Von Pejo Berber – Berlin. „Berlin Nazifrei“ und das „Berliner Bündnis gegen Rechts“ hatten unter dem Motto „Für eine solidarische Gesellschaft – Gegen rechte Hetze“ zum Protest aufgerufen, gegen den nun dritten nationalen Aufmarsch von Rechten und Neonazis in ihrer Stadt. Sie schlossen sich mit dem zeitgleich stattfindenden „Zug der Liebe“ zusammen. Fortschrittliche Veranstalter, Musikanten, Medienschaffende und Fans wollten ein Zeichen setzen für alles, was den rechten Ewiggestrigen verhasst ist. Sie hatten beschlossen, gegen die Hetze und Aufspaltung der Gesellschaft, gegen reaktionären Nationalismus und Neoliberalismus für die Liebe, für Offenheit und Frieden durch die Straßen zu ziehen. „Für ein tolerantes Zusammenleben ohne Rassismus und Rechtsextremismus“ und „für eine offene Gesellschaft ohne Armut und Diskriminierung“, hieß es im Aufruf, dem am 30. Juli rund 20 000 Menschen folgten.
Tausende versammeln sich um die Mittagszeit auf der Karl-Marx-Allee. Traumhaftes Wetter. Vorne der Wagen von „Berlin Nazifrei“ mit vielen antifaschistischen Plakaten und politischen Fahnen. Dann an die 30 Motiv- und Musikwagen der verschiedensten kulturellen und sozialen Gruppierungen. „Berlin Nazifrei“ marschiert mit etwa 2000 Menschen – vor allem Antifaschisten, Linke, Gewerkschafter, engagierte Demokraten und Kulturschaffende – voran.
Dahinter eine bunte Mischung unterschiedlichster Menschen. Auffällig viele Junge. Kreativ, offen und bunt. Fantasievoll gekleidet. Sie halten Plakate mit diversen Liebesbotschaften hoch und sprechen sich gegen jede Form von Diskriminierung und für die Anerkennung unterschiedlichster Lebensweisen aus. Vor vielen Wagen finden vor Abmarsch kleine Kundgebungen statt. Dann setzt sich auch der „Zug der Liebe“ – mit einiger Verspätung – in Bewegung. „Zehntausende Demonstranten tanzten zu wummernden Bässen und elektronischen Beats“, schrieb die Berliner Zeitung. Auch eine Gruppe der IG Metall Jugend Berlin raven hinter einem der Wagen mit.
Fröhlich und weltoffen feiern, aber nicht „ geil auf Konsum “ oder gar „unpolitisch“
Die meisten Wagen trugen klare politische Parolen. Gegen neoliberale Kälte, Hass und kriegerische Gewalt wird sinnbildlich demonstriert. Es wird gefragt: „Nützt es dem Menschen ? – Nützt es dem Frieden? – Nützt es der Umwelt?“.
Auffällig viele friedenspolitische Botschaften wie zum Beispiel „Waffenexporte stoppen“, „Stoppt den Drohnenkrieg“, „Wir ziehen nicht in Euren Krieg“. Gegen Kapital und Neoliberalismus: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“, „Lohnsklaverei stoppen“, „Miethaie enteignen“. Und gegen die gesellschaftliche Spaltung heißt es: „Tanzt für Toleranz und Liebe“, „Fuck AfD“, „Love Music, Hate Rascism“. Auf die Frage wem die Politiker gehören, folgt die Antwort auf einem Plakat: „Zieht den Politikern Sponsorenjäckchen an, damit wir wissen, wem sie gehören“.
Rechtsextreme marschieren unter Polizeischutz im fast menschenleeren Raum
Der voraus marschierende antifaschistische Zug biegt in der Holzmarktstraße ab und zieht am Roten Rathaus vorbei nach Berlin Mitte, um sich dem rechten Aufmarsch entgegenzustellen.
Zahlreiche rechtsextreme Organisationen und Gruppierungen hatten bundesweit mobilisiert. Darunter die „Identitäre Bewegung“, die Partei „Der III. Weg“ und rechte Hooligans. Trotzdem bringen sie nach Polizeiangaben maximal 1350 Mitläufer auf die Straße. Weitaus weniger als angekündigt und nochmals weniger als das letzte Mal. Unverfroren wird offen der Hitlergruß gezeigt. Am ARD Hauptstadtstudio schallen ihnen die Rufe der GegendemonstrantInnen entgegen: „Aufstehen gegen Faschisten, Rassisten und Hetzern, gegen Andersdenkende und Fremde“. Die Route der Rechtsextremen wird durch ein massives Polizeiaufgebot mit systematischen Absperrungen abgesichert.
Der „Zug der Liebe“ wächst inzwischen eindrucksvoll auf etwa 20 000 Teilnehmer an. Ziel der DomonstrantInnen ist Berlin Kreuzberg. Nach einer Abschlusskundgebung wird dort bis spät in die Nacht gefeiert und „Weltoffenheit“ gelebt.
Fazit/Kommentar
Sich mit dem „Zug der Liebe“ zusammenzuschließen war eine gute Idee und ein Beitrag, um den Kampf gegen die Spaltung in unserer Gesellschaft zu verbreitern und weitere sozial und künstlerisch engagierte und die Freiheit dieser Stadt liebende Menschen mit einzubeziehen. Die Menschen zeigten am Tag des Aufmarschs den Rechtsextremen ein breites antifaschistisches, weltoffenes, internationalistisches Gesicht Berlins.
Allerdings wurde nicht ausreichend mobilisiert. Unwahrscheinlich, dass hierfür hauptsächlich die Urlaubszeit ausschlaggebend war. Einige aus dem linken antifaschistischen Lager scheinen ziemlich vom heraufziehenden Wahlkampf in Berlin absorbiert zu werden. Kurz vor Veranstaltungsbeginn wurde zudem von der Polizei der Treffpunkt vom Alexanderplatz zur Karl-Marx-Allee verlegt. Da hierzu keine ausreichende Information erfolgte, standen viele Teilnehmer der antifaschistischen Aktionseinheit auf dem Alexanderplatz vollkommen desorientiert herum. Hunderte fuhren unverrichteter Dinge wieder weg. Auch über die Verzögerungen durch die Polizei beim Abmarsch von der Karl-Marx-Allee hätte offensiver aufgeklärt werden müssen. Nichts desto trotz. Dank an alle von „Berlin Nazifrei“ und an die Organisatoren vom „Zug der Liebe“. Wir alle sind gefordert, dass es beim nächsten Mal besser läuft.
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