Von Meide Wolt – Stuttgart. „Wir erwarten einen Abschluss, der sehr deutlich über dem jüngsten Abschluss für die Druckindustrie liegt“: Vor den Toren der Südwestdeutschen Medienholding SWMH in Stuttgart-Möhringen versammelten sich am Donnerstag, 16. Juni, gut 60 JournalistInnen der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten. Sie setzten ihren zwei Tage zuvor begonnenen Warnstreik fort, um „gegen die respektlose Haltung der Zeitungsverleger“ gegenüber RedakteurInnen, Freien und PauschalistInnen zu protestieren.
Für ihre Kundgebung vor dem Werkstor nutzten die JournalistInnen bewusst den Tag, an dem die Holding auch auswärtige Gäste zu einem Sommerfest erwartete. Der Verlegerverband habe in den Tarifverhandlungen – zuletzt am Vortag in vierter Runde in Düsseldorf – „provozierend schlechte Angebote“ vorgelegt, hieß es in einer Resolution (siehe unten).
Am Dienstagmorgen hatte es bereits einen Tarifabschluss für die Druckindustrie mit einer Laufzeit von 29 Monaten bis zum 31. August 2018 gegeben. Die 140 000 Beschäftigten der Branche erhalten nach einigen Leermonaten 2 Prozent mehr zum 1. Juli dieses Jahres und eine weitere Erhöhung um 1,8 Prozent ab dem 1. August 2017. Vorausgegangen waren bundesweite Warnstreiks.
Beschäftigte der Zeitungsbranche haben Nachholbedarf
An ihnen beteiligten sich auch die DruckerInnen des Pressehauses Stuttgart. Sie waren mit dem Abschluss ebenso wenig zufrieden wie die baden-württembergischen ZeitungsjournalistInnen. Das machten letztere bei einer zentralen Streikversammlung am Dienstag im Stuttgarter DGB-Haus deutlich (siehe „JournalistInnen wollen sich nicht mehr abspeisen lassen„).
Nach einem Jahrzehnt mit unterdurchschnittlichen Gehalts- und Honorarsteigerungen wollen sie nicht länger von der allgemeinen Gehaltsentwicklung abgehängt bleiben. Die dju (Deutsche Journalistinnen und Journalisten Union“ in Verdi) fordert eine Erhöhung der Gehälter und Honorare von 5 Prozent, der DJV (Deutscher Journalistenverband) von 4,5 Prozent bei 12 Monaten Laufzeit.
JournalistInnen wollen den Streikdruck erhöhen
Entsprechend enttäuscht zeigten sich RedakteurInnen und Freie der Stuttgarter Zeitungen bei ihrer vom Betriebsratsvorsitzenden Michael Trauthig geleiteten Kundgebung am Donnerstag darüber, dass ihre Organisationen dju und DJV dem Verlegerverband am Vortag in Düsseldorf zum Verhandlungsauftakt eine entsprechende Forderung – allerdings bei kürzerer Laufzeit – unterbreitet hatte. Die Zeitungsverleger zeigten sich jedoch noch nicht einmal zu einem solchen Abschluss bereit.
Sie boten zuletzt Erhöhungen von insgesamt 4 Prozent in drei Schritten für 36 Monate, berichtete Renate Angstmann-Koch, Mitglied der Verhandlungskommission und des Landesvorstands der dju. Die erste Erhöhung für Festangestellte sollte erst zum 1. Juli 2016 nach sechs Leermonaten erfolgen, die Anhebung der Honorare für freie JournalistInnen zeitlich noch weiter verzögert – ein Angebot, das die Verhandlungsdelegationen von dju und DJV, aber auch die JournalistInnen in Stuttgart als respektlos betrachten. Ein Abschluss wie für die Druckindustrie oder bessere Konditionen ließen sich nur mit entsprechend hohem Druck erzielen, sagte Angstmann-Koch – eine Einschätzung, die auch die DJV-Landesvorsitzende Dagmar Lange in ihrem Grußwort teilte.
Freie und Pauschalisten sollen nicht abgehängt werden
„Wir erwarten eine Laufzeit von höchstens 18 Monaten, einen Abschluss, der sehr deutlich über dem jüngsten Abschluss für die Druckindustrie liegt, ein Ergebnis, das im gleichen Umfang die Konditionen für freie Mitarbeiter verbessert“, heißt es in einer am Donnerstag verabschiedeten Resolution der Streikenden in Stuttgart und beim Schwarzwälder Boten in Oberndorf, der ebenfalls zur Südwestdeutschen Medienholding SWMH gehört. Sie seien bereit, auch mit längeren Streiks für diese Forderungen zu kämpfen. Die nächste Tarifverhandlung mit dem Zeitungsverlegerverband ist am 29. Juni in Berlin.
Nach Angaben der dju in einem Flugblatt erzielte die SWMH im Jahr 2015 einen Gewinn von 88,2 Millionen Euro. „Es sollte selbstverständlich sein, dass auch die Zeitungsunternehmer die Arbeit ihrer Journalistinnen und Journalisten schätzen und angemessen vergüten“, heißt es weiter. Stattdessen hätten die Zeitungsverleger am Verhandlungstisch jede konstruktive Lösung verweigert, kommentierte der Leiter des Verdi-Landesfachbereichs Medien Siegfried Heim die Verhandlungen.
Die am Donnerstag verabschiedete Resolution:
„Wir, die streikenden Journalisten von Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten und Schwarzwälder Bote, sind empört über die Haltung der Verleger bei den laufenden Tarifverhandlungen für Tageszeitungs-Journalisten.
Angesichts der wiederholt provozierend niedrigen Angebote stellen wir klar:
Wir erwarten
– eine Laufzeit von höchstens 18 Monaten
– einen Abschluss, der sehr deutlich über dem jüngsten Abschluss für die Druckindustrie liegt
– ein Ergebnis, das im gleichen Umfang die Konditionen für freie Mitarbeiter verbessert
sowie
– einen Pilotabschluss für Baden-Württemberg
Wir sind entschlossen, für diese Forderungen zu kämpfen. Auch mit längeren Streiks.
Stuttgart, 16. Juni 2016
Die Journalisten bei Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten und Schwarzwälder Bote“
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