Stuttgart. Vor dem Stuttgarter Amtsgericht in der Hauffstraße 5 findet am Mittwoch, 24. August, um 14 Uhr eine Verhandlung statt, die Fragen über das Recht der Meinungsfreiheit bis zu den Toren der US-Stützpunkte in Deutschland aufwirft. Die deutsch-amerikanische Friedensaktivistin und US-Bürgerin Elsa