Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Die öffentliche Streikkundgebung auf dem Schlossplatz endete vorzeitig im Platzregen. Doch das tat der kämpferischen Stimmung der über 300 baden-württembergischen TageszeitungsjournalistInnen, die sich am Dienstag, 14. Juni, in Stuttgart versammelt hatten, keinen Abbruch. Nach kurzem Aufwärmen im Gewerkschaftshaus beschlossen sie spontan, ihren Warnstreik für höhere Gehälter auch am Mittwoch, 15. Juni, fortzusetzen.
An diesem Tag treffen sich die Unterhändler der Zeitungsjournalisten und des Verlegerverbands in Düsseldorf zur 4. Runde der Tarifverhandlungen.
Dem Beschluss, den Streik fortzusetzen, lag der Unmut über die bisherigen Angebote der Zeitungsverleger zugrunde. Sie waren mit einem Katalog an Gegenforderungen in die Tarifverhandlungen gestartet – unter anderem, die Berufsjahresstaffel weiter auszudehnen, was zu erneuten Einkommensverlusten führen würde. Auch ihr jüngstes Angebot – eine jährliche Steigerung von nominal einem Prozent und 200 Euro Einmalzahlung bei zwei Jahren Laufzeit – blieb weit unter den Erwartungen der JournalistInnen. In einer Resolution wiesen sie es als Zeichen mangelnden Respekts zurück.
Starke Kritik am Drucker-Abschluss
Die Redaktionen zeigten sich auch alles andere als begeistert über einen wenige Stunden vor Versammlungsbeginn erzielten Abschluss für die Druckindustrie. Er sieht Erhöhungen von 2 Prozent zum 1. Juli und 13 Monate später weiteren 1,8 Prozent bei einer Laufzeit von 29 Monaten vor. Das wäre zu wenig für die Zeitungsredaktionen, stellten die Versammelten klar. Schließlich büßen sie derzeit allein 0,35 Prozent ihres Gehalts jährlich durch Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld ein, und sie haben auch sonst Einiges aufzuholen. Sie wollen sich nicht länger vom üblichen Gehalts-Plus abhängen lassen.
Auch die Drucker selbst sind verärgert, berichtete Michael Trauthig (dju), Betriebsratsvorsitzender von Stuttgarter Nachrichten und Stuttgarter Zeitung. Wäre der Drucktarifvertrag nicht am Morgen abgeschlossen worden, hätten die Drucker des Pressehauses Stuttgart am Dienstag mit ihren KollegInnen aus den Redaktionen gestreikt, wie es in den zurückliegenden Wochen schon in Nordrhein-Westfalen oder Bayern der Fall war.
Verleger wollen weiter mauern
Um mehr oder auch nur dasselbe zu erreichen, appellierte der Betriebsratsvorsitzende des Schwarzwälder Boten Thomas Ducks an seine KollegInnen, werde eine entschlossene Streikbewegung nötig sein. Ein Gehaltsplus von 5 Prozent, mindestens aber monatlich 200 Euro fordert die dju (Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union) in Verdi, ein Plus von 4,5 Prozent der DJV (Deutscher Journalisten Verband).
Nach mehr als zehn Jahren mit unterdurchschnittlichen Tarifabschlüssen und Reallohnverlust wollen Redakteure, Volontäre und Freie JournalistInnen dieses Mal den Anschluss an die allgemeine Gehaltsentwicklung schaffen – zum Verdruss des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger BDZV, der in den zurückliegenden drei Verhandlungsrunden deutlich gemacht hat, die Redaktionen trotz starker Arbeitsverdichtung seit über einem Jahrzehnt erneut kurz halten zu wollen.
Großer Saal war voll besetzt
Am Verhandlungstisch und bei ihren Tarifkämpfen arbeiten die beiden Journalisten-Organisationen zusammen – so auch am Dienstag bei der zentralen Streikversammlung für Baden-Württemberg in Stuttgart. Sie war die erste ihrer Art im renovierten großen Saal des Gewerkschaftshauses. Es waren JournalistInnen des Mannheimer Morgen, der Heilbronner Stimme, des Schwarzwälder Boten, der Südwestpresse Ulm, der Badischen Zeitung und der Redaktionsgemeinschaft der beiden Stuttgarter Zeitungen gekommen – aber auch vieler kleinerer Verlage wie des Schwäbischen Tagblatts, der Neuen Württembergischen Zeitung oder des Böblinger Boten.
Siegfried Heim eröffnete die Versammlung und zeigte sich beeindruckt, dass alle 300 Sitzplätze belegt waren. Er war früher Betriebsratsvorsitzender der Südwestpresse Ulm, Tarifsekretär von Verdi für die Druckindustrie und ist seit anderthalb Jahren Landesfachbereichsleiter Medien. Gabriele Frenzer-Wolf, stellvertretende DGB-Landesvorsitzende, outete sich als „begeisterte Zeitungsleserin“ und wünschte den Streikenden in ihrem Arbeitskampf Erfolg. „Ich finde es toll, es brummt“, freute sich auch Dagmar Lange, Landesvorsitzende des DJV, über die große Zahl der Streikenden. Immer wieder brandete Beifall auf, als sie die Liste der Streikbetriebe verlas.
JournalistInnen wollen für Qualitätsjournalismus kämpfen
Bisher hätten die Verleger immer nur ihr ursprüngliches Angebot variiert, berichtete Michael Trauthig aus der zurückliegenden 3. Verhandlungsrunde. Für die Stuttgarter Journalisten ist unabdingbar, dass Freie und Pauschalisten keine geringere Erhöhung bekommen als Festangestellte. Der baden-württembergische DJV wolle auf keinen Fall für länger als 18 Monate abschließen, nannte Dagmar Lange als eine von mehreren Bedingungen ihrer Organisation.
Wenn die JournalstInnen einknicken, „ist wieder ein Stück Qualitätsjournalismus weg“, warnte Thomas Ducks. Die Verleger führten das Wort nur im Munde, förderten ihn jedoch nicht. An Einknicken dachte niemand im DGB-Haus. Das zeigte sich, als die Streikversammlung für kurze Zeit unterbrochen wurde, damit die Redaktionen intern beraten konnten. Das deutliche Ergebnis: Am Verhandlungstag werden die meisten bisher beteiligten Redaktionen in Baden-Württemberg weiterstreiken.
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