Von unseren ReporterInnen – Göppingen. Ehemalige Mitglieder der inzwischen verbotenen ANGP (Autonome Nationalisten Göppingen), angeführt von Manuel R. M. und weiteren bekannten Personen aus dem Neonazi-Lager, traten unter dem Deckmantel der Partei Der III. Weg am Freitag, 1. Juli, mit einem Infotisch in der Göppinger Innenstadt auf. Es gab eine Gegenkundgebung. Die Polizei ging unangemessen hart gegen TeilnehmerInnen vor.
Es war am Vortag bei einer Gemeinderatssitzung publik geworden, dass Neonazis Göppingen einen Besuch abstatten wollten. Darüber informierte Oberbürgermeister Guido Till die Stadträte. Antifaschistische Kräfte mobilisierten daraufhin Protest in kürzester Zeit. Sie meldeten eine Gegenkundgebung in Sichtweite des Neonazi-Infotischs an.
Um kurz vor 12 Uhr trafen die ersten Neonazis im südlichen Bereich der Marktstraße ein und bauten ihren Infotisch mit Pavillon und Transparenten ungehindert auf. AntifaschistInnen sammelten sich erst kurzer Zeit später in einer kleinen Gruppe in etwa 20 Metern Entfernung im unmittelbaren Bereich der Kreissparkasse. Nach und nach gelangten weitere AntifaschistInnen zu der Gegenkundgebung, darunter auch Stadtrat Christian Stähle (Linke) und der Grünen-Landtagsabgeordnete Alexander Maier, um Präsenz gegen die Neonazis zu zeigen.
Rechte Parolen gegen AntifaschistInnen
Als die antifaschistische Gruppe auf zirka 20 Personen angewachsen war, postierten sich Polizeibeamte in einer Linie zwischen ihnen und den Neonazis. Besucher eines Lokals unweit der Gegenproteste schrien immer wieder zu den Antifaschisten „Ausländer raus“ und „Deutschland ist übersät mit Asylanten“. Eine weitere Person schrie sogar „Heil Hitler“, was zu einer Anzeige führte.
Nach diesen Provokationen versuchten einzelne AntifaschistInnen, zum Infostand der Neonazis vorzudringen. Es kam zu kurzen, vereinzelten Scharmützeln. Das nahmen die Beamten sofort zum Anlass, ihnen rabiat vorkommende Personen aus der Gegenkundgebung gezielt zu isolieren, um ihre Personalien festzustellen. Grund hierfür sahen die Beamten wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung.
Göppingen im Zwiespalt
Sichtlich erstaunt waren die Antifaschistinnen, als Stadtrat Christian Stähle (Linke) die Gegenproteste verärgert über die Vorkommnisse verließ. Als dann der Grünen-Abgeordnete Alexander Maier den Infostand der Rechten in Augenschein nahm und längere Gespräche mit ihnen begann, herrschte Unstimmigkeit über die richtige Reaktion. Ebenfalls am Rande der Gegenproteste beobachtete der Kreisvorsitzende der Linken Thomas Edtmaier die Gegenproteste.
Trotz der Vorkommnisse entschlossen sich die AntifaschistInnen zu einem immer lauter werdenden Gegenprotest mit Durchsagen via Megaphon. Als die Anhänger des III. Wegs um 14.20 Uhr den Platz räumten, begleiteten AntifaschistInnen den kleinen verbliebenen Haufen Rechter lautstark und im Spalier abgeschirmt von Beamten über den Spitalplatz zu ihrem Fahrzeug. Ersichtlich genervt von der angespannten Situation, fiel es den Rechten schwer, mit dem KFZ aus einer Parklücke den weiteren Weg anzutreten.
Showdown in der Marktstraße
Nach der Abfahrt der Rechten gingen die mitgelaufenen AntifaschistInnen zurück zum Kundgebungsort. Im Bereich Kochlöffel–Mayer Backwaren kam es zu Wortgefechten. Nichtbeteiligte Antifaschisten wurden ohne Grund oder Vorwarnung von Beamten brutal zu Boden gebracht. Hierbei schlug eine Person mit dem Hinterkopf stark am Boden auf.
Etwas weiter erstellte ein Pärchen, das sich zuvor über eine Stunde am Infostand der Rechten aufgehalten hatte, Fotos von den AntifaschistInnen. Kurz darauf isolierten Beamte eine nichtbeteiligte Person. Bei dieser Festnahme gingen die Beamten so rabiat vor, das dem Betroffenen die Luft wegblieb. Ein Polizist hielt dem Festgenommenen mit beiden Händen gezielt Nase und Mund zu. Seine Nase blutete, und er erlitt Druck- und Schürfwunden im Gesicht, als er weggeschleift wurde.
Während der Dokumentation dieser Festnahme griff ein Polizist mehrfach nach der Kamera des Chefredakteurs der Beobachter News. Weitere Polizeibeamte versuchten ihn daran zu hindern, Bildmaterial von dem Vorfall anzufertigen. Ein weitere Fotojournalist unseres Magazins wurde bei seiner Arbeit von Beamten ebenfalls behindert.
Presseerklärung Stadtrat C. Stähle (DIE LINKE)
Kommentar der Redaktion: Spaltung statt Deeskalation
Während der Aktion des III. Wegs führten vereinzelte Vorfälle zu vorrübergehenden Festnahmen und der Aufnahme von Personalien von Nazi-GegnerInnen. Stadtrat Christian Stähle von der Linken entfernte sich von der Kundgebung. Er hätte besser weiter Präsenz gezeigt und versuchen können, zwischen Beamten und den Protestierenden zu vermitteln. Er als Stadtrat und „alter Hase“, wie er sich auch immer gern selbst bei Demonstrationen nennt, verfügt über genügend Erfahrungen damit, aufgebrachte Gemüter in angespannten Situationen zu beruhigen.
Stattdessen zog er es vor, zu gehen und sich später in einer Pressemitteilung mitzuteilen. Das zeigt, wie gespalten die antifaschistische Szene in Göppingen ist, und spielt den Neonazis nur in die Hände. Stähles Genosse, der Kreisvorsitzende der Göppinger Linken Thomas Edtmaier, hielt es eher für geboten, die Vorkommnisse bis zum Ende zu begleiten.
Der Einsatzleiter der Polizei sollte sich über das rabiate Vorgehen einzelner Beamte ebenfalls Gedanken machen. In der zeitweise aufgebrachten Stimmung trug das brutale Vorgehen einzelner Beamter eher zur Eskalation bei. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich junge DemonstrantInnen manchmal etwas respektlos oder frech gegenüber Beamten verhalten. Das rechtfertigt keine Überreaktionen – und schon gar nicht eine Festnahme, bei der einem Demonstranten die Luftzufuhr unterbunden wird. Das ist eine absolute Ungeheuerlichkeit! Statt den Einsatz deeskalierend zu führen, entschied sich die Polizei zu teilweise brutalen Festnahmen – ein schwaches Bild.
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