Von Sandy Uhl – Stuttgart. Der Genderkongress der so genannten „Demo für Alle“ am Samstag, 23. Januar, in der Stuttgarter Liederhalle präsentierte unter wissenschaftlichem Deckmantel christlich-fundamentalistisches und rechtsorientiertes Gedankengut. Aus dem entsprechenden Spektrum kamen auch die etwa 450 TeilnehmerInnen. Bereits im Vorfeld hatten verschiedene Organisationen des Bündnisses „Vielfalt für Alle“ mobilisiert, so auch das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region AABS. Es kamen etwa 300 Protestierende. Die Polizei bot starke Einsatzkräfte auf.
Zu dem Kongress hatte Hedwig von Beverfoerde eingeladen, die Frontfrau der rückwärtsgewandten, gegen die Akzeptanz sexueller Vielfalt gerichteten Bewegung aus angeblich „besorgten Eltern“, AfD und Organisationen, die den „Familienschutz “ auf ihren Fahnen tragen und offenbar ebenfalls kein Problem damit haben, sich mit noch weiter rechts stehenden Gruppierungen zu verbünden.
Polizei mit bis zu 400 Beamten vor Ort
Die ersten GegendemonstrantInnen fanden sich um kurz vor 9 Uhr auf dem Vorplatz der Liederhalle ein. Die Menge wuchs im Laufe des Vormittags an. Sie empfing die TeilnehmerInnen des Kongresses „Gender und Sexualpädagogik auf dem Prüfstand der Wissenschaften“ lautstark. Die Polizei zeigte mit ihrer in Stuttgart allseits bekannten Reiterstaffel und mehreren BFE-Einheiten starke Präsenz. Nach eigenen Angaben der Polizei-Pressestelle waren bis zu 400 Beamte im Einsatz.
Erst vor kurzem hatte es starken Protest gegen einen AfD-Landesparteitag im Cannstatter Kursaal gegeben (siehe „AfD kam nicht durch den Haupteingang„). Trotz des starken Polizeiaufgebots gelang es den GegendemonstrantInnen sehr schnell, durch mehrere Banner eine Blockade des Zugangs zum Haupteingang der Liederhalle aufzustellen.
Gegendemonstrant erhält Platzverweis
Die Polizei wollte den Weg anfangs durch Schubsen und andere Handgreiflichkeiten freimachen. Das gelang ihr letztendlich jedoch nicht. Das Anti-Konfliktteam der Polizei versuchte immer wieder, die Situation zu deeskalieren. Mit Rufen wie „Hetero ist keine Pflicht, Homophobie ist widerlich“ oder „Ob Demo für Alle oder AfD, stoppt den Rechtsruck in der BRD“ wurden die KongressteilnehmerInnen vor der Halle begleitet.
Am Rand des Platzes kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen linken DemonstrantInnen und einem Videojournalisten, der offensichtlich zu dem Genderkongress gehörte. Er versuchte immer wieder, Personen und Infostände zu filmen. Die Polizei führte einen Demonstranten und den Journalisten nach etwa zehn Minuten zu einem Polizeiauto ab. Dort wurden die Personalien festgestellt. Dem Demonstranten wurde ein Platzverweis erteilt.
Polizei stoppt Spontandemo zum Berliner Platz
Zu beobachten war, dass vornehmlich ältere Teilnehmende des Genderkongresses handgreiflich wurden, als sie an den GegendemonstrantInnen vorbei mussten. In den Seitenstraßen führte die Polizei wahllos Personenkontrollen durch. Hierbei mussten sich die Kontrollierten ausweisen und Durchsuchungen über sich ergehen lassen.
Als die Mehrheit der KongressteilnehmerInnen in der Halle war, kam es zu einer Spontandemo von zirka 40 Personen aus dem Bereich der Antifa und des alternativen Spektrums. Die Demonstration zog in Richtung S-Bahn-Haltestelle Berliner Platz und wurde anfangs von zirka 15 PolizistInnen begleitet. Die Polizei stockte die Einheit jedoch sehr schnell auf und versuchte, den Demozug auf Höhe des Berliner Platzes durch eine Umzingelung zu stoppen. Personen, die aus dem Kessel heraus zu kommen versuchten, wurden zum Teil massiv zurückgestoßen. Jacken und Taschen flogen auf den Boden.
Video-Startbild: Jens Volle
OB Fritz Kuhn verteidigt Saalvermietung
Im Vorfeld des Kongresses hatten auf Initiative der Interessengemeinschaft CSD zahlreiche MitunterzeichnerInnen in einem offenen Brief gegen den Genderkongress in einem städtischen Gebäude wie der Liederhalle protestiert. Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) antwortete in einer Pressemitteilung. Demnach sei die Stadt verpflichtet, die Halle zur Verfügung zu stellen. Er halte inhaltlich nichts von der Idee, wie die Initiatoren des Genderkongresses Aufklärung über sexuelle Vielfalt verhindern zu wollen. „Zu unserer Demokratie gehört aber, auch Meinungen auszuhalten, die einem nicht passen – so schwer es einem fallen mag“, erklärte Kuhn.
Die „Demo für Alle“ hat für Sonntag, 28. Februar, erneut einen Aufmarsch in Stuttgart angekündigt.
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