Stuttgart. Am Global Marijuana March (GMM) beteiligten sich Tausende und forderten die Legalisierung von Marihuana. Allein in Stuttgart, wo der Cannabis Social Club zu der Demonstration aufgerufen hatte, gingen am 7. Mai nach unserer Zählung rund 400 Männer und Frauen auf die Straße. Die Polizei sprach von 300 TeilnehmerInnen am Global Marijuana March in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Weitere Demonstrationen gab es unter anderem in Berlin, Frankfurt und Ulm (wir berichteten). Neben der Grünen Jugend und der Linksjugend Solid setzen sich auch die Piraten und die Julis für eine Legalisierung von Cannabis ein. Wie im letzten Jahr konnte es die Polizei in Stuttgart nicht lassen, die Proteste zu kriminalisieren.
Zunächst kontrollierten vier Polizisten das abgepackte Heu und die getrockneten Brennnesseln am Stand der Partei DIE PARTEI. Sie fragten nach, ob es denn richtiges Gras sei, was es an dem Stand gebe. Da die Beamten offensichtlich nicht das gefunden hatten, was sie suchten, zogen sie mit enttäuschten Blicken wieder ab.
Offenbar war das Ergebnis der Kontrolle der Einsatzleitung nicht genehm, da die gleiche Polizeitruppe weniger später abermals an den Stand mit der Aufschrift „Grasverkauf“ kam. Nach der Durchsuchung der Rucksäcke der Herren im Anzug am vermeintlichen „Drogenstand“ schien es, als ob die Polizei sich mit dem Umstand abfand, dass es hier keine Drogen zu beschlagnahmen gab.
Der Polizeifrust war wohl doch sehr ausgeprägt
Nach dem erfolglosen Einsatz bei den AktivistInnen der Partei DIE PARTEI versuchten die Beamten ihr Glück noch am Stand der Piraten. Auch hier gab es wohl eher keine Drogenfunde für die Herren in Uniform. An ein Aufgeben der übereifrigen Polizisten war aber noch nicht zu denken. Nach der Schlusskundgebung und dem erfolgreichen Abbau des Pirateninfostand kam die Polizei gegen 17 Uhr abermals auf die Piraten zu und wollten ihre Personalien aufnehmen.
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Stefan Urbat, Stadtrat der Stuttgarter Piraten, erklärte gegenüber der Beobachter News: „Wir räumten ein, dass wir zwar wieder Vogelfutter (Anmerkung der Redaktion: wie beim letztjährigen Marijuana March) in Form harmloser Hanfsamenpäckchen verteilt hätten, die waren aber schon weg, als sie an den Stand kamen. Ich habe ihnen wieder meinen Personalausweis gegeben wie vor einem Jahr. Sicher verläuft die Sache wieder im Sande, aber die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ist ja für ihre kruden bis rüden Methoden bekannt.“
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„Wir kiffen wo wir wollen, ohne Überwachung und Kontrollen“
Zum Auftakt ihres Stuttgarter „Global Marijuana March“ versammelten sich die DemonstrantInnen auf dem Börsenplatz. Der Demonstrationszug bewegte sich lautstark durch die Theodor-Heuss-Straße über den Rotebühlplatz zum Schlossplatz. Es wurden Parolen wie „wir kiffen wo wir wollen, gegen Überwachung und Kontrollen“ und „THC statt AfD“ skandiert. Unterwegs schlossen sich den rund 350 Protestierenden noch einige PassanInnen an. Am Schlossplatz warteten gegen 14 Uhr bereits mehrere Dutzend KundgebungsteilnehmerInnen auf die eintreffenden DemonstrantInnen. Insgesamt waren letztendlich rund 400 Menschen bei der Abschlusskundgebung.
Keine verpeilten Hippies, sondern Menschen aus der Mitte der Gesellschaft
Zunächst hatte die Abschlusskundgebung eher einen Festivalcharakter. Nach rund 30 Minuten Musik und Tanz begann Dennis Herberg, Vorsitzender des Cannabis Social Club Stuttgart (CSC), mit seinem Redebeitrag. Er betonte den Unterschied der Konzepte der Coffeeshops und des CSC. „Im Gegensatz zum Coffeeshop-Modell ist es unsere Absicht, den Bedarf unserer Mitglieder zu decken und nicht neue Kundenwünsche zu generieren“, erklärte er.
