Von Meide Wolt – Stuttgart. Unter dem Motto „Für das Menschenrecht auf Leben und Frieden“ hat die Gesellschaft Kultur des Friedens für Donnerstag, 10. Dezember, zur Kundgebung und Demonstration in Stuttgart aufgerufen. Der Protest gegen den Krieg der Bundeswehr in Syrien und der Appell zur Bekämpfung von Fluchtursachen waren eingebettet in den Internationalen Tag der Menschenrechte. Allein auf dem Stauffenbergplatz in Stuttgart gab es drei Mahnwachen zum Thema.
120 Menschen kamen zur Kundgebung der Gesellschaft Kultur des Friedens (GKF). Deren Sprecher Henning Zierock sieht einen direkten Zusammenhang zwischen den Waffenlieferungen aus Baden-Wüttemberg, etwa durch Heckler und Koch nach Saudi Arabien und Geflüchteten etwa aus Syrien. Mit Blick auf die Abkommen zwischen der EU und der türkischen AKP-Regierung machte Zierock deutlich, dass lediglich die Fluchtwege strapaziöser geworden seien, die Menschen aber trotzdem fliehen werden. Die EU habe „nur das Risiko der Menschen erhöht, ihr Leben zu verlieren“.
Der Irakkrieg habe zu mehr Terror und mehr Flüchtlingen geführt, sagte Zierock mit Hinweis auf die Entschuldigung des ehemaligen britischen Premiers Tony Blairs. Er hatte eingeräumt, durch den Irakkrieg mit für den Aufstieg des Islamic State of Irak and Levant (ISIL) verantwortlich zu sein.
Regionale Autonomie statt Krieg von außen
Statt die Waffen- und Geldlieferungen an den IS auszutrocknen und zivile Kräfte zu unterstützen, soll der IS bombardiert werden, gab Heike Hänsel, Bundestagsabgeordnete der Linken, zu bedenken. „Warum unterstützen wir nicht mit allen Mitteln die Syrienkonferenz in Wien?“, fragte sie. Hänsel wies auf das Ergebnis einer irakischen Finanzuntersuchungskommission hin. Sie habe festgestellt, dass 7 Milliarden US-Dollar aus dem Ausland an die Jordan’s Capital Bank im von ISIS besetzten Mosul geflossen seien. Als zynisch wertete Hänsel, dass die Bundesregierung die Gräueltaten des ISIS verurteile und selbst syrische Flüchtlinge abhalte, nach Europa zu kommen: „Ich bin entsetzt, wie willfährig und ignorant die Mehrheit der Abgeordneten diesen völkerrechtswidrigen Einsatz abgenickt hat.“ Eine Erklärung von Heike Hänsel findet sich unten im Wortlaut.
Elmar Altvater von der FU Berlin strich die Selbstbestimmung der Menschen in Syrien heraus und sprach von einer „Abstimmung mit den Füßen“. Sie werde durch die Abschottung der EU und durch Frontex missachtet. Die regionalen Akteure müssten über ihre Situation entscheiden und nicht Mächte von außen. Dazu benötigten sie mehr Autonomie.
Nein zum Krieg – Ja zum Widerstand
„Ich will mich nicht daran gewöhnen, dass das alles normal ist, dass es normal ist, in den Krieg zu ziehen, dass es normal ist, mit Waffen zu handeln, dass es normal ist, ohne langes Gerede Ja zum Krieg zu sagen“ machte Peter Grohmann von den Anstiftern deutlich und setzte dagegen: „Aber ich will mich daran gewöhnen, mit Menschen gelebt und gekämpft zu haben, die aufstehen, wenn es notwendig ist! Heute, jetzt!“.
Im Anschluss an die Reden zog die Kundgebung vom Stauffenbergplatz vor das Gebäude des Landtags, um dort die Verantwortlichkeit der politischen Gremien für die zahlreichen Rüstungsunternehmen in Baden-Württemberg deutlich zu machen. Zierock machte darauf aufmerksam, dass etwa am Bodensee in nahezu jeder Stadt Waffen produziert werden. In Konstanz hatte daher Refugees 4 Refugees im August Aktionstage unter dem Motto „Fluchtursachen bekämpfen, Waffenexporte stoppen!“ ausgerichtet (siehe „Refugee-Protest gegen Rüstungsexport“ und „Geflüchtete gegen Waffenexport„).
