstadt ab. Auf dem Stephanplatz befanden sich bereits mehrere PolizistInnen. Die AntifaschistInnen und BürgerInnen waren ebenfalls um diese Zeit schon vor Ort, um ein Zeichen gegen Rassismus, Islamfeindlichkeit und Hetze gegen Geflüchtete zu setzen.
In Karlsruhe kein Platz für Rassismus
Die TeilnehmerInnen trugen Fahnen und Transparente, die das Ziel der Versammlung deutlich erkennbar machten. „Wir sind eine weltoffene Stadt und wollen hier keinen Rassismus und Fremdenhass“, sagte eine Teilnehmerin, die sich in Karlsruhe für die Belange der Flüchtlinge einsetzt. Als Sprecherin der Initiative Norbert Vöhringer berichtete Gisela Konrad-Vöhringer als erste Rednerin bei der Gegenkundgebung über eigene Vertreibung und Flucht. Sie rief zu mehr Engagement und Geschlossenheit in der Gesellschaft gegen Rassismus und Rechts.
Konrad-Vöhringer ist auch 1. Vorsitzende der Bürgerinitiative Zivilcourage. Als Kind war sie 1945 selbst auf der Flucht. Sie sah damals unter anderem, wie Nazis Häftlinge erschossen. Diese schrecklichen Erfahrungen prägten sie und brachten sie dazu, sich für Politik und Menschenrechte zu interessieren. Das erklärt heute ihr Engagement für Menschen, gegen Rassismus, Neonazis und Rechte. Parsa Marvi (Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion) plädierte in seiner Rede für eine humane Gesellschaft.
Hetze gegen Islam und Flüchtlinge
Die Veranstaltung von „Widerstand Karlsruhe“, die um 19 Uhr hätte anfangen sollen, begann wegen technischer Probleme mit Verspätung. Ester Seitz, Initiatorin von WOW (Widerstand Ost/West), war Moderatorin der Kundgebung. Die Gruppierung aus Rechten, Neonazis und Hooligans konnte bislang nirgendwo Fuß fassen. Als erster Redner bestätigte Thomas Rettig, dass „WiKa“ zu Pegida gehöre und deshalb auch ein Jahr Pegida feierte.
„Wir sind das Pack, wir sind das Volk“, rief er und wünschte sich auch in Karlsruhe die gleiche Mobilisierung wie bei den Pegida-Demonstrationen in Dresden oder der AfD-Hetze gegen Flüchtlinge in Thüringen. Er rief zum „Widerstand gegen den Islam und Flüchtlinge“ auf. Die GegendemonstrantInnen, die in unmittelbarer Nähe waren, übertönten seine Rede mit Buhrufen, Trillerpfeifen und Vuvuzelas.
Angela Merkel mit Adolf Hitler verglichen
Der Hass-Blogger Michael Mannheimer, beliebt und bekannt in der rechten Szene, trat nach Rettig auf und wurde von Ester Seitz als „Stargast“ vorgestellt. Der Islamhasser stellte sich am Anfang seiner Rede die Frage, ob es Deutschland, das es seit 2000 Jahren gebe, in 20 Jahren noch geben wird. Er bezeichnete die GegendemonstrantInnen als FaschistInnen, die Teil des Angriffs der Politik und des Systems gegen das deutsche Volk seien. Er kennzeichnete die Antifa als verlängerten Arm der Gewerkschaften und Politik, die gegen die Meinungsfreiheit antrete.
Wörtlich verglich Mannheimer Angela Merkel mit Hitler: „Angela Merkel ist der schlimmste Kanzler, den Deutschland seit Adolf Hitler hatte.“ Er warf der Bundesregierung wegen ihrer Flüchtlingspolitik Hochverrat vor und forderte außerdem die Absetzung des Bundespräsidenten. Während Mannheimer gegen Islam, PolitikerInnen und Flüchtlinge hetzte, zeigte ein Anhänger von „Widerstand Karlsruhe“, der womöglich von dieser Hassrede begeistert war, zweimal den Hitlergruß unter den Augen der Polizei. Laut Mannheimer, würde sich Merkel nicht wie die Kanzlerin der Deutschen verhalten, sondern wie die Kanzlerin der MigrantInnen und Flüchtlinge. Deshalb forderte er: „Merkel muss weg!“
Spaziergang in leeren Straßen stieß auf Protest
Um den Spaziergang von „Widerstand Karlsruhe“ zu ermöglichen, sperrte die Polizei alle Straßen entlang der Demo-Route mit Gittern ab und postierte davor PolizistInnen. Nach der Hassrede von Michael Mannheimer zog die rassistische und islamfeindliche Gruppierung unter großer Polizeibegleitung durch leere Straßen. In der Hirschstraße, der Amalienstraße sowie der Sophienstraße und Waldstraße stieß der Spaziergang der IslamhasserInnen und RassistInnen auf Protest.
