Von unseren ReporterInnen – Weinheim. Den stärkeren Protest gab es am Vortag. Da demonstrierten tausende NazigegnerInnen in Weinheim gegen den NPD-Bundesparteitag (siehe Massiv und bunt: Protest gegen die NPD), die Stadt war voller Polizei. Doch auch am Sonntag, 22. November, blieben die etwa 150 Delegierten der rechtsradikalen Partei nicht unter sich. Vor der Polizeiabsperrung an der Weschnitz gab es in Sichtweite zum Stadthallen-Eingang eine Mahnwache, außerdem einige Meter weiter auf Höhe Werderstraße eine Kundgebung des Bündnisses Weinheim bleibt bunt.
Zum Protest gehörten erneut ein Aktionscamp und die Fortsetzung des am Vortag begonnenen Kulturfestivals. Die Botschaft war eindeutig: Die NPD und ihre menschenverachtenden Parolen sind in der Stadt nicht willkommen. Viele sehen einen direkten Zusammenhang der rechten Hetze von Ewiggestrigen und Neonazis mit brennenden Flüchtlingsunterkünften und Angriffen auf Asylsuchende. Die meisten der Protestierenden wünschen sich ein NPD-Verbot.
Die Polizei war am Sonntag erneut mit einem großen Aufgebot vor Ort. Auch ihr Wasserwerfer stand noch da. Insgesamt seien am Wochenende 1700 BeamtInnen im Einsatz gewesen, erklärte die Pressestelle, als der NPD-Parteitag am Nachmittag geendet hatte. Die Atmosphäre war am Sonntag aber deutlich entspannter als am Vortag. Da hatte die Polizei mit Schlagstock, Pfefferspray und massivem Körpereinsatz – auch starken Tritten – Versuche von AntifaschistInnen vereitelt, Zufahrtsstraßen zur Stadthalle zu blockieren.
Beobachter kritisieren überzogenen Polizeieinsatz
Es gab 201 vorläufige Festnahmen. 16 Beamte und weit über hundert DemonstrantInnen wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Vielen Beobachtern erschien der Polizeieinsatz, der mit Übergriffen auf Beamte begründet wurde, weit überzogen – so etwa der Frankfurter Aktivistin Annette Ludwig von der Linken, die wir als Vertreterin von No Fragida und der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt interviewten.
Allerdings wurde uns auch am Sonntag von einem Vorfall an der Polizeiabsperrung berichtet. Junge DemonstrantInnen hatten am Morgen Konfetti geworfen. Weil sie Beamte beleidigt haben sollen, seien zwei Jugendliche von 14 und 16 Jahren abgeführt worden. Auch behinderten Beamte Medienvertreter, indem sie von ihnen verlangten, ihren Presseausweis zu zeigen, obwohl sie von der Polizei ausgegebene grüne Pressewesten trugen. Am Samstag war es umgekehrt: Da kamen Journalisten nur mit Presseweste durch die Polizeisperren, ihr Presseausweis nutzte ihnen nicht viel.
Kreativer Protest auch am Sonntag
Im Lauf des Vormittags gab es an der Mahnwache auch eine kreative Aktion mit einem verkleideten Emir auf einem fliegenden Teppich. Sie wurde teils beklatscht, traf aber nicht den Geschmack aller Umstehenden. Des weiteren prägten spielende Kinder mit Luftballons das Bild. Es wurden mit Rauch gefüllte Seifenblasen gemacht, die qualmten, wenn sie auf dem Boden zerplatzten.
Unterschiedlich waren auch die Reaktionen auf die Redebeiträge bei der Kundgebung des Bündnisses Weinheim bleibt bunt mit rund 150 TeilnehmerInnen. Erneut wurde der Zwiespalt deutlich, der schon am Vortag bemerkbar war: Weite Teile des bürgerlichen Bündnisses wenden sich gegen Protestformen wie Blockaden, einige überhaupt gegen Einmischung von außerhalb. In diesem Sinn äußerte sich uns gegenüber etwa der Weinheimer Oberbürgermeister Heiner Bernhard.
Kundgebung zeigt Bandbreite der Einschätzungen
Bei der Kundgebung erklärte Matthias Hördt vom Weinheimer Ortsverband der Linken, er begrüße zwar neben den Initiativen Weinheim bleibt bunt, Weinheim gegen rechts und Nazifreies Weinheim auch die Autonome Antifa. Doch habe sich seine Partei „von vornherein gegen gewaltsame Formen“ des Protests ausgesprochen. Die Polizei schlage zurück, wenn sie als Staatsmacht angegriffen werde. Das führe nur zu Kriminalisierung. Der Bundesvorsitzende der Linken Bernd Riexinger hatte das Verhalten der Polizei am Vortag per Twitter weit kritischer kommentiert: „Gegen Nazis demonstrieren: 150 Festnahmen. Rechtsextreme Krawalle gegen Flüchtlinge in Heidenau: 1 Festnahme.“
Frieda Fiedler, die für den Jugendgemeinderat sprach, dankte allen, die am Vortag Wind und Wetter getrotzt hatten, um sich der NPD entgegenzustellen. „Wer nicht hingegangen ist, ist mitverantwortlich für die gestrige Eskalation“, betonte Claudia Funke von Weilheim gegen rechts. Auch wenn die NPD legal sei, müsse man sie nicht tolerieren. Sie erinnerte daran, dass in Gewahrsam genommene junge Demonstrierende am Vortag stundenlang bei strömendem Regen und Temperaturen wenig über dem Gefrierpunkt im Polizeikessel an der Peterskirche ausharren mussten. „Wenn 44 000 da gewesen wären, wäre das nicht passiert“, spielte Funke auf die Einwohnerzahl Weinheims an.
Bündnis Weinheim bleibt bunt will diskutieren
Versöhnliche Worte fand Stella Kirgiane-Efremidis (SPD), die Kundgebungsleiterin von Weinheim bleibt bunt. Die Kundgebung habe erneut die ganze Bandbreite der Einschätzungen verdeutlicht. Wichtig sei, noch einmal darüber zu reden und die Argumente auszutauschen. Dabei stehe der Protest gegen die NPD als gemeinsames Ziel im Vordergrund, nicht das Trennende.
Bei der Kundgebung sprachen auch Uli Sckerl von den Grünen, der Landtagsabgeordnete der SPD Gerhard Kleinböck, ein Vertreter seines Abgeordnetenkollegen Georg Wacker (CDU), außerdem Monika Springer für die Freie Wählervereinigung, Vertreter des Moscheevereins Weinheim, der Jusos und der Initiative Nazifreies Weinheim. Die AfA (Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen) der SPD schickte ein Grußwort.
Siehe auch unseren Bericht Massiv und bunt: Protest gegen die NPD
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