Herberg hob hervor, dass CannabiskonsumentInnen „keine verpeilten Hippies, sondern Arbeiter, Geschäftsleute, Firmenlenker, Richter, Ärzte, Väter und Mütter“ seien. Es sei die Aufgabe des CSC, „die Pflanze Hanf wieder gesellschaftsfähig zu machen.“ Herberg beendete seine Rede mit der Aufforderung „holt euch eure Würde zurück und kämpft gemeinsam mit uns gegen diese missratene Drogenpolitik. Packen wir es an!“ Den Redebeitrag von Dennis Herberg gibt es hier.
Den Protest verzehnfacht
Der Herausgeber der Zeitschrift Hanf Journal Emanuel Kotzian,erklärte, er sei stolz darauf, dass sich der Protest in den letzten Jahren sehr gut entwickelt habe. „Um die Jahrtausendwende standen 10, 20 oder 30 Leute auf den Demos. Ich bin stolz darauf, dass heute 200, 300 oder 400 Leute zu einer Veranstaltung kommen. Das haben wir geschafft“, rief er dem applaudierenden Publikum entgegen.
Verfolgung und Benachteiligung fänden jedoch immer noch statt. Allein in Baden-Württemberg habe es im letzten Jahr 25 000 Cannabis-Verurteilungen gegeben. Und das unter einer grün-roten Landesregierung. Kotzian schlussfolgerte, dass der nachfolgende CDU-Innenminister „nicht viel lockerer drauf sein“ wird. Er forderte die ZuhörerInnen auf, sich in Cannabis Social Clubs zu organisieren.
Rechtsradikale Terroristen unbehelligt – Kiffer im Knast
Sven „Gonzo“ Fichtner, Sprecher der Linksjugend [’solid] Stuttgart, prangerte an, dass jährlich 1,6 Milliarden Euro für die Verfolgung von Kiffern ausgegeben würden. „Dieses Geld wäre im Kampf gegen Nazis besser aufgehoben“, führte er in seiner Rede aus. Er erklärte, der „rechtsradikale Terrorist“ könne sich freuen, „er kann weiter das Flüchtlingsheim anstecken, während der Kiffer beim Anstecken des Joints im Knast landet.“Am Ende seiner Rede forderte Fichtner auf: „Kommt zu den Kräften, die für einen Politikwechsel bereit sind – wir sind das dauerhafte Protestcamp und das Camp für den Politikwechsel. Schöne Grüße an die Grüne Jugend Baden-Württemberg.“ Die vollständige Rede von Fichtner kann hier nachgelesen werden.
Den Schwarzmarkt austrocknen – Cannabis legalisieren
Philipp Sommer von der Grünen Jugend Stuttgart wies darauf hin, dass „eine Legalisierung den Cannabisschwarzmarkt direkt austrocknen“ würde. Dadurch könne man vor allem junge Leute von organisierter Kriminalität fern halten. Man dürfe es sich nicht länger bieten lassen, dass „Alkohol trotz seiner wissenschaftlich belegbaren schädlichen Wirkung allgemein akzeptiert“ sei und KifferInnen „von Anfang an gebrandmarkt“ werden.
Dies erschwere eine offene Diskussion über das Für und Wider einer Legalisierung, wobei eben genau die Legalisierung von Cannabisprodukten das langfristige Ziel der Grünen Jugend sei. Hier geht es zu Sommers komplettem Redebeitrag.
Versammlungen in über 30 Städten für die Legalisierung von Cannabis
In 23 Städten gab es Demonstrationen und Kundgebungen für die Legalisierung von Cannabis. Der Global Marijuana March versteht sich als politische Aktion. Die Kundgebungen und Demonstrationen sind bei den Behörden angemeldet, die Teilnahme ist legal. Die Demonstrationen richten sich gegen das Verbot von Cannabis: „Es kriminalisiert normale Menschen, kostet bei Polizei und Justiz viel Geld und erzeugt einen Schwarzmarkt, der weder Steuern zahlt noch Jugendschutz gewährleistet“, heißt es im Aufruf zum GMM: „In anderen Ländern haben sich diese Zeiten schon geändert, jetzt muss auch Deutschland endlich in Bewegung kommen.“
Am Samstag, 14. Mai, sind weitere GMM-Demos geplant. Angekündigt wurden sie für die Städte Dortmund, Düsseldorf, Hamburg, Lüdenscheid, Nürnberg, Plauen, Passau und Wien. Am 21. Mai soll es auch in Mainz einen Marsch geben.
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