Stuttgart. Die AfD feierte am Sonntag, 13. März, ihren Einzug ins baden-württembergische Landesparlament. Am 30. April und 1. Mai will sie einen bundesweiten Programmparteitag in der Messe am Stuttgarter Flughafen abhalten. Es werden bis zu 2000 Delegierte und Gäste erwartet – und starker Protest (siehe den Aufruf unten). Bereits ab 7 Uhr soll es am 30. April Aktionen an der Messe geben und am Nachmittag eine Demonstration durch die Stuttgarter Innenstadt. Beginn ist um 13 Uhr in der Lautenschlager Straße.
Vor dem Hotel Maritim in der Seidenstraße in Stuttgart versammelten sich am Wahlabend rund 200 AntifaschistInnen und protestierten gegen die Jubelfeier der rechtsradikalen, in weiten Teilen rassistischen Partei. Sie konnte ihr Fest nur unter massivem Polizeischutz abhalten.
Bei der Gegenkundgebung vor dem Gebäude wies ein Redner auf die bevorstehenden Proteste gegen den geplanten Bundesparteitag der AfD am 30. April und 1. Mai hin. Er erklärte, dass die Aktion am Wahlabend, als die Partei mit 15,1 Prozent der Stimmen und aus dem Stand 23 Sitzen in den Landtag einzog, nur ein Warmlaufen gewesen sei.
Die Polizei wollte am Sonntag nicht zulassen, dass sich die Protestierenden auf der Seidenstraße versammelten. Nach mehrfacher polizeilicher Aufforderung, die Straße zu räumen, drängten behelmte Polizeikräfte – unterstützt von einer Reiterstaffel – die AfD-GegnerInnen ein paar Meter von der Straße ab. Der Sinn der Polizeiaktion blieb im Dunkeln, denn die Seidenstraße war für den Verkehr gesperrt.
Polizei behindert Arbeit der Demosanitäter
Ein Schwerpunkt des Polizeieinsatzes war eine Versammlung von zirka 150 mutmaßlich dem linken Spektrum zugehörigen Personen an der Seidenstraße in unmittelbarer Nähe der AfD-Veranstaltung. Nach Polizeiangaben sollen zeitweise mehrere Hundert Beamte in der Innenstadt im Einsatz gewesen sein.
Die Polizei filmte ohne erkennbaren Grund KundgebungsteilnehmerInnen. Dies ist nach aktueller Rechtsprechung unzulässig. Nach einem Redebeitrag (kann hier nachgelesen werden) wurden um 18.10 Uhr die ersten Hochrechnungen verlesen. Um 18.35 Uhr beendete der Versammlungsleiter die Kundgebung.
Zwei Demo-Sanitäter wurden auf dem Weg zur Kundgebung von vier Polizeibeamten kontrolliert. Ihre Sanitäter-Rucksäcke wurden durchsucht. Im weiteren Verlauf beschlagnahmte die Polizei mehrere Sanitäts-Instrumente und -Werkzeuge, die den Sanitätern zufolge zur Erstversorgung von Verletzten notwendig sind.
AfD ist Auffangbecken rechts der CDU bis hin zu Neonazis
Die Hotelleitung des Maritim zeigte sich unbeeindruckt von der schriftlichen Aufforderung des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS), den Vertrag mit den Rechten zu kündigen und ihnen keine Plattform für ihr Treiben zu bieten. Zuvor hatte das Café Königsbau der rechtsradikalen Partei abgesagt.
Bei der Wahl in Baden-Württemberg erwies sich die AfD als Auffangbecken rechts der CDU bis hin zu Neonazis. Sie ist neue politische Heimat für ProtestwählerInnen, die „es denen da oben mal so richtig zeigen“ wollen. Was bisher vom Programmentwurf öffentlich wurde zeigt, dass sich die Situation für einen Großteil der Bevölkerung massiv verschlechtern würde, wenn die AfD und mit ihr verwobene Bewegungen wie „Pegida“ oder „Demo für Alle“ noch stärker werden. Viele Vorstellungen begünstigen Reiche und richten sich etwa gegen Arbeitnehmer, Arbeitslose, Ausländer, Menschen mit Behinderungen und generell Frauen.
Der Aufruf des Protestbündnisses gegen den Bundesparteitag der AfD im Wortlaut:
Gemeinsam Widersetzen!
Aktiv werden gegen den AfD-Bundesprogrammparteitag in Stuttgart!
Das Klima in der Bundesrepublik wird rauer. Rassistische Phrasen, die bis vor wenigen Monaten außerhalb des Stammtisches niemand geäußert hat, sind im politischen Diskurs „normal“ geworden. Die Zahl der Anschläge gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte ist dramatisch gestiegen. Rechte Großdemonstrationen, bei denen „besorge Bürger“ Hand in Hand mit strammen Rassisten und Neonazis gegen alles demonstrieren, was nicht in ihr borniertes Menschenbild passt, sind an der Tagesordnung.
