Von unseren ReporterInnen – Ulm. AktivistInnen des „Kollektiv. 26 – Autonome Gruppe Ulm“ haben am Samstag, 27. Februar, einen Flashmob direkt vor dem Stand der AfD Kreisverband Ulm/Alb-Donau veranstaltet. Anlass war die Forderung der AfD-Chefin Frauke Petry, notfalls Schusswaffen an der Grenze gegen Flüchtlinge einzusetzen.
Die erst vor ein paar Wochen wieder gegründete Gruppe des „Kollektiv.26“ ist im Raum Ulm aktiv. Laut eigener Aussage hat sie es sich zum Ziel gesetzt, eine Reihe von Missständen in dieser Gesellschaft politisch anzugehen. Ihren Mitgliedern ist es wichtig zu zeigen, dass es in Ulm wieder linksagierende Strukturen gibt.
Die Ulmer AfD hatte sich den AktivistInnen zufolge in letzter Zeit öfters darüber geäußert, dass antifaschistische Gruppierungen in Ulm kaum bestünden und so gut wie keine Rolle spielten. Das wollte das „Kollektiv.26“ so nicht stehen lassen.
Grenze überschritten – erschossen vom Storch
Eine der ersten öffentlichen Aktionen vom „Kollektiv.26“ war nun der Flashmob in der Ulmer Fußgängerzone. Die AktivistInnen hatten um 10.35 Uhr damit begonnen, eine imaginäre Grenze unmittelbar vor dem Stand der AfD mit Kreide zu ziehen. Kurz darauf legten sich Personen auf den Boden, auf deren T-Shirts die Aufschrift „Erschossen vom Storch“ zu lesen war. Die von der AfD sofort alarmierte Polizei rückte nach zirka zehn 10 Minuten mit vier Streifenwagen und zwei größeren Einsatzfahrzeugen an.
Nach einer kurzen Information, dass es den am Boden liegenden Personen gut geht, und drei Personenkontrollen konnte die Aktion ungehindert fortgesetzt werden.
Polizei kontrolliert Pressefotografen
Lediglich die Kontrolle eines unserer Beobachter-News-Fotografen dauerte etwas länger. Ein Herr, der aktiv am AfD-Stand Flyer verteilte, war nicht damit einverstanden, dass von ihm ein Foto gemacht wurde. Er forderte dazu auf, es zu löschen. Nachdem sich der zuständige Polizist davon überzeugt hatte, dass auf dem Foto eine größere Personengruppe sowie besagter Herr – allerdings nur von der Seite – zu sehen ist, hielt er das Foto für rechtlich unbedenklich (siehe hierzu auch den Kommentar am Ende des Beitrags). Wir konnten unsere Arbeit daraufhin ungehindert fortsetzen.
Für verständnisloses Kopfschütteln von vorbeilaufenden PassantInnen sorgte die Aussage eines AfDlers: „Die Linken liegen am Boden, die Rechten stehen.“ Einige PassantInnen blieben am Stand der AfD stehen und beteiligten sich aktiv an Diskussionen. Viele hatten Verständnis für die Aktion des „Kollektiv.26“ und hießen sie gut.
Polizei beendet friedliche Aktion
Den am Boden liegenden AktivistInnen hielt die AfD immer wieder Sprüche entgegen wie „Ihr habt einen Tunnelblick, ihr fühlt euch da unten doch wohl“. Ein Herr fiel besonders durch seine Aggressivität auf. Bevor die Polizei eintraf, drohte er den AktivistInnen mit „Ich verpass euch gleich eine“. Ein junger Mann, der einen Flyer der AfD zerriss, wurde von ihm als Lümmel bezeichnet, der das ja nicht nochmal machen solle.
