Von Meide Wolt – Stuttgart. Sie grölten „Lauf Schwarzer“ und schossen mit einer Schreckschusswaffe aus einem fahrenden Auto heraus auf einen Menschen: Eine rassistische Attacke in Stuttgart rief Entsetzen hervor. Sie gab Anlass zu einer Kundgebung „Kein Platz für Rassismus“ am Mittwoch, 15. Juni, auf dem Schlossplatz.
Der Polizei zufolge beteiligten sich an der Kundgebung etwa 70 Menschen – wir zählten 100. Nach dem Europameisterschafts-Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer gegen die ukrainische Nationalmannschaft am Sonntag, 12. Juni, sollen Fußballfans aus einem Auto heraus „Lauf Schwarzer“ gerufen und mehrmals mit einer Schreckschusspistole auf einen 21-Jährigen geschossen haben. Die Polizei nahm am Tag der Kundgebung einen 19-Jährigen als mutmaßlichen Täter fest. Ihrer Pressemitteilung zufolge war der deutsche Staatsbürger zuvor nicht durch „politisch motivierte Straftaten“ in Erscheinung getreten.
Zu der Kundgebung auf dem Schlossplatz hatte das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS) aufgerufen. Ein Sprecher des AABS sagte über die Stimmung bei der Fußball-EM: „Auch stramme Nazis und biedere Rassisten freut es natürlich, mit Tausenden zusammen Deutschland zu feiern und nicht, wie sonst, schief angesehen zu werden, wenn man laut ‚Deutschland‘ grölt und dabei Deutschlandfahnen schwenkt.“ Der Sprecher forderte dazu auf, rassistische Parolen und Beleidigungen gegen andere Fußballteams nicht zu tolerieren.
Janka Kluge, Landessprecherin der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes), thematisierte in ihrer Rede die Strukturen von Nazis in Deutschland. Beispielsweise seien die „Holigans gegen Salafismus zum Teil vernetzt mit der VfB-Fan-Szene“. Sie forderte außerdem dazu auf, sich den Protesten am darauf folgenden Freitag in Fellbach anzuschließen (siehe unseren Bericht „Schwere Blamage für „Fellbach-wehrt-sich“). Auch ein Sprecher der Antifaschistischen Jugend Rems-Murr-Kreis rief dazu auf: „Wir können nicht ruhig zuschauen, wie Menschen ihre Existenz, ihre Menschlichkeit abgesprochen wird. Egal von wem und von wie vielen. Lasst uns deshalb die Gefahr nicht unterschätzen und frühzeitig gegen die rechten Aktivitäten in Fellbach vorgehen.“
Die Rede der Antifaschistischen Jugend Rems-Murr im Wortlaut:
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
Liebe Anwesende,mit einem Schock haben wir von der Tat letzten Sonntag gehört. Doch war
es wirklich so ein Schock? Waren wir eigentlich nicht nur über die Art
und Weise geschockt?Im Kern wissen wir um den rassistischen Mob, welcher in Deutschland
immer wieder seine Fratze zeigt. Wir wissen, welche Bilder die rechten
aller coleur heute von Migrantinnen zeichnen. Egal ob Identitäre, Nazis
oder eine der „wehrt sich“-Gruppen.Sie alle zeichnen das Bild eines deutschen Volkskörpers, einer deutschen
Kultur welche stärker denn je bedroht wird. Bedroht von kriminellen
Migranten, vergewaltigenden schwarzen Menschen und einer islamischen
Invasion.Dieses Bild zeichnet auch „Fellbach wehrt sich“, welche am kommenden
Freitag aufmarschieren wollen. Der Mensch islamischen Glaubens, der
Mensch mit nicht weißer Hautfarbe wird pauschal entmenschlicht. Es wird
der Eindruck erweckt, sie seien alle destruktiv.
Wer sich über solche Seiten informiert und nicht an einem gewissen
Humanismus festhält wird letztlich zum Rassisten. Wer sich über solche
Seiten informiert wird, wie wahrscheinlich schon bei dem Brand der
Flüchtlingsunterkunft in Weissach vom „kleinen Mäuschen“ schwadronieren
dass sich wehrt.Der Sonntag war nicht das Ende, aber auch nicht der Anfang der
rassistischen Hetze. Er war Ergebnis und ihre logische Konsequenz. Mögen
die direkten Täter noch nicht klar sein, so sind es die indirekten schon
lange.
Es sind all jene, welche andersartige Menschen abwerten und
diskriminieren. Die ganzen Blogschreiber, Stammtischrassisten oder
besorgten Bürger. Sie sind es die die rassistische Stimmung anfachen und
ein ideologisches Umfeld für solche Angriffe bieten.Gerade Im Taumel der EM wird diese Stimmung schnell aggressiv. Wir
Deutschen haben etwas erreicht, so der Tenor. Aber nein wir haben nichts
erreicht, sondern ein paar Menschen mit der gleichen Staatsbürgerschaft.
Also genießt die Spiele, aber fühlt euch nicht erhaben für etwas das
nicht euer Verdienst ist.
Es gibt andere Dinge im Leben, auf welche man wirklich stolz sein kann!Lassen wir uns nicht auf den dummen Nationalismus der Rechten ein, aber
unterschätzen wir ihn auch nicht. Wir dürfen ihre Gefahr nicht
unterschätzen, auch wenn wir sie für ein paar Spinner halten. Denn aus
einem Spinner werden morgen vielleicht schon vier werden.
Gerade in Bezug auf die RassistInnen von Fellbach gilt es hieran zu
denken. Ja sie machen nicht unbedingt einen geistig fitten Eindruck,
allerdings schaffen sie eine rassistische, hetzerische Öffentlichkeit.Diese Hetze gilt es mit allen Mittel zu unterbinden. Wir können nicht
ruhig zuschauen, wie Menschen ihre Existenz, ihre Menschlichkeit
abgesprochen wird. Egal von wem und von wie vielen.
Lasst uns deshalb die Gefahr nicht unterschätzen und frühzeitig gegen
die rechten Aktivitäten in Fellbach vorgehen. Es darf kein Zeichen eines
rechten Aufbruchs im Rems-Murr-Kreis, Stuttgart oder anderswo geduldet
werden. Oder in den Worten von Ovid: „Wehre den Anfängen! Zu spät wird
die Medizin bereitet, wenn die Übel durch langes Zögern erstarkt sind.“Lasst uns die Medizin einer kranken Gesellschaft sein. Solidarität statt
Spaltung!
Den rechten Aufmarsch in Fellbach blockieren!
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