Gastkommentar von Carla Schmidt – Weinheim. Nach dem Protest gegen den NPD-Parteitag in Weinheim am 21. und 22. November ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt auch gegen „noch unbekannte“Polizisten. Das sagte die Sprecherin der Mannheimer Staatsanwaltschaft Sandra Utt der „Frankfurter Rundschau“. Aus Videomaterial ergebe sich ein „Anfangsverdacht auf Straftaten von Demonstranten wie auch von Polizeibeamten“.
Auch unsere FotografInnen dokumentierten ein zum Teil sehr rabiates Vorgehen der Polizei. Der Weinheimer Gemeinderat hat inzwischen parteipolitische Veranstaltungen in der örtlichen Stadthalle generell verboten (wir berichteten). Dabei scheine es der Stadt im baden-württembergischen Rhein-Neckar-Kreis jedoch weniger darum zugehen, Gastspiele der NPD und überzogene Polizeieinsätze zu verhindern, sondern eher einen „Ausnahmezustand“, für den sie Nazi-GegnerInnen verantwortlich macht, kritisiert das Forum Weinheim.
Gastkommentar von Carla Schmidt, Forum Weinheim:
„Schwarzer Samstag“ in Weinheim – Neuigkeiten!
Nachdem sich Tausende Menschen am 21./22. November 2015 in Weinheim an Blockaden, Kundgebungen und einer Demonstration gegen die NPD beteiligt haben, schweben offenbar manche der Notablen der Stadtgesellschaft, allen voran weite Teile des Weinheimer Gemeinderats, im Schockzustand, der aber eher nicht durch die NPD und auch nicht durch den brutalen Polizeieinsatz ausgelöst wurde, der den Bundesparteitag mit Schlagstöcken und Pfefferspray durchsetzte. Vielmehr ist von „schweren Ausschreitungen“ seitens der DemonstrantIinnen die Rede und von dem „Ausnahmezustand“, den OB Heiner Bernhard seinen BürgerIinnen nicht noch einmal zumuten kann.
Hätte man nur ein „buntes Festival“ veranstaltet, die NPD einfach machen lassen und die DemonstrantIinnen wären zu Hause geblieben, dann wäre die Änderung der Nutzungsordnung für die Stadthallen jetzt gar nicht nötig gewesen, so der Tenor der Argumentation. Allerdings hätte dann die NPD ihren nächsten Parteitag wieder in Weinheim veranstaltet, begleitet von einem „bunten Festival“, das sich voraussichtlich erneut von allen anderen Protestierenden distanziert hätte.
„Wir wollen in Weinheim nicht jedes Jahr zwei Tage Ausnahmezustand haben“, sagte Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) bereits am Abend des 21. November. Die jetzige Regelung, der der Gemeinderat inzwischen zugestimmt hat und derzufolge „eine Überlassung der Räumlichkeiten für Veranstaltungen von politischen Parteien, Wählergemeinschaften und ihnen nahestehende Organisationen ausgeschlossen wird“, hört sich vielleicht auf den allerersten Blick beruhigend an, da die NPD (die aber sicher gegen den Beschluss klagen wird) vielleicht nicht mehr in Weinheim tagen kann. Bei genauem Hinsehen wird jedoch schnell klar, dass es sich hier nicht um eine klare Stellungnahme gegen den Faschismus handelt, sondern um einen rein pragmatischen Verwaltungsakt, der alle anderen parteipolitischen oder parteinahen Veranstaltungen in den großen Hallen unmöglich macht.
Es könnte nur eine Frage der Zeit sein, wann sich diese Regelung auf andere politische Aktivitäten auswirkt und zum Beispiel linke Veranstaltungen unterbunden werden. Interessant ist auch, dass ein Antrag der Linken bei der Tagesordnung ganz zufällig „vergessen“ wurde. Nach diesem Antrag sollten sich in einer neuen Benutzungsordnung alle Mieter vertraglich dazu verpflichten, dass bei ihren Veranstaltungen keine rassistischen Äußerungen stattfinden, und dass Personen, die bereits durch solche Äußerungen in Erscheinung getreten sind, von Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Außerdem sollte die Stadthalle nur dann an Parteien vermietet werden, wenn die Veranstaltungen öffentlich sind.
Weinheim hat nun wieder seine Ruhe, die Sicherheit ist wieder hergestellt, ein neuer „Ausnahmezustand“ durch GegendemonstrantIinnen in Weinheim ist verhindert worden, und Weinheim bleibt eine „Stadt, die keinen Platz für Rechtsextremisten, Linksextremisten und Demagogen, für Hetze und Stimmungsmache bietet“ (aus der Erklärung des Gemeinderats im Vorfeld des NPD-Parteitags). Die entschlossenen GegendemonstrantInnen waren für manche also genauso schlimm wie die NPD. Links ist gleich rechts, und überhaupt sollen sich Auswärtige doch gar nicht einmischen …
Dabei wäre der Parteitag in diesem Jahr sicher verhindert worden, wenn sich die Stadt und das von ihr mitgetragene Bündnis „Weinheim bleibt bunt“ zusammen mit den anderen Protestierenden klar und entschlossen gegen die Nazis gestellt hätte, statt ständig zu versuchen, die Nazi-GegnerIinnen zu diskreditieren und sich von diesen vor, während und nach dem Parteitag zu distanzieren. Nun mussten die städtischen Hallen dran glauben, und damit wird auch die Entpolitisierung Weinheims vorangetrieben.
Andere, die nicht für den Beschluss gestimmt haben, verweisen auf das laufende Verbotsverfahren gegen die NPD. Wir sollten uns auf kein Verbot verlassen, sondern im Auge behalten, wann und wo der nächste Parteitag stattfindet und immer wieder entschlossen und mit noch mehr Menschen unseren Widerstand auf die Straße bringen – gegen die NPD und alle anderen Naziaktivitäten! Keinen Fußbreit dem Faschismus – weder in Weinheim noch anderswo!
Siehe auch unsere früheren Berichte:
Weinheim stoppt NPD-Parteitage
Massiv und bunt: Protest gegen die NPD
NPD bleibt in Weinheim unerwünscht
Polizei steht weiter in der Kritik
Protest gegen rabiate Beamte
Protest gegen NPD-Parteitag
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