Karlsruhe. Die rechtsradikale Gruppe „Karlsruhe wehrt sich“ traf sich am Freitag, 3. Juni, zum letzten Mal vor der Sommerpause in der Karlsruher Innenstadt. Während der Gegenprotest von Aufmarsch zu Aufmarsch gewachsen und stärker geworden war, hatten die Rechten ihren Abwärtstrend nicht beenden können. Am Wochenende wurde in Dortmund allerdings bekannt, dass Neonazis um die Partei „Die Rechte“ ihren nächsten bundesweiten „Tag der deutschen Zukunft“ dennoch am 3. Juni 2017 in Karlsruhe abhalten wollen.
Dabei handelt es sich um „einen der wenigen verbliebenen Großevents der faschistischen Bewegung in der Bundesrepublik“, schreibt die Antifaschistische Aktion Karlsruhe in einer Pressemitteilung (siehe unten) über den „Tag der deutschen Zukunft“. Zu ihm hatten sich am Samstag über 900 Neonazis in Dortmund versammelt (siehe „Kunstaktion stört Polizei und Neonazis und „Keine Zukunft für Neonazis„) – unter ihnen auch eine Delegation aus Karlsruhe. Die Stadt soll nun also im nächsten Jahr Schauplatz des rechten Aufmarschs sein.
In Karlsruhe war die Polizei am Freitag mit einem auffällig großen Aufgebot vor Ort. Der Gegenprotest begann bereits um 17 Uhr nur einige Meter vom Aufmarschort der Rechten entfernt. Redner verschiedener Gruppen, darunter zum Beispiel das Offene Antifaschistische Treffen, sprachen zur gegenwärtigen Situation in Karlsruhe.
Die Redner der Rechten wurden übertönt
Von Anfang an fiel dabei ein junger Mann auf, der gezielt Fotos von einzelnen AntifaschistInnen machte und dies auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht unterließ. Nachdem er der Kundgebung verwiesen worden war, setzte er seine Tätigkeit aus größerer Entfernung weiter fort, bis sich einige engagierte Personen seiner annahmen und ihn endgültig vom Platz verjagten. Die Polizei sah sich vorher nicht veranlasst, etwas zu unternehmen.
Als die Rechtsextremen mit kurzer Verspätung mit ihrer rassistischen Hetze begannen, stieg der Lärmpegel der etwa 300 GegendemonstrantInnen massiv an. Selbst die maximal 30 Rechten konnten kaum ihre eigenen Redner verstehen, ihre Parolen hatten keine Außenwirkung. Direkt zu Beginn entfernte die Polizei einen der Neonazis aus der Kundgebung und führte ihn mit Kabelbindern gefesselt ab. Neben einem Gewirr verschiedenster Fahnen war auch die NPD mit Jan Jaeschke vertreten.
Deutliche Übermacht des Gegenprotests
Kurz vor Beginn der rechten Demonstration zog bereits eine antifaschistische Spontandemo lautstark zur Kriegsstraße, wo Rechtsextreme und AntifaschistInnen nur durch einen kleinen Zaun voneinander getrennt waren. Die deutliche Überzahl der GegendemonstrantInnen löste auf Seiten der Neonazis einigen Frust und Wut aus.
Zurück auf dem Stephanplatz entzündeten die Nazis wie gewohnt ihre Fackeln. Einige Zeit später wurde die Demonstration der Rechten beendet. Obwohl auf der anderen Seite des Platzes noch immer der Gegenprotest lief und lediglich ein wenig kleiner geworden war, ließ die Polizei zu, dass eine Gruppe von 15 Nazis am Rande dieses Gegenprotestes den abgesperrten Bereich verließ und so zu den GegendemonstrantInnen gelangten.
Polizei zeigt sich repressiv gegenüber dem Gegenprotest
Als sich einige AntifaschistInnen in Richtung der Nazis bewegten, stürmten sofort Polzisten auf den Platz. Sie stießen und schlugen äußerst aggressiv die GegendemonstrantInnen zurück. Einige Zeit nach Abreise der Rechtsextremen fanden sich rund um den Ort des Geschehens enorm viele neonazistische Aufkleber, zum Beispiel von der NPD.
Der Polizei schien an diesem Abend etwas an der Kriminalisierung des Gegenprotests gelegen zu haben. So wurde bereits auf dem Weg zur Demonstrationen ein Antifaschist festgesetzt und später mit einem Platzverweis belegt. Auch wurden so auffällig viele Beamte eingesetzt, dass von Seiten der Staatsmacht der Eindruck eines Bedrohungspotenzial erweckt wurde, das gar nicht vorhanden war.
Sommerpause oder endgültiges Ende?
Die Polizei ließ es sich auch nicht nehmen, den vollständig friedlichen Gegenprotest zu filmen. Als zum Ende hin die Nazis ihren Kundgebungsort verließen und die Polizei daraufhin die AntifaschistInnen abdrängte, geschah dies auch mit massiver Gewalt und Aggression. Besonders ein Beamter tat sich hervor, der einen Demonstrant in Football-Manier mit der Schulter tackelte. Ein Vorgehen, das den Polizisten so hoffentlich nicht gelehrt wird.
Obwohl „Karlsruhe wehrt sich“ offiziell nur in die Sommerpause geht, bleibt doch die vage Hoffnung, dass die rechtsextreme Gruppierung endlich den Schlussstrich unter ihre regelmäßigen Demonstrationen zieht. Alle Versuche, durch Führungswechsel, Ortswechsel, andere Termine oder die Öffnung nach Rechtsaußen mehr Teilnehmer zu mobilisieren, schlugen fehl. Kaum 30 Personen erscheinen noch zu den rechtsextremen Demonstrationen. Logisch wäre folglich wohl nur ein Ende der Veranstaltungen. Oder ausgedrückt in den Worten eines Polizisten, nachdem die Rechten abgereist waren: „Ist der Kindergarten jetzt vorbei?“
- Gewaltbereite …
- … Polizei im Einsatz
Die Pressemitteilung der Antifaschistischen Aktion Karlsruhe im Wortlaut:
Neonazi-Großevent „Tag der deutschen Zukunft“ 2017 in Karlsruhe
Organisatoren verkünden während der Demonstration, dass nächster „Tag der deutschen Zukunft“ in Karlsruhe stattfindet. Nach 2013 damit der nächste bundesweite Aufmarsch von Neonazis in Karlsruhe angekündigt.
Am vergangenen Samstag führten Neonazis um Partei „DIE RECHTE“ sowie weiterer rechtsradikaler Organisationen den mittlerweile 8. „Tag der deutschen Zukunft“ in Dortmund durch. Der TDDZ (Abkürzung) ist einer der wenigen verbliebenen Großevents der faschistischen Bewegung in der Bundesrepublik. In den vergangenen Jahren kamen zu den jeweiligen Aufmärschen mehrere hundert Neonazis. Auch in Dortmund fanden sich über eintausend Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet – darunter auch eine Busdelegation von DIE RECHTE Karlsruhe.
Zu den seit eineinhalb Jahren in Karlsruhe stattfindenden antimuslimischen Aufmärschen von (Kargida, Widerstand Karlsruhe, Karlsruhe wehrt sich) gesellt sich nun im nächsten Jahr ein bundesweiter Neonaziaufmarsch. „Dass ausgerechnet Karlsruhe gewählt wurde, überrascht mich nicht“ erklärt Kim Haller, Pressesprecherin der Antifaschistischen Aktion Karlsruhe. Sie ergänzt weiter: „Das Verhalten der Stadt Karlsruhe, speziell des Ordnungsamtes und der Polizei, bezüglich der Aufmärsche von Karlsruhe wehrt sich samt Vorgängerorganisationen, führt dazu, dass sich die Rechten in Karlsruhe unter dem Schutz der Polizei wohlfühlen und dass Karlsruhe damit attraktiv für Aufmärsche von Neonazis und anderen Rechten wird“. Dass nun der kommende „Tag der deutschen Zukunft“ 2017 in Karlsruhe stattfinden soll, unterstützt diese Einschätzung.
Bereits im Jahr 2013 versuchten mehrere hundert Neonazis in Karlsruhe aufzumarschieren, was letztlich durch ein breites Bündnis aus zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Gruppen verhindert werden konnte. Daran soll auch im kommenden Jahr angeknüpft werden. Kim Haller erklärt dazu: „Wenn die Nazis kommen, müssen sie mit heftiger Gegenwehr rechnen. Wir werden es nicht zulassen, dass sie ihre menschenverachtende Propaganda in Karlsruhe verbreiten.“
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