Von Anne Hilger – Pforzheim. Etwa 90 alte und neue Nazis versammelten sich am Dienstagabend, 23. Februar, bei nass-kaltem Wetter auf dem Pforzheimer Wartberg. Aufgerufen hatte ein „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“. Es kamen auch Anhänger der „Rechten“ und des „dritten Wegs“. Ihre „Fackelmahnwache“ zum 71. Jahrestag des alliierten Luftangriffs auf die Stadt im zweiten Weltkrieg stand unter starkem Polizeischutz.
Nach Angaben der Behörde waren 900 BeamtInnen im Einsatz. Zirka 300 AntifaschistInnen – etwas weniger als in den Vorjahren – protestierten an verschiedenen Zugängen gegen die Neonazi-Kundgebung.
Die Polizei hielt die DemonstrantInnen hinter Sperrgittern auf Abstand. Sie bewertete ihren Einsatz als Erfolg. Es wurde niemand in Gewahrsam genommen und auch niemand verletzt, wie die Demosanitätsgruppe Südwest bestätigte.
Allerdings stoppten die Beamten um 20.45 Uhr den Abzug von etwa 150 bis 200 AntifaschistInnen vom Wartberg zum Bahnhof an der Einmündung des Oberen Wingertwegs in die Brettener Straße gewaltsam – etwa durch Schubsen und durch Schlagstock- und Fausthiebe ins Gesicht von Trägern des Fronttransparents.
Polizei moniert Pyrotechnik und Vermummung
Die TeilnehmerInnen der Spontandemo wurden dort eingekesselt. Sie bedachten die Beamten mit Versen wie „Ohne Helm und ohne Knüppel seid ihr nichts, auch mit Helm und mit Knüppel seid ihr nichts“. Unter anderem monierte die Polizei, die auch „Antikonfliktteams“ im Einsatz hatte, angebliche Vermummung.
Die DemonstrantInnen konnten erst weiterziehen, als sie eine Versammlungsleiterin benannt hatten, und wurden dann in einer Art Wanderkessel zum Bahnhof begleitet. Dort gab ein Polizist per Megaphon die nächsten Zugabfahrtszeiten durch. Um 21.30 Uhr war die Demo beendet.
Der Einsatz der SanitäterInnen beschränkte sich am Dienstagabend darauf, einen beschädigten Schuh zu kleben. Sie kritisierten jedoch, dass die Polizei sie zunehmend nicht mehr durch Absperrungen lasse – so etwa im Fall des Kessels -, sondern als Versammlungsteilnehmer betrachte.
Versorger-Stand vor dem Hotel Hasenmayer als Anlaufstelle
Der Protest hatte um 18 Uhr am Pforzheimer Bahnhof mit einer Auftaktkundgebung begonnen. Sprecher des Bündnisses „Nicht lange fackeln!“ und des Pforzheimer Projekts „Alte Fabrik“ hielten Reden. Etwa 250 DemonstrantInnen zogen unter starker Polizeibegleitung durch die Stadt. Zwei bis dreimal wurde unterwegs Pyrotechnik gezündet. Zwischenfälle gab es nicht. Vor dem Hotel Hasenmayer, wo die Stuttgarter „Versorger“ einen stark frequentierten Stand mit Kaffee, Tee und warmem Essen aufgebaut hatten, gab es den ganzen Abend über eine Kundgebung mit Musik.
Mehrere Gruppen machten sich in der Dunkelheit auf den Weg zum Wartberg. Dort hatten sich schon am Nachmittag Neonazis versammelt und mussten bis zu ihrer „Fackelmahnwache“ in der Kälte ausharren. Am weitesten drangen etwa 200 AntifaschistInnen auf der Ostseite vor. Sie wurden erst in der Nähe des Wasserturms etwa hundert Meter von der „Fackelmahnwache“ entfernt und damit in Hörweite von Polizisten gestoppt.
Auch ein Wasserwerfer stand bereit
Die Polizei hatte schweres Gerät aufgefahren, um die Neonazi-Kundgebung zu ermöglichen. Starke Scheinwerfer beleuchteten rundum das Gelände. Auch ein Wasserwerfer stand bereit, kam aber nicht zum Einsatz. Die Polizei monierte bei mehreren Durchsagen Schneebälle, Pyrotechnik und Vermummung.
Auch an der Absperrung auf der Westseite des Wartbergs beim Freibad standen mehrere Dutzend AntifaschistInnen. Aus beiden Richtungen erscholl lautstarker Protest, als die Fackelträger eine Schweigeminute abhalten wollten, während das Glockenläuten zum Gedenken an die Opfer des Luftangriffs unten in der Stadt bis hoch zum Wartberg drang. Danach lösten sich die Protestkundgebungen allmählich auf.
Polizei sieht ihr Einsatzkonzept bestätigt
Nach Angaben des Polizeipräsidiums Karlsruhe waren am Dienstag 900 BeamtInnen vor Ort – darunter Angehörige der Präsidien Einsatz, Stuttgart und Mannheim sowie des Präsidiums Technik, Logistik und Service der Polizei. Einsatzleiter war der Karlsruher Polizeivizepräsident Roland Lay. Er sah das Konzept seiner Behörde „mit der konsequenten Separierung der Lager“ voll bestätigt: „Der Umstand, dass am Dienstag weder Fest- noch Gewahrsamnahmen zu verzeichnen waren, macht dies eindrucksvoll deutlich“, hieß es in der Pressemitteilung der Polizei.
Am Nachmittag hatten sich nach ihren Angaben etwa 170 Menschen an der offiziellen Gedenkfeier der Stadt auf dem Hauptfriedhof beteiligt. „Vollkommen friedlich“ seien auch die Versammlungen der Stadt Pforzheim auf dem Marktplatz mit rund 500 Teilnehmern, des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit etwa 60 teilnehmenden Personen, die „Mahnwache gegen Instrumentalisierung von rechts“ mit rund 20 Teilnehmern sowie die „Versammlung mit Aufzug“ der Evangelischen Kirche verlaufen, an der zirka 120 Menschen teilnahmen.
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