AntifaschistInnen und EinwohnerInnen warfen Papierflieger auf „Widerstand Karlsruhe“ und zeigten Flagge gegen Rechts. EinwohnerInnen zeigten ebenfalls aus ihren Fenstern Transparente mit klaren Botschaften. Vor den Absperrungen befanden sich GegendemonstrantInnen, die stets „Nazis raus“ riefen. EinwohnerInnen wollten die rassistische Hetze von WiKA gegen Flüchtlinge und Islam nicht hören und zogen ihre Rollläden runter. „Widerstand Karlsruhe“ war offenbar unerwünscht.
Stürzenberger nennt die Kanzlerin „Volksverräterin“
Nach dem kleinen Spaziergang kehrte WiKA auf den Stephanplatz zurück. Somit ging die Hetze gegen Flüchtlinge, Politik und Islam weiter. Michael Stürzenberger, Mitbegründer von WOW (Widerstand Ost/West) und Bundesvorsitzender der rechtspopulistischen Kleinpartei „Die Freiheit“ trat ebenfalls als Gastredner auf und bezeichnete die Anhänger von WiKA als KämpferInnen gegen die „Invasion Deutschlands“.
Stürzenberger unterstellte Merkel, die Islamisierung Deutschlands voranzutreiben, und nannte sie „Volksverräterin“. Er rief zu Widerstand gegen den Islam, die „Flüchtlingsinvasion“ sowie gegen Merkel und die Große Koalition auf. Ebenfalls bezeichnete er die GegendemonstrantInnen und AntifaschistInnen als „LinksfaschistInnen“.
Islam als verfassungswidrig bezeichnet
Die dritte Gastrednerin Hertha Jene, frühere Studienrätin, ignorierte in ihrer Rede die Verfassung und Religionsfreiheit. Für sie sei der Islam verfassungswidrig. Die Deutschen lebten ihrer Meinung nach in einer gesetzlosen Demokratie. Sie rief die TeilnehmerInnen der zweiten Kundgebung dazu auf, die Islamisierung Deutschlands und die Migration hierzulande zu stoppen.
Die Moderatorin der rassistischen Kundgebung Ester Seitz trat als letzte Gastrednerin auf. Sie rief zu deutschem Widerstand auf und bezeichnete Deutschland als „Unrechtsstaat“. „Merkel muss weg!“, forderte sie ebenfalls.
Erfolgreicher Gegenprotest
Während der gesamten Veranstaltung von WiKA sorgten die GegendemonstrantInnen für großen Lärm durch Vuvuzelas, Trillerpfeifen und Megaphone, so dass Ester Seitz und Co. kaum zu hören waren. Der Protest gegen WiKA war erfolgreich und zeigte, dass diese rassistische und islamfeindliche Gruppierung in Karlsruhe unerwünscht ist. Die nächste Veranstaltung von Widerstand Karlsruhe ist für den 17. November geplant und wird wieder von Protesten begleitet. Die Staatsanwaltschaft und Polizei prüfen zurzeit die strafrechtliche Relevanz der Äußerungen Mannheimers. Ob es danach ein Demoverbot für WiKA geben wird, wird sich zeigen.
Kommentar: Polizei muss Pressefreiheit endlich respektieren
Polizeiliche Überwachung von Pressearbeit ist nicht zulässig. Bei der Veranstaltung und Gegenveranstaltung zu „Widerstand Karlsruhe“ forderte die Polizei unseren Reporter auf, mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie ignorierte dabei die Bewegungs- und Pressefreiheit. Es ist nicht zulässig, dass JournalistInnen und PressefotografInnen in enger Begleitung von PolizeisprecherInnen ihre Arbeit durchführen müssen. Unser Vertreter durfte sich zwar im Absperrungsbereich der Polizei bewegen, jedoch musste er in Begleitung des Pressesprechers der Polizei arbeiten, der ihm auf Schritt und Tritt folgte.
Er fühlte sich als Journalist und Pressefotograf überwacht und ausgegrenzt. Gegen Ende der Veranstaltung und Gegenveranstaltung, wurde er von einem Polizisten auch noch aufgefordert, seine Personalien preiszugeben, weil er einen Polizisten, der friedliche DemonstrantInnen filmte, fotografiert hatte. Der Polizist wollte wissen, wer er sei und warf ihm vor, gegen das Kunsturheberrechtsgesetz verstoßen zu haben. Das Bild des Polizisten, das wir hier veröffentlichen, spricht aber eine andere Sprache. Von daher wäre es wünschenswert, wenn die Polizei unsere VertreterInnen frei arbeiten lässt.
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