Von Angela Berger – Neckarwestheim. Fünf Jahre nach dem Reaktorunglück in Fukushima und 30 Jahre nach Tschernobyl trafen sich am Sonntag, 6. März, nach Angaben der Veranstalter etwa 2000 Menschen am Bahnhof Kirchheim am Neckar und zogen gemeinsam zum Kernkraftwerk Neckarwestheim. Auch so viele Jahre nach den beiden Atomkraftwerkskatastrophen ist die Forderung, alle Kernkraftwerke weltweit sofort abzuschalten, nicht leiser geworden.
Die Menschen in den betroffenen Gebieten leiden noch immer unter den gesundheitlichen und sozialen Folgen der radioaktiven Strahlung. Bis heute sind die radioaktiv verstrahlten Menschen medizinisch und sozial weitgehend auf sich allein gestellt. Hilfe kommt lediglich von privaten Initiativen und Spendern.
Tschernobyl nicht vergessen
„Wir leben nicht nach der Katastrophe von Tschernobyl, sondern seit 30 Jahren mit ihr.“ Das ist die Botschaft, die Katharina Ebinger von ihren Reisen nach Weißrussland und Japan mitgebracht hat. Etwa 400 000 Menschen mussten damals in Tschernobyl ihre Heimat verlassen. Von den etwa 800 000 „Liquidatoren“, den Einsatzkräften im Gefahrengebiet, sind bereits Zehntausende an den Folgen der Strahlung erkrankt, gestorben – oder sie begingen Suizid.
Fehlbildungen aufgrund genetischer Schäden, Schilddrüsenkrebs und Leukämie kommen in den betroffenen Gebieten gleichbleibend häufig vor. 2017 soll eine Schutzhülle über den alten Schutzmantel, der nur für 20 bis30 Jahre ausgelegt war, geschoben werden. Er soll dann weitere 100 Jahre den havarierten Reaktor umhüllen. Doch die radioaktive Strahlung kennt keine Obergrenzen, und sie macht auch nicht an nationalen Grenzen halt. Es bleibt die Frage, was nach den 100 Jahren passiert.
Viele Gründe für einen Ausstieg
Auch in Weißrussland wird gern mit den Strahlenwerten argumentiert, doch genau wie in Fukushima werden diese Werte oft geschönt und angepasst, um die Atomkraftwerke weiter betreiben zu können. Die Folgen werden verharmlost. In Japan liefen jetzt zwei Jahre lang keine Atomkraftwerke. Seltsamerweise fiel das Land dennoch nicht in die Steinzeit zurück. Im Sommer 2015 hat Japan angefangen die Atomkraftwerke wieder hochzufahren, trotz des Widerstands in der Bevölkerung. In Umfragen wird von einer Mehrheit von 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung gesprochen, die für den endgültigen Atomausstieg ist. Außerdem ist das Hochfahren eines Reaktors, der vier Jahre still stand, auch technisch ein zusätzliches Risiko.
Der Abbau der oberen Erdschichten und nur an den schmalen Streifen entlang der bewohnten Gebiete war ein hilfloser Versuch, die ständige Strahlendosis zu verringern. Ständig sichtbar sind seitdem die vielen Plastiksäcke mit dem kontaminierten Erdreich, der überall im Freien in den Destrikten gelagert werden – dem Wind und dem Wetter ausgeliefert. Bis heute gibt es keinen Plan, was mit dem verseuchten Erdreich geschehen soll. Es wurde sogar davon berichtet, dass die Erde einfach wieder großflächig verteilt werden solle.
Fukushima soll vergessen werden
Dennoch sollen die 100 000 Einwohner der Präfektur Fukushima, die derzeit noch evakuiert sind, bis im März 2017 wieder in ihre Häuser zurückkehren. „In Japan wird zur Zeit, nicht nur mit Blick auf Olympia 2020 in Tokio die gefährliche Politik von Premier Shinzō Abe fortgesetzt. Durch manipulative Informationslenkung wird versucht, die Gefährdung durch Atomkraftwerke zu verharmlosen, um Fukushima endgültig vergessen zu machen.“
Das berichtet Seiji Hattori, ein an der Universität Frankfurt lehrender Fukushima-Aktivist. Zu allen anderen Bedenken kämen wirtschaftliche: TEPCO zum Beispiel, der Betreiber des AKW Fukushima, sei pleite und werde nur durch hohe Finanzspritzen der Regierung am Leben gehalten.
Japan verpasst eine Entwicklungs-Chance
Auch die Konkurrenz durch die erneuerbaren Energien machen es den Atomkonzernen schwer. Einige Wirtschaftsexperten fürchten, die Fixierung auf die Atomkraft, die von der Abe-Regierung betrieben wird, schade langfristig der Wirtschaft in Japan. Sie verpasse damit die Chance auf die Entwicklung von „sauberer Energie“, die sie zudem exportieren könnte. Gerade Japan, das eine hohe Erdbebenrate und sehr aktive Vulkane hat, wäre gut damit beraten, nicht mehr auf die Atomkraft zu setzen.
Erst im Februar dieses Jahres ist der nur 50 Kilometer von dem Atomkraftwerk Sendai entfernte Vulkan Sakurajima ausgebrochen. Eine Gefahr für die Anwohner bestehe nicht, ließ die Regierung verkünden. Es liegen noch 14 weitere aktive Vulkane im Umkreis von 160 Kilometern um das AKW.
Zu den Jahrestagen gibt es einige Veranstaltungen zu dem Themenbereich. Näheres siehe unter .ausgestrahlt, endlich abschalten und Neckarwestheim.
Anzeige
Weitere Bilder des Tages
Folge uns!