Karlsruhe. Ärgerlich für die Polizei und aus Sicht ihrer Gewerkschaft GdP gar ein „Schlag ins Gesicht“: Die Polizistenbeleidigung „ACAB“ als Abkürzung für „All Cops Are Bastards“ ist nicht immer strafbar. Sie ist es nur, wenn sie sich auf eine „hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe“ bezieht. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in zwei Fällen entschieden. Die Parole sei ansonsten von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Im ersten Fall ging es um den Schriftzug „ACAB“, den der Besucher eines Fußballspiels gut lesbar am Gesäß auf seiner schwarzen Hose trug. Nach dem Spiel ging er an einigen Bereitschaftspolizisten vorbei aus dem Stadion. Das Amtsgericht verurteilte den Fußballfan wegen Beleidigung nach § 185 des Strafgesetzbuchs zu einer Geldstrafe von 3000 Euro. Seine Berufung beim Landgericht und die Revision beim Oberlandesgericht München blieben erfolglos.
Im zweiten Fall ging es ebenfalls um ein Fußballspiel – allerdings mit direktem politischen Hintergrund. Es handelte sich um ein Zweitliga-Spiel des Karlsruher SC gegen den VfL Bochum im Oktober 2010. Ein Fan hielt gemeinsam mit anderen Transparente hoch. Auf einem stand „Stuttgart 21 – Polizeigewalt kann jeden treffen“, auf einem anderen „BFE ABSCHAFFEN“, wobei „BFE“ für die Beweis- und Festnahmeeinheiten der Polizei steht.
Der Fan trennte zusammen mit anderen vier Buchstaben aus diesem Transparent heraus. Sie hielten sie dann in der Formation „A C A B !“ hoch. Das Landgericht sprach den Fan der Beleidigung schuldig. Er sollte eine Geldbuße von 600 Euro zahlen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte die Strafe. Zuvor war ein Freispruch durch das Oberlandesgericht aufgehoben worden. Die erneute Revision blieb erfolglos.
Die beiden Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen diese Urteile. Es handle sich bei ihnen um eine Verletzung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Das sah auch das Bundesverfassungsgericht im Prinzip so (siehe Kollektivbeleidigung“ nur bei Bezug zu einer hinreichend überschaubaren und abgegrenzten Personengruppe. Die Parole „ACAB“ bringe eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handele sich um eine Meinungsäußerung im Sinn des Artikels 5 Grundgesetz.
Eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, könne zwar unter bestimmten Umständen ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein. Je größer das Kollektiv ist, desto schwächer könne aber die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden. Denn bei den Vorwürfen gegen das große Kollektive gehe es meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder.
Beim Vorfall mit der Parole „ACAB“ hinten auf der Hose fehle auch der Beweis, dass sich der Fan bewusst in die Nähe der Polizisten begab. Im anderen Fall hätten sich die Gerichte „nicht sachhaltig“ damit auseinandergesetzt, dass unmittelbar zuvor Kritik an den Beweis- und Festnahmeeinheiten (BFE) und an den Polizeieinsätzen bei Stuttgart 21 geäußert und damit eine in der Öffentlichkeit viel diskutierte Frage aufgenommen worden war. Der Begriff der Schmähung müsse eng definiert werden und erfasse nur Fälle, in denen es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.
Das Bundesverfassungsgericht hat damit seine früheren Maßstäbe zur sogenannten Kollektivbeleidigung bestätigt. 1995 hatte Karlsruhe entschieden, dass sich die herabsetzende Äußerung „Alle Soldaten sind Mörder“ auf alle Soldaten der Welt beziehe und deshalb nicht auf die persönliche Ehre des Individuums durchschlage.
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