Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Zum 2. Mal rief die Initiative „Fellbach wehrt sich“ für Freitagabend, 22. Juli, zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz in Fellbach auf. Über 300 Menschen protestierten. So blieb die Kundgebung von Rassisten, NationalistInnen und IslamhasserInnen völlig isoliert. Polizeibeamte unterbanden Zusammenstöße zwischen einzelnen Teilnehmern der Kundgebung und Protestierenden zumeist, indem sie gegen GegendemonstrantInnen vorgingen.
29 Menschen waren dem Aufruf der Initiative „Fellbach wehrt sich“ gefolgt und hatten es bis auf den Marktplatz geschafft. Gut zweieinhalb Stunden lang versuchten RednerInnen auf der Kundgebung, sich trotz des lautstarken Protest um sie herum Gehör zu verschaffen. Dabei wiederholten sie hauptsächlich Behauptungen, die sich gegen ein krude konstruiertes Bild „des Islam“ richteten. So etwa, dass „der Islam“ nicht zu Deutschland gehöre oder „im Islam“ Ungläubigen der Kopf abgehackt werde.
Zeitgleich wurden an dem Tag Meldungen über den Terrorangriff in München bekannt. Trotz seines rassistischen Hintergrunds – der in Deutschland geborene Täter verehrte den norwegischen Attentäter Anders Breivik – wurde er von den RednerInnen als eindeutig islamischer Terror und Angriff auf die deutsche Kultur definiert. Ungeachtet des kulturellen Hintergrunds und der Herkunft der Getöteten aus München unterlag die Definition von dem, was „der Islam“ sein soll, allein der Willkür der jeweiligen RednerIn.
Vermengung von Lügen und Verallgemeinerungen
Auffallend bei den Reden war die Vermengung von Tatsachen, Lügen und Verallgemeinerungen. Beispielhaft dafür war eine RednerIn, die sich als Assyrerin aus dem Nord-Irak vorstellte und zunächst von dortigen Verfolgungen von Christen sprach. Tatsächlich wurden von Anhängern des Islamischen Staats Häuser dortiger Christen mit einem großen „N“ gekennzeichnet, um Verfolgungen zu organisieren. Die RednerIn behauptete dann weiter, dass es eine solche Verfolgung ausnahmslos auch in deutschen Flüchtlingsunterkünften gäbe und von allen nicht-christlichen Flüchtlingen praktiziert würde.
Mit einem Infostand auf dem Kirchplatz und Reden am Blockadepunkt Cannstatter Straße/Ecke Kirchhofstraße informierten vor allem junge GegendemonstrantInnen über rassistische Strukturen in Baden-Württemberg. In der Rede vom Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart & Region (AABS) hieß es: „So kann es schon einmal vorkommen, dass sich ein Herr Kretschmann ganz gegen das weltoffene Gebaren seiner Partei richtet und kurzum das Asylgesetz verschärft und Länder wie Serbien zu ’sicheren Herkunftsstaaten‘ erklärt und damit Tausenden das Recht auf Asyl verwehrt.“ Viele der PassantInnen blieben für längere Zeit stehen, um das Geschehen zu verfolgen.
Polizei eskortiert Rechte beim Abzug
Um Viertel vor zehn verließen ein Dutzend TeilnehmerInnen der rechten Kundgebung den Marktplatz. Sie wurden von Polizeibeamten geschützt und oberhalb des Blockadepunktes Cannstatter Straße Ecke Seestraße zur U-Bahnstation geleitet.
Während die GegendemonstrantInnen zu einer Spontandemostration in Richtung der S-Bahn Station Fellbach aufbrachen, begleiteten Polizeibeamte weitere acht Personen in Richtung Polizeirevier Fellbach. Gegen 22 Uhr verließen die restlichen Personen, darunter der Anmelder, von zwei Polizeifahrzeugen eskortiert im Kundgebungsfahrzeug den Marktplatz in Richtung Cannstatter Platz.
Wir dokumentieren nachstehend den vollständigen Redebeitrag des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart & Region (AABS):
Liebe Fellbacherinnen und Fellbacher!
Man fragt sich zurecht „Was ist denn da schon wieder los – Mitten in Fellbach?“.
Eine kleine Gruppe um den sichtlich verwirrten Michael Stecher namens „Fellbach wehrt sich“ steht nun schon zum zweiten mal auf der Straße und verbreitet krude Theorien und unverhohlene Hetze im idyllischen Städtchen Fellbach.
