Von Andreas Scheffel – Berlin. Die Polizei rückte am frühen Donnerstagmorgen zu Hausdurchsuchungen bei zwei Pressevertretern in Berlin an. Betroffen waren der Fotojournalist Po Ming („PM“) Cheung und ein weiterer Pressefotograf. Die Beamten des Landeskriminalamts Frankfurt und der Berliner Polizei nahmen bei PM Cheung einen Computer und eine Festplatte mit. Die Polizei will Aufnahmen des Fotojournalisten zu den Frankfurter Blockupy-Protesten im Jahr 2015 zur Strafverfolgung einsetzen. Dem Journalisten selbst werden keine Vorwürfe gemacht. „Wenn die Frankfurter Polizei nicht weiterkommt, werden Wohnungen von Journalisten durchsucht“, erklärte dazu PM Cheung (siehe auch unten unseren Kommentar).
Erneut ging die Staatsgewalt damit gegen PressevertreterInnen vor, die ihrer Arbeit sehr genau und unabhängig nachgehen und ihr Auge auf Veranstaltungen oder Demonstrationen halten. Dieses Vorgehen zeigt den Stellenwert, den Demokratie und Pressefreiheit in Deutschland von Seiten des Staates derzeit hat.
In einem Interview schilderte PM Cheung das Vorgehen des LKA und Polizei: „Frühmorgens um 6 Uhr klingelte es, das LKA Frankfurt/Main sowie Beamte aus Berlin standen vor der Tür. Ich öffnete die Tür, die Beamten hielten mir den Durchsuchungsbefehl vor die Nase und belehrten mich. Die Beamten durchsuchten meine Wohnung und verlangten die Herausgabe von Festplatten sowie Computer. Es ginge um die Blockupy Proteste aus dem Jahr 2015 (wir berichteten). Am Ende der Hausdurchsuchung wurde ich auf Nachfragen eines Beamten gebeten, ob ich Passwörter der geschützten Speichermedien zur Verfügung stelle. Dies verneinte ich.
Daraufhin versuchte der Beamte mich mit dem Hinweis in der Form einzuschüchtern, „dann sind ihre Arbeitsgerätschaften länger aus ihrem Zugriff, da Spezialisten diese genauer unter die Lupe nehmen müssen‘. Fest steht für mich, wenn Beamte in ihren Ermittlungen nicht weiterkommen, werden unabhängige Journalisten kriminalisiert. In meiner Ausübung als Pressevertreter werde ich behindert. Nun benötige ich erst einmal einen neuen Rechner. Ich habe meinen Anwalt eingeschaltet, und wir werden gegen diese Handlungen der Polizei und des LKA vorgehen.“
Ein weiterer Journalist bei dem ebenfalls eine Hausdurchsuchung durchgeführt werden sollte, war vor einer Nahost-Reise von der gemeldeten Adresse weggezogen. So konnten die Beamten die Durchsuchung bei ihm nicht durchführen, teilte er via Twitter mit.
Auf Anfrage des Neuen Deutschland bestätigte die Frankfurter Staatsanwaltschaft die Wohnungsdurchsuchungen. Demnach betonte die Pressesprecherin Nadja Niesen, dass es sich bei den Betroffenen um unschuldige Personen handele. Das LKA ermittle wegen versuchten Totschlags am Rand der Blockupy-Proteste 2015 in Frankfurt und wolle Bild- und Tonmaterial der beiden Fotojournalisten auswerten. „Wir rechnen die beiden Personen als Sympathisanten dieser Szene zu“, begründete Pressesprecherin Niesen gegenüber dem Neuen Deutschland, weshalb man von einer Anfrage auf freiwillige Herausgabe des Beweismaterials abgesehen habe und gleich zur Hausdurchsuchung geschritten sei.
Kommentar von Andreas Scheffel: Journalisten halten ihre Quellen geheim
Schikane, Angriff, Drohung, Behinderung, Zensur, Überwachung, Hausdurchsuchung, Haft: Repressionen gegen PressevertreterInnen gibt es längst nicht mehr nur außerhalb von Deutschland. Mittlerweile gehören sie zum bitteren Alltag von JournalistInnen. Wer denkt, Behinderungen der Pressearbeit gingen nur von TeilnehmerInnen von Demonstrationen oder bestimmten Gruppierungen aus, der täuscht sich. Auch die Staatsmacht scheut nicht vor Repressionen zurück.
Die Motive der Bedrohung von PressevertreterInnen sind vielfältig. In erster Linie scheint es, als sollten Missstände vertuscht werden und Wahrheiten nicht ans Licht kommen – etwa über Vergehen aus den Reihen der Einsatzkräfte bei Demonstrationen, wie sie in den Pressemitteilungen der Polizei so nicht zu finden sind. Der Versuch, JournalistInnen durch Beschlagnahme ihres Materials gegen ihren Willen zu Mitteln der Strafverfolgung zu machen, ist aber auch geeignet, das Vertrauen in eine unabhängige Presse zu untergraben.
Der Internationale Tag der Pressefreiheit ist noch nicht einmal drei Wochen her. Verlage und andere Medienanstalten berichten geradezu in einem Hype über Länder wie die Türkei. In Talkshows wird deren Pressefreiheit diskutiert. Doch was ist mit Deutschland? Wo bleibt der Aufschrei? Kritik am eigenen Staat zu äußern, fällt offenbar manchen Verlagen und Rundfunkanstalten schwer.
Der Internationale Tag der Pressefreiheit ist der eigentliche Tag der Arbeit für JournalistInnen. Ein Tag, der uns anspornen muss, unsere Arbeit immer wieder kritisch zu hinterfragen. Unermüdlich in uns zu gehen und zu prüfen, ob wir wirklich genug tun. Und die Antwort sollte immer heißen: „Nein“.
JournalistInnen, die nicht nur auf das eine Top-Foto oder die andere Videoszene aus sind, begleiten DemonstrantInnen und Veranstaltungen, noch bevor sie beginnen und bleiben, bis sie zu Ende sind. Sie setzen sich auch Gefahren in Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppen von DemonstrantInnen oder zwischen DemonstrantInnen und Polizei aus, um das Geschehen aus nächster Nähe zu dokumentieren und wahrheitsgemäß zu berichten. Dabei gehen JournalistInnen oft hohe Risiken ein, und nicht selten werden sie bei ihrer Arbeit von der Staatsgewalt behindert.
Gerade deshalb dürfen wir JournalistInnen nie lockerlassen oder zurückweichen. Ein weiterer Grundpfeiler unserer Arbeit ist, unsere Quellen stets geheimzuhalten und von unserem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Das sind wir unserer Arbeit und unserem Kodex als PressevertreterInnen schuldig – und den InformantInnen, die uns vertrauen.
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