Die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ (AfD) präsentiert sich als parlamentarischer Arm dieses Rechtsrucks. Sie ist eine der tragenden Säulen für rechte Massenevents wie „Pegida“, die sogenannte „Demo für Alle“ und andere rückwärtsgewandte Sammelbecken. Hinter dem Vorhang, eine vermeintlich schweigende Mehrheit der „kleinen Leute“ zu vertreten, zeigen sich jedoch schnell die reaktionären Inhalte der AfD.
Die führenden Kräfte in der Partei treten immer wieder mit plumpem Rassismus und Nationalismus auf, der selbst der rechtspopulistischen Fraktion im Europäischen Parlament (EKR) zu direkt ist. Darüber hinaus wird der innerparteiliche Diskurs immer stärker von ewig gestrigen Inhalten geprägt, die gesellschaftliche Errungenschaften zurückdrehen wollen.
In der Familienpolitik etwa will die AfD die „traditionellen Rollenbilder“ von Patriarch und Hausfrau verfestigen und damit die Gleichstellung weiterhin unterlaufen. Die Gleichwertigkeit nicht heterosexueller Beziehungen wird geleugnet, Aufklärung und Antidiskriminierungsarbeit an Schulen soll verhindert werden. Der Mindestlohn als auch die Absicherung bei Erwerbslosigkeit wird abgelehnt und soll privatisiert werden. Der Atomausstieg wie auch Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung sollen eingestellt werden.
Seit dem Ausscheiden von Parteigründer Bernd Lucke übernimmt der ultrarechte Flügel der Partei zunehmend das Ruder und prägt die Debatte mit Sozialchauvinismus, Antifeminismus, Heterosexismus und Gewerkschaftsfeindlichkeit.
Auf dem Bundesprogrammparteitag am 30.04. und 01.05. in Stuttgart soll das rechte Programm gefestigt und verschärft werden. Damit will sich die AfD weiter als Rechtsaußen in der bundesdeutschen Parteienlandschaft verankern.
So weit, so schlecht.
Doch es gibt Hoffnung:
Gegenüber dem gesellschaftliche Rechtsruck formieren sich bundesweit breite Gegenbewegungen, die nicht länger zusehen, wenn Menschen als Sündenböcke präsentiert und ausgegrenzt oder verfolgt werden. Kaum eine Veranstaltungen der AfD oder anderer rechter Kräften findet heute ohne vielfältige und massenhafte Proteste statt, die vor zwei Jahren so noch nicht vorstellbar gewesen wären.
An genau diesen Erfolgen der vergangenen Wochen und Monate werden wir anknüpfen. Am 30. April 2016 werden wir mit vielen anderen der AfD mit ihrer rechten Hetze den Bundesprogrammparteitag in der Stuttgarter Messe vermiesen.
Unser Widerstand soll an diesem Tag von unterschiedlichen, ineinander greifenden Aktionen und Protestformen leben Im solidarischen Zusammenspiel ziehen wir alle an einem Strang und lassen uns weder von den Rechten noch dem politischen Klima zurückdrängen oder spalten.
Wir rufen alle, die kein Interesse an einer Verschärfung der Verhältnisse haben, auf, selbst aktiv zu werden. Machen wir dem Programmparteitag mit spürbarem Protest einen Strich durch die Rechnung!
Solidarität statt Spaltung!
Gemeinsam gegen den AfD-Bundesparteitag!
Für ein solidarisches Miteinander!
Ab 7 Uhr: Aktionen & Proteste an der Messe, danach Kundgebung vor der Messe
13 Uhr: Abschlussdemonstration in der Stuttgarter Innenstadt (Start in der Lautenschlagerstr.)
Die Unterstützerinnen des Aufrufs:
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart
Antifaschistische Jugend Rems-Murr
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region AABS
Antifaschistisches Bündnis Kreis Esslingen
Antikapitalistische Linke (Aufbau) Rems-Murr
Arbeit Zukunft
Die Linke Stuttgart
Die Partei Stuttgart
Die Partei Esslingen
Die Versorger Stuttgart
Grüne Jugend Stuttgart
Grüne Jugend BW
Junge NGG Südwest
Jusos Stuttgart
Linksjugend solid Stuttgart
Linksjugend solid BaWü
Piratenpartei Stuttgart
Sozialistische Alternative Stuttgart
Ver.di Bezirk Stuttgart
VVN-BdA Stuttgart
VVN-BdA Esslingen
Zusammen gegen Rechts – Gemeinsam für Vielfalt im Rems-Murr-Kreis
Zusammen Kämpfen [Stuttgart]
Weitere Bilder vom 13. März in Stuttgart
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