Hätte man solche Gestalten vor drei Jahren auf der Straße gesehen, hätte man sie mit Sicherheit noch eher ausgelacht oder veräppelt.
Doch leider hat sich in den letzten drei Jahren so viel zum Negativen verändert, dass eine solche Reaktion, die uns auch mehr Spaß machen würde, keine Option mehr darstellt, sondern auch eine solche Ansammlung rechter Spinner das Potenzial einer echten Gefahr in sich birgt.
Warum? Niemandem kann entgangen sein, dass das politische Klima in Deutschland verändert hat und ein starker Wind von Rechts weht. Im Jahr 2015 wurden alleine in Baden-Württemberg 17 Anschläge auf Unterkünfte von geflüchteten Menschen verübt. In ganz Deutschland waren es sogar 222. 93 davon waren Brandanschläge.
Diese Zahlen lassen einen Schaudern und zeigt wohin rechte Hetze in letzter Konsequenz führt.
Diese erschreckende Zahl von Angriffen entstand nicht in luftleeren Raum sondern wurde ermöglicht und wortwörtlich befeuert von rassistischen und reaktionären Hetzern, die sich in den letzten Jahren gesammelt, gebündelt und neu organisiert haben.
Man siehe sich nur die großen Demos von „Pegida“ an, die bundesweit Rechtskonservative, Hooligans und militante Neonazis Schulter an Schulter mit „besorgten Bürgern“ demonstrieren ließen.
Oder die sogenannte „Alternative für Deutschland“, die es geschafft hat, sich vom etwas rechteren FDP-Abklatsch hin zur neuen, bestimmenden rechtspopulistischen Kraft zu entwickeln, wie sie in anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise Frankreich, Ungarn, Österreich und den Niederlanden schon lange existiert.
Als Sammelbecken für alle, denen die die CDU zu lasch geworden ist oder die NPD zu wenig Erfolgschancen bietet, stehen in der AfD die Tore offen und und im bürgerlichen Deckmantel, der „Besorgten Bürger“ kann wieder unverhohlen gegen Geflüchtete, gegen Migrantinnen und Migranten, gegen Homosexuelle und ganze Religionsgruppen mobil gemacht werden.
Was wir im Moment erleben und was viele Menschen wie Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten nicht nur erleben sondern direkt fürchten müssen ist ein gewaltiger Ruck nach Rechts der gesamten politischen Landschaft der BRD.
Auch die sogenannten Volksparteien, wie die CDU, die SPD und auch die Grünen stimmen fleißig mit ein in den rechten Chor, wenn auch in anderen Stimmlagen und anders verpackt.
So kann es schon ein mal vorkommen, dass sich ein Herr Kretschmann, ganz gegen das weltoffene Gebaren seiner Partei richtet und kurzum das Asylgesetz verschärft und Länder wie Serbien zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt und damit Tausenden das Recht auf Asyl verwehrt. Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Herkunft massiv verfolgt oder gelyncht werden.
Und das alles nur, um eine breite Wählerschaft nicht weiterhin an die rechten Rattenfänger zu verlieren. Eine Wählerschaft, die tatsächlich etwas zu verlieren hat und in Zeiten der Krise um ihren relativen Wohlstand bangen muss. Eine Wählerschaft, der dann schnell Schuldige für die eigenen Abstiegsängste, wie Geflüchtete präsentiert werden.
Doch so einfach und personifizierbar ist es leider nicht. Die Ursache für die Flüchtlingsströme, wie für die immer weiter um sich greifende Armut in Europa, liegt tiefer.
Sie ist Ausdruck eines Systems, das auf Ausbeutung der Einen durch die Anderen beruht und fürs weiter schreiben von schwarzen Zahlen auf der ganzen Welt Kriege führt oder andere Länder kaputt spart.
Nennen wir die Dinge beim Namen: Schuld hat nicht der oder die neben, oder sogar unter dir; Schuld an der immer schlechter werdenden Situation haben die über uns!
Daher stehen wir zusammen gegen rechte Spalter und Hetzer, wie die von „Fellbach wehrt sich“ und setzen dem Irrsinn eine grenzenlose Solidarität und grenzenlosen Widerstand entgegen!
Hoch die Internationale Solidarität!
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