Von Alfred Denzinger – Stuttgart. Die AfD plant für das kommenden Wochenende einen Bundesparteitag in der Messe am Stuttgarter Flughafen. Beobachter erwarten eine weitere Radikalisierung der rechtspopulistischen, marktradikalen und nationalkonservativen Partei. Ein Aktionsbündnis von 45 Organisationen ruft für Samstag, 30. April, ab 7 Uhr zum Protest gegen den Programmparteitag auf. Für 10 Uhr ist eine Kundgebung geplant. Das Bündnis sieht jedoch sein Recht auf Versammlungsfreiheit durch behördliche Auflagen schon im Vorfeld massiv eingeschränkt.
Update 28. April, 17 Uhr:
Aktionsbündnis prüft juristische Schritte
Nach dem angekündigten Verbot der Großkundgebung auf dem Messepiazza an der Stuttgarter Messe ist mittlerweile der Versammlungsbescheid der Stadt Leinfelden-Echterdingen beim Anmelder eingegangen. Ordnungsamt und Polizeiführung halten nach Angaben des Aktionsbündnisses darin weiterhin an der Verlegung der Hauptkundgebung auf den weitaus kleineren Fernbusterminal fest.
„Wir haben den Bescheid erhalten und zur juristischen Prüfung unserem Anwalt übergeben“, erklärt Dominik Schmeiser für das Aktionsbündnis gegen den AfD-Bundesparteitag. Ausdrücklich kritisiert er in diesem Zusammenhang nochmals die späte Zustellung. „Unsere Versammlungen an der Messe haben wir bereits vor vier Wochen angemeldet und umgehend auf einen Bescheid gedrängt. Bis Anfang dieser Woche gab es vom Ordnungsamt keine Reaktion. Diese Hinhalte-Taktik erschwert unsere Arbeit ganz bewusst.“
Der Zuspruch für die Proteste gegen das rechtspopulistische Treffen an der Messe ist derweil ungebrochen. „Wir erwarten weiterhin über 1000 Menschen, die bereits um 7 Uhr morgens mit uns an der Stuttgarter Messe gegen die AfD protestieren“, so Schmeiser. „Der vielfältige Protest gegen die geistigen Brandstifter ist notwendig und breite gesellschaftliche Aufgabe.“
Der Einlass zum Veranstaltungsort der AfD soll am Samstag um 9 Uhr geöffnet werden, der Parteitag um 10 Uhr beginnen. Während die Stadt Leinfelden-Echterdingen und das Land der AfD die Räume auf der Messe ohne Zögern überlassen hätten, werde der Gegenprotest „völlig ohne Not behindert“, kritisierten Vertreter des Bündnisses am Mittwoch, 27. April, gegenüber Pressevertretern. Sie werfen den Behörden der Stadt Leinfelden-Echterdingen und der Polizei eine Eskalation schon im Vorfeld vor – auch wegen der Ankündigung, Wasserwerfer bereit zu halten.
Eine geplante große Kundgebung am Samstag, 30. April, um 10 Uhr auf der Piazza vor den Messehallen soll untersagt werden, berichtet das Aktionsbündnis. Der Platz sei angeblich zu klein, und Fluchtwege könnten nicht garantiert werden, heiße es zur Begründung. Stattdessen wollten die Behörden die GegendemonstrantInnen auf das abseits gelegene, schlechter erreichbare und deutlich kleinere Fernbusterminal abschieben – aus Sicht des Bündnisses „ein massiver Eingriff in die Versammlungsfreiheit“, den es nicht hinnehmen will.
Drohung mit Wasserwerfern weckt böse Erinnerungen
„Wir bestehen auf unserem Recht, den Protest in Sicht- und Hörweite zur AfD zu tragen“, stellt Bündnis-Sprecher Dominik Schmeiser von den Jusos klar. Bislang liege jedoch nur eine mündliche Information und kein schriftlicher Auflagenbescheid vor. Das erschwere, wie vorgesehen den Rechtsweg zu beschreiten.
Scharf kritisiert das Bündnis auch die Ankündigung der Polizei gegenüber Medienvertretern, sie halte Wasserwerfer bereit. Dabei handle es sich um einen „bewussten Versuch, die Sache eskalieren zu lassen“- gerade vor dem Hintergrund „der speziellen Demonstrationsgeschichte der Stadt Stuttgart“, wo es am Schwarzen Donnerstag im Jahr 2010 bei der Räumung des Schlossparks für den Bau von Stuttgart 21 eine dreistellige Zahl von Verletzten gab. Wegen dieser Ankündigung sieht Mario Kleinschmidt vom Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart und Region AABS „die Provokation eindeutig von der Stadt und der Polizei ausgehen“.
Absurde Auflagen für Transparente
Man werde sich nicht im Vorfeld von irgendwelchen Aktionen distanzieren, antworteten die Bündnis-Sprecher auf die Frage eines Journalisten. „Jeder Protest, der auf die Straße getragen wird, ist zulässig“, sagte Schmeiser. Lars Doneith von Verdi betrachtet die Entwicklung als Versuch, Demonstrationswillige – etwa aus dem gewerkschaftlichen Bereich – einzuschüchtern. „Gerade Gewerkschaften haben eine historische Verpflichtung, gegen solche Kräfte vorzugehen“, betonte er.
