Von Anne Hilger – Stuttgart. Erwartet wurden bis zu 1000 TeilnehmerInnen. Doch es kamen am Samstag, 13. August, nur etwa halb so viele Männer, Frauen und Kinder nach Stuttgart, um für Frieden in Kurdistan und für die Freiheit Abdullah Öcalans zu demonstrieren. Es gab keine Zwischenfälle. Die Stimmung war vor dem Hintergrund der Lage In der Türkei nach dem Militärputsch jedoch angespannt. Viele sorgen sich um das Schicksal des seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali festgehaltenen kurdischen Politikers.
Vom Lautsprecherwagen aus wurde immer wieder auf deutsch und kurdisch dazu aufgerufen, nicht auf mögliche Provokationen von außen einzugehen. Doch es wurden keine türkischen Nationalisten gesichtet. Die mit starken Einsatzkräften vertretene Polizei verfolgte jedoch aufmerksam, ob womöglich verbotene Parolen gerufen oder Kennzeichen der PKK und verwandter Organisationen benutzt werden. Nach der Schlusskundgebung auf dem Schlossplatz nahmen die Beamten mit diesem Vorwurf sechs Personen vorübergehend fest, um ihre Personalien festzustellen.
Demo unter starker Polizeibegleitung
Zu der Demonstration hatte das Demokratische Kurdische Gesellschaftszentrum NAV-DEM aufgerufen. Der Sammelpunkt war in der Lautenschlager Straße neben Manufactum. Nach einer auf Kurdisch gehaltenen Ansprache setzte sich der Demozug durch die am Einkaufssamstag stark belebte Innenstadt in Bewegung. Zwei Polizeifahrzeuge fuhren voraus, dann kamen der Lautsprecherwagen und das Fronttransparent. Die aufgedruckte Forderung: „Schluss mit der Isolationshaft- Freiheit für Öcalan.“
Der Zug führte durch die Bolzstraße, die Theodor-Heuss-Straße und die Kienestraße zur Kronprinzstraße. Vor dem Ochs’n Willi ging es nach rechts auf die Königstraße und zum Schlossplatz. „Liebe Genossen, liebe Mitmenschen, seit dem Putsch ist die kurdische Bevölkerung sehr besorgt“, begann die Ansprache vom Lautsprecherwagen aus. Die türkischen Behörden verweigerten jeden Besuch bei Abdullah Öcalan – dem „einzigen Partner für friedliche Verhandlungen“. Die Demo-Teilnehmer forderten Zugang zu Öcalan für Angehörige und Anwälte.
Ohne Öcalan kein Friedensprozess
Der Konflikt zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Freiheitsbewegung habe bereits 40 000 Menschenleben gekostet, heißt es in einem Flyer der Initiative „Freiheit für Öcalan – Frieden in Kurdistan“. 4500 Dörfer seien entvölkert und Millionen von Menschen zu Flüchtlingen geworden. „Ein Friedensprozess bracht bekanntlich starke Persönlichkeiten, die in der Lage sind, ihre Gemeinschaften zu überzeugen, eine Konfliktlösung auf friedlichem Weg anzustreben“, begründen die Initiatoren ihre Forderung nach Freilassung Öcalans. Er sei unverzichtbar und eine Schlüsselfigur. Hinter ihm stehe die große Mehrheit der Kurden.
Die Polizei stoppte den Demozug mehrmals und verlangte vom Versammlungsleiter, das Rufen verbotener Parolen zu unterbinden. Dabei handele es sich insbesondere um Werbeaufrufe für die als Terrororganisation eingestufte PKK, erklärte uns der Einsatzleiter. Die Einschränkungen seien Teil der Demo-Auflagen, aber auch bereits gesetzlich festgelegt.
Sechs Demoteilnehmer zur Feststellung der Personalien festgenommen
Da die Polizei die friedliche Demonstration ziehen lassen wollte, verlegte sie sich offenbar auf eine andere Strategie: das Geschehen minutiös per Video festzuhalten, um einzelne Demoteilnehmer nach der Schlusskundgebung vorübergehend festzunehmen. Die Parole „Öcalan“ mit anschließendem Beifall dürfte jedoch ebenso wenig verboten sein wie „Erdogan – Terrorist“.
Nach der Schlusskundgebung wurde auf dem Schlossplatz in einem großen Kreis zu kurdischer Musik getanzt, ehe sich die Versammlung allmählich auflöste. Bei der Feststellung von Personalien gab es kleinere Reibereien. Polizisten weigerten sich, Festgenommenen ihren Namen und ihre Dienststelle oder ihre Dienstnummer zu nennen.
Presserecht offensichtlich ein Fremdwort
Ein Beamter verlangte vom Chefredakteur der Beobachter News, das Fotografieren einzustellen – eine Forderung, für die es keine Rechtsgrundlage gibt. „Kommen sie mit“, befahl der Polizist, als unser Fotograf das Geschehen weiter dokumentierte. Unserer Bitte, den Einsatzleiter oder einen anderen Vorgesetzten zu rufen, folgte der Beamte nicht. Er beharrte aber auch nicht auf seiner Forderung.
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