Tag der Menschenrechte – Tag der vereinzelten Kämpfe
Während sich die Demonstration vor dem Landtag auflöste, begannen auf dem Stauffenbergplatz Mahnwachen der Tibet Initiative Deutschland (TID) und des Falun Dafa Informationszentrums. Alle drei Veranstaltungen waren unabhängig voneinander, obwohl es Schnittpunkte gab.
Die Tibet Initiative erinnert an den Einmarsch des chinesischen Militärs in Tibet vor über 50 Jahren. Sie setzt sich im Rahmen der FREE ME!-Kampagne für die Befreiung politischer Gefangener wie etwa Lhamo Kyab ein, die von der chinesischen Regierung 2008 wegen Beteiligung an politischen Aktivitäten festgenommen und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die TID veranstaltet in der Regel jeden Samstags von 13 bis 15 Uhr eine Mahnwache auf dem Stauffenbergplatz. „Die Menschenrechte in meinem Heimatland Tibet werden von der chinesischen Regierung mit Füßen getreten. Sogar grundlegende Menschenrechte wie die Meinungs-, Religions- oder Versammlungsfreiheit der Tibeter werden aufs Gröbste missachtet“, steht auf dem Flyer des Vereins der Tibeter Jugend in Europa, der bei der Mahnwache verteilt wurde.
Ebenfalls mit der Unterdrückung durch die kommunistische Partei Chinas hat die Glaubensrichtung oder der Kult „Falun Dafa“ zu kämpfen. Er fordert die Verurteilung des ehemaligen Präsidenten Jiang Zemin, den sie für die Verfolgung von „Falun Dafa“ durch die kommunistische Partei verantwortlich macht. In ihrem Aufruf zum Tag der Menschenrechte sprachen sie von „3906 dokumentierten Foltertoten durch Polizei-, Gefängnis- und Arbeitslageraufseher sowie Sicherheitsbeamte“ und klagten über das Verschwinden Gaos, der sich für die Freilassung des „inhaftierten Menschenrechtsverteidigers Guo Feixiong“ eingesetzt habe.
Die Erklärung von Heike Hänsel, der Vize-Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, im Wortlaut:
„Bundeswehreinsatz in Syrien abbrechen, noch bevor er richtig beginnt!
Durch den deutschen Tornadoeinsatz in Syrien wird es noch mehr zivile Todesopfer und noch mehr Flüchtlinge geben. Es ist zudem völlig unglaubwürdig, wenn die Bundesregierung vorgibt, an der Seite der Türkei und Saudi-Arabiens, die beide islamistische Terrormilizen in Syrien unterstützen, den IS bekämpfen zu wollen. Der Bundeswehreinsatz muss sofort abgebrochen werden, noch bevor er richtig beginnt.
Die Angabe der Bundesregierung, keine Daten über Stellungen der kurdischen Selbstverteidigungsstreitkräfte im Norden Syriens an die Türkei weiterzugeben, klingt wenig glaubwürdig, denn natürlich werden diese Daten innerhalb des NATO-Verbundes weitergeleitet. Die Bundesregierung kann letztlich nicht ausschließen, dass diese Daten dann auch vom NATO-Mitglied Türkei oder von mit Saudi Arabien verbündeten islamistischen Milizen genutzt werden, um mit den Kurden in Syrien ausgerechnet diejenigen anzugreifen, die sich dem IS am entschiedensten entgegenstellen.
Wer sich in diesen Krieg mit den vielen Beteiligten und ihren widerstreitenden Interessen begibt, läuft Gefahr, Interessen zu dienen, die nicht einmal von dem von der Bundestagsmehrheit beschlossenen Mandat geschweige denn vom Grundgesetz gedeckt sind.
Das von Vizekanzler Sigmar Gabriel ausgegebene deutsche Kriegsziel ,den IS zu stoppen‘, ist vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung sich weder mit den syrischen Regierungstruppen noch der russischen Luftwaffe koordinieren möchte, geradezu abstrus. Denn überall dort, wo der IS vor syrischen Großstädten wie Damaskus, Homs und Hama steht, erklärt man nicht eingreifen zu wollen. Dazu passen Berichte über Luftangriffe der Kriegskoalition auf Stellungen syrischer Truppen in Deir-ez-Zor im syrischen Euphrattal. Bomben schaffen keinen Frieden.“
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