Massive Auflagen gibt es auch für die geplante Demonstration durch die Stuttgarter Innenstadt, die am Samstag um 13 Uhr in der Lautenschlager Straße beginnt. Abgesehen vom Fronttransparent sollen mitgeführte Stoffbahnen höchstens zweieinhalb Meter lang sein dürfen – weltfremd angesichts von 45 Bündnisorganisationen, die voraussichtlich ihre üblichen Banner und Transparente mitbringen werden. Verstöße gegen diese Auflage seien vorprogrammiert und damit auch Vorwände für polizeiliches Eingreifen.
Demo-Route führt am Landtag vorbei
Die Demonstration soll über den City-Ring zum Landtag führen – zu dem Ort, an dem die AfD demnächst ins baden-württembergische Parlament einzieht. Die Route führt weiter zum Rotebühl-Platz, wo erneut eine Zwischenkundgebung geplant ist, und zurück zur Lautenschlager Straße. Redebeiträge werden unter anderem von Cornelia Kerth vom Bundesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen VVN-BdA, von Cuno Hägele vom Verdi-Bezirk Stuttgart und von einem Sprecher oder einer Sprecherin des bundesweiten „Bündnis Aufstehen gegen Rassismus“ erwartet.
Zum Protest gegen den AfD-Bundesparteitag werden über 1000 Demonstrantinnen an der Messe und doppelt so viele am Nachmittag in der Stuttgarter Innenstadt erwartet. Es sind 15 Reisebusse angemeldet. Zu dem Aktionsbündnis gehören etwa Gewerkschaften, Parteien und ihre Jugendorganisationen wie die Grüne Jugend, die Linke oder die Jusos, Antifaschistische Initiativen, Migrantengruppen wie der Landesverband der DIDF Jugend oder das bundesweite „Bündnis Aufstehen gegen Rassismus“.
Zunehmender Rechtsruck der AfD
„Uns eint die Überzeugung, den gesellschaftlichen Rechtsruck nicht unwidersprochen hinzunehmen“, so Mario Kleinschmidt vom AABS für das Bündnis: „Die AfD ist der parlamentarische Arm des gesellschaftlichen Rechtsrucks. Die Partei ist maßgeblich mitverantwortlich für eine Stimmung, in der brennende Flüchtlingsunterkünfte wieder bejubelt werden.“ Die AfD entwickelt sich in den Augen des Bündnisses zur zunehmend rassistischen und gegen die Interessen Erwerbstätiger gerichteten Partei.
Die Polizei hat angekündigt, mit 1000 Beamten – zum Teil auch aus Bayern – im Einsatz zu sein.
Auch der DGB demonstriert gegen Fremdenfeindlichkeit
Der DGB lädt für Samstag, 30. April, ebenfalls zu einer Demonstration durch die Stuttgarter Innenstadt ein. Sie beginnt um 16.30 Uhr am Kronprinzplatz (Ecke Büchsenstraße). „Das Programm der AfD widerspricht dem Prinzip offener Gesellschaften, die in Frieden und in Solidargemeinschaft zusammenleben. Sie gibt sich als ‚Partei der kleinen Leute‘, ihr Programmentwurf zielt aber auf einen Rückbau des Sozialstaats und die Stärkung freier Marktprinzipien sowie gegen die Gleichberechtigung aller Geschlechter“, heißt es in dem Aufruf. Und weiter: „Die AfD wurde demokratisch gewählt und ihre Parteiveranstaltungen sind somit vor dem Gesetz legitim. Aber auch wir machen von unseren demokratischen Rechten Gebrauch: Wir setzen ein Zeichen für eine offene Gesellschaft ohne Fremdenfeindlichkeit!“
UnterzeichnerInnen des Aufrufs des Bündnisses:
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart
Antifaschistische Aktion Esslingen
Antifaschistische Jugend Rems-Murr
Antifaschistischer Abend Bühl
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region
Antifaschistisches Bündnis Kreis Esslingen
Antifa Rheinhessen
Antikapitalistische Linke (Aufbau) Rems-Murr
Autonome Antifa Aalen
Arbeit Zukunft
Attac Stuttgart
Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“
DIDF Jugend BaWü
DIDF Stuttgart
DKP BaWü
DKP Stuttgart
Die Linke BaWü
Die Linke Esslingen
Die Linke Stuttgart
Die PARTEI Stuttgart
Die PARTEI Esslingen
Die Versorger Stuttgart
Grüne Jugend BaWü
Grüne Jugend Heilbronn
Grüne Jugend Pforzheim
Grüne Jugend Stuttgart
Grüne Jugend Tübingen
Interkulturelles Forum Esslingen e.V.
Junge NGG Südwest
Jusos BaWü
Jusos Stuttgart
Libertäres Bündnis Ludwigsburg
Linksjugend solid Stuttgart
Linksjugend solid BaWü
Piratenpartei Stuttgart
Rems-Murr nazifrei!
Sozialistische Alternative Stuttgart
St. Pauli Fanclub Neackarpiraten Reutlingen/Tübingen
ver.di Bezirk Stuttgart
ver.di Jugend Stuttgart
VVN-BdA BaWü
VVN-BdA Kreisvereinigung Stuttgart
VVN-BdA Kreisvereinigung Esslingen
Zusammen gegen Rechts – Gemeinsam für Vielfalt im Rems-Murr-Kreis
Zusammen Kämpfen [Stuttgart]
…und Einzelpersonen
Folge uns!