Von Meide Wolt – Stuttgart. Nach einem Aufruf der Organisationen Frauen der kurdischen Jugend (Jinên Ciwan ên Azad) und der Kurdischen Jugend (Ciwanên Azad) haben am Montag, 8. Februar, rund 200 Menschen einen „Langen Marsch“ von Stuttgart nach Straßburg begonnen. Sein Anlass ist der 17. Jahrestags der Gefangennahme Abdullah Öcalans . Der Marsch soll am Samstag, 13. Februar, mit einer Demonstration im 150 km entfernten Straßburg enden.
Kurz nach Beginn des Marsches gab es in Bad Cannstatt einen Zwischenfall, als ein Passant die TeilnehmerInnen mit dem „Wolfsgruß“, dem Zeichen türkischer Faschisten, provozierte.
Mit dem Marsch setzen sich die Jugendlichen nicht allein für die Freilassung Öcalans ein. Sie wollen auch auf die Situation in den Städten im Süden der Türkei aufmerksam machen. Dort hatte in einigen Städten die Bevölkerung ihre Autonomie ausgerufen. Daraufhin wurden sie von der türkischen Regierungspartei AKP unter Recep Tayyip Erdogan angegriffen.
Im Gedenken an die Leistungen Öcalans
In einigen Stadtteilen verhindert die Zivilbevölkerung seit Monaten ein Eindringen von Polizei- und Militäreinheiten des türkischen Regimes. Am Sonntagabend soll es in einer dieser Städte, in Cizre, zu einem Massaker an über 60 Zivilisten gekommen sein. „Es ist wichtig“, so ein Sprecher zu Beginn des Marsches, „bei jedem Schritt die Menschen in Kurdistan im Kopf zu haben“.
Es liege an den Leistungen Öcalans, einen demokratischen Prozess in der Region in Gang zu setzten, dass der Marsch auf Öcalan und nicht auf die vielen tausend weiteren politischen Gefangenen des türkischen Staates aufmerksam mache, so ein Teilnehmer: „Es ist mehr die Ideologie als die Person, welche ich damit meine.“
Frauen im vorderen Teil des Zugs
Der vordere Teil des Marsches war allein Frauen zugänglich. Dies sei notwendig, um dem Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau entgegenzuwirken, sagte eine der Organisatorinnen. „Es ist wie mit einer ungleichen Waage. Wenn man allein beide Seiten mit dem gleichen Gewicht beladet, dann ist die Waage immer noch ungleich.“ Daher könnten Frauen und Männer nicht einfach gleich behandelt werden. Frauen sind in der Kurdischen Jugend zusätzlich autonom organisiert.
Der Marsch begann in Stuttgart-Ost und endete am Montag in Ludwigsburg. Am Abend jedes Tages soll es Seminarangebote für die Teilnehmer geben. Am Wilhelmsplatz in Bad Cannstatt provozierte ein Passant die Teilnehmer mit Beleidigungen und dem sogenannten „Wolfsgruß“, der als Zeichen türkischer Faschisten gilt. Der Passant wurde daraufhin von einigen Teilnehmern angegriffen. Nach Polizeiangaben trug der angegriffene Türke Gesichtsverletzungen sowie eine Prellung am rechten Unterarm davon. Die mutmaßlichen Täter wurden von der Polizei festgenommen. Nach Entscheidung der Versammlungsbehörde wurden sie von der weiteren Teilnahme am „Langen Marsch“ ausgeschlossen. Eine Sprecherin der DemonstrantInnen appelliert an die Teilnehmer gezielte Aktionsformen zur richtigen Zeit zu wählen und sich nicht durch provozierende Personen vereinnahmen zu lassen.
Gegen 17.30 Uhr erreichte der Demonstrationszug nach 13 Kilometern Fußmarsch den Zielort bei der Alevitischen Gemeinde in Ludwigsburg. Am Dienstag, 9. Februar, werden die TeilnehmerInnen des Kurdenmarsches zunächst mit PKW zum Ausgangspunkt der zweiten Etappe am Bahnhof nach Mühlacker verlegen. Von dort aus will die Gruppe dann über eine Streckenlänge von 14 Kilometern nach Pforzheim starten.
Das Flugblatt von Ciwanen Azad und Jinen Cwanen Azad:
Der revolutionäre Volkswiderstand in Bakur-Kurdistan
Wussten sie, dass die Kurden in Bakur- Kurdistan (Türkei) eine demokratische Autonomie ausgerufen haben? Das gleiche alternative System in Rojava seit 2011 aufgebaut wird?
Wussten Sie, dass viele Städte mit kurdischen Bürgermeistern in der Türkei immer mehr den Städten in Syrien und den Fotos aus Gaza gleichen?
Wussten Sie, dass Erdogan seit dem 7. Juni mit Panzern, Wasserwerfern, Granatbeschuss und Scharfschützen gegen die Zivilbevölkerung in den von KurdInnen bewohnten Gebieten vorgeht. Die prokurdische Demokratische Partei der Völker HDP hatte seinen Traum vom Alleinherrscher in einem Präsidialsystem zum Platzen gebracht. Erdogan setzte daraufhin das Militär in Bewegung und hetzte einen faschistischen Mob gegen die Zivilbevölkerung und die Strukturen der Partei auf. Sein Ziel war die massive Einschüchterung der WählerInnen. Und doch ist die Demokratische Partei der Völker mit allen ihren Demokratie und Frieden fordernden Menschen in der Türkei über die 10-Prozent-Hürde gekommen.
Wussten Sie, dass heute mehrere große kurdische Städte und Bezirke unter Belagerung sind? Die Ausgangssperren seit dem 16. August andauern. Das wirtschaftliche und soziale Leben in der Region völlig zusammengebrochen ist. Der Krieg hat die Menschen in eine Situation ohne Obdach, Wasser, Strom, Lebensmittelversorgung und Gesundheitsleistungen versetzt. Die Regierung Erdogans hat ebenso die gesamte Internet- und Telefonverbindung lahm gelegt.
Wussten Sie, dass 17 Ratsmitglieder verhaftet wurden, von denen 9 für schuldig gesprochen wurden und 15 weitere vom Dienst entlassen wurden?
Wussten Sie, dass 6744 Menschen in den letzten 11 Monaten in Gewahrsam genommen wurden und 1285 davon festgenommen wurden?
Wussten Sie, dass 282 Frauen getötet wurden, 367 Frauen verletzt und 132 Frauen vergewaltigt wurden und das in den letzten 11 Monaten?
Wussten Sie, dass die Regierung Erdogans selbst Medien manipulieren und bedrohen, falls sie über diese Situation berichten? Das allein 30 Journalistinnen verhaftet wurden, weil sie über die Gräueltaten informiert haben?
Wussten Sie, dass die deutsche Regierung über die anhaltende ethnische Säuberung und den Völkermord an den Kurden, aufgrund wirtschaftlicher Interessen gegenüber der Türkei, schweigt und dies zur einer weiteren Flüchtlingswelle in Richtung Europa beziehungsweise Deutschland führen wird? Diesmal aus der Türkei.
Die Isolation von Abdullah Öcalan ist die Isolation des kurdischen Volkes
Mit Entsetzen schauen heute die Menschen auf das entsetzliche Massaker des türkischen Staates an der kurdischen Zivilbevölkerung in Sur, Farqin, Cizire, Nuseybin und Silopi. Man kann kaum fassen, dass der türkische Staat mit solch einem gezielten Auslöschungskommando durchkommt.
Gerade hier zeigt sich, dass 60 Tage nach Beginn der Ausgangssperren der Widerstand der kurdischen Jugend absolut zentral ist. Schließlich haben wir gerade nicht nur die Situation, dass dieses Massaker am kurdischen Volk ausgeübt wird – NEIN! Bald jährt sich der schwarze Tag des kurdischen Widerstandes, der Tag der Verhaftung Abdullah Öcalans nach dem internationalen Komplott, das gegen ihn gesponnen wurde.
Abdullah Öcalan ist der politische Repräsentant des Kurdischen Volkes und Mitbegründer der Kurdischen Freiheitsbewegung. Er gilt als Symbol für die Freiheit, des Friedens und der Demokratie. Er wendet sich gegen Seperatismus und präsentiert mit dem Demokratischen Konföderalismus ein System, in dem alle Völker des Nahen Ostens in Freiheit und Demokratie miteinander leben können. Seit seiner Verhaftung durch ein internationales Komplott 1999 und seiner Inhaftierung auf der Imrali Insel (Türkei) unter strengster Isolation setzt er sich weiterhin für eine friedliche Lösung des „türkisch- kurdischen“ Konfliktes und ein friedliches Zusammenleben aller Völker im Nahen Osten ein.
Ciwanen Azad & Jinen Cwanen Azad
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