Von Chris Meyer – Stuttgart. Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte am Freitag, 4. Dezember, einen Mann, der bei Protesten gegen die „Demo für Alle“ so genannter Bildungsplangegner im Juni 2015 (wir berichteten) ein Kennzeichen überklebt haben soll. Etwa vierzig UnterstützerInnen des Angeklagten beobachteten das Verfahren.
Eigentlich hätte der Prozess um 8.30 Uhr beginnen sollen. Aber die Staatsanwaltschaft ließ über eine halbe Stunde auf sich warten. Angeblich hatte der Staatsanwalt eine andere Uhrzeit in seinem Terminkalender. Während Angeklagte in solchen Fällen meist mit Ordnungsgeld belegt werden, hatte das Versäumnis der Staatsanwaltschaft hier keine Folgen.
Zeuge nahm „unkooperatives“ Verhalten persönlich
Als gegen 9.15 Uhr der Prozess begann, wurde auch gleich der einzige Zeuge geladen. Er war am 21. Juni 2015 als Zugführer der Polizei für den Bereich der Kundgebung am Schlossplatz eingesetzt. Der Angeklagte, hatte die Kundgebung angemeldet. Er soll dort gegen 13 Uhr das Kennzeichen überklebt haben. Er habe sich schon im Vorfeld unkooperativ verhalten, erklärte der Zeuge. Eine Kontaktaufnahme mit dem Zugführer habe er mit den Worten verneint „Mit Ihnen rede ich nicht, sondern nur mit dem Polizeiführer“.
Was daran unkooperativ sein soll, konnte der Zeuge nicht erklären. Aber eine persönliche Betroffenheit war ihm deutlich anzumerken. Im weiteren Verlauf der Befragung betonte er schon fast reflexartig, dass er als Polizist Straftaten zu ahnden hab und das Überkleben von Kennzeichen schließlich eine solche sei. Die Verteidigung fragte, ob sich der Zeuge auch ein anderes Motiv vorstellen könnte, ein Nummernschild zu überkleben, als die Absicht, die Polizei zu täuschen. Darauf erklärte der Zugführer der Polizei, dass er sich das vorstellen könne – beispielsweise aus Datenschutzgründen, um sich vor Gegnern der Kundgebung zu schützen. Aber eine Straftat bleibe eine Straftat, so der Zeuge.
Verteidiger plädiert für Freispruch
Während der Staatsanwalt eine Strafe in Höhe von 60 Tagessätzen forderte, plädierte Rechtsanwalt Christos Psaltiras auf Freispruch. Er führte aus, dass an diesem Tag sowohl der Angeklagte als auch das Fahrzeug den Behörden bekannt war. Somit könne gar keine rechtswidrige Absicht vorliegen. Es sei vielmehr hervorzuheben, dass bei solchen Veranstaltungen immer wieder Foto- und Videoaufnahmen genutzt werden, um sie rechtswidrig zu veröffentlichen. Ein Überkleben des Nummernschildes könne hier aus Gründen des Daten- und Eigenschutzes durchaus eine besondere Rolle spielen.
Richter verurteilt zu 20 Tagessätzen à 20 Euro
Im Ergebnis folgte Richter Umler den Ausführungen des Zeugen und dem Antrag der Staatsanwaltschaft bis auf die Forderung. Er verurteilte den Angeklagten zu 20 Tagessätzen à 20 Euro. In seiner Begründung würdigte er zwar die Ausführungen des Verteidigers, blieb aber dabei dass eine Straftat eben eine Straftat sei, auch wenn sie aus Gründen des Datenschutzes geschieht. Aus diesem Grunde habe er auch die Anzahl der Tagessätze von 60 auf 20 reduziert. Ob die Verteidigung in Berufung geht, ist momentan noch nicht bekannt.
Anmerkung der BN-Redaktion:
Wenn eine Straftat eine Straftat bleibt, dann sind wir mal gespannt, was mit dem mutmaßlichen Straftäter aus Sinsheim geschehen wird. Dort fuhr am 14. November 2015 ein Neonazi vor den Augen vieler Polizisten auf öffentlichen Straßen zu einem Kundgebungsort (wir berichteten). Ermittlungsverfahren? Strafbefehl? Anklage? Wann und wo findet der Prozess statt? Da die Herrschaften von gewissen staatlichen Stellen unsere Beiträge eifrig mitlesen, bitten wir auf diesem Weg um ihre Stellungnahme.
Folge uns!