Um 11.45 Uhr forderte die Polizei das Kollektiv.26 dazu auf, die Aktion, die bis dahin über eine Stunde friedlich verlaufen war, abzubrechen – mit dem Hinweis, dass es ab diesem Zeitpunkt sowohl für die Aktion als auch für das Verteilen der Infoflyer gegen die Alternative für Deutschland einer Sondergenehmigung bedürfe. Die Aktivistinnen kamen der Aufforderung unmittelbar nach und beendeten die Aktion.
Empörung über Kommentar der Ulmer AfD zum Todestag der Geschwister Scholl
Eugen Ciresa, Landtagskandidat der AfD für Ulm, war in den letzten Tagen erneut in die Schlagzeilen geraten. Er hatte am Todestag der Geschwister Scholl auf Facebook ein Posting von David Lamm, CDU Ulm, im Namen des AfD Kreisverbands Ulm / Alb-Donau geteilt und mit den Worten kommentiert: „Diesem kämpferischen Geist sehen wir uns in Ulm verpflichtet. Damals wie heute lief in Deutschland etwas aus dem Ruder, lasst uns gemeinsam dagegen Antreten“.
Dieser Kommentar löste bei vielen Ulmer Politikern, Organisationen und Kirchenverbänden öffentliche Empörung aus. So äußerte sich Martin Rivoir, Landtagskandidat der SPD, auf seiner Facebook-Seite dazu: „Für mich als Abgeordneter der Heimatstadt der Geschwister Scholl ist eine solcher Vergleich völlig inakzeptabel! Er zeigt, welches krude, dumme und menschenverachtende Weltbild in den Köpfen der AfD-Vertreter herrscht!“
Politische Bildung für Eugen Ciresa
CDU-Mann David Lamm, Verfasser des Ursprungspostings zum Todestag der Geschwister Scholl, wollte die ganze Angelegenheit ebenfalls nicht unkommentiert stehen lassen. Er hatte im Vorfeld durch einen Anwalt prüfen lassen, ob er rechtlich gegen die AfD Ulm/Alb-Donau vorgehen kann. Eine Klage hätte jedoch keine Aussicht auf Erfolg. Laut eigener Aussage brauchte er am Morgen nach seinem Post keinen Kaffee mehr, als er fassungslos feststellen musste, wie sich die AfD seinen Text zu nutzen macht.
Er übergab deshalb, zusammen mit Wolfgang Schmauder, dem Zweitkandidaten der CDU Ulm, am Samstag Eugen Ciresa die DVD „Sophie Scholl – die letzten Tage.“ Nur Sophie Scholl auch deshalb, weil Ciresa in einem Interview mit dem SWR mehrfach von den Gebrüder Scholl gesprochen hatte. Ciresa nahm die DVD entgegen und versicherte, sich diese auch anzusehen.
Fazit nicht zufriedenstellend
David Lamm wollte mit der Aktion und im Gespräch mit Ciresa bewirken, dass sich die AfD von einer politischen Vereinnahmung der Geschwister Scholl für AfD-Zwecke – die sich laut Lamm nicht gehört – distanziert. Für Lamm ist das eine Gleichsetzung von 1943 mit heute.
Letztlich ließ sich Ciresa nicht überzeugen. Er argumentierte damit, dass es offenbar in Ordnung sei, wenn beispielsweise die Facebook-Gruppe „Ulm Nazifrei“ den Post von Lamm kommentiert und veröffentlicht, wenn jedoch eine rechte Partei sich äußert, der Aufschrei in der Bevölkerung groß ist. Seiner Meinung nach sollte sich eine rechte Partei frei äußern dürfen. Er sehe das als Mut nach außen an, dem Anerkennung gebührt, da Repressionen am Arbeitsplatz oder geschäftliche Einbußen für Selbstständige die Folgen sein könnten.
Von Aktiven in der AfD Ulm/Alb-Donau, die aus der Pegida-Bewegung kommen, wollte Ciresa auf Nachfrage nichts wissen. Der Gründer der Facebook-Seite Pegida Ulm/BW, die immer noch aktiv ist, verteilte direkt neben Ciresa Flyer am Stand der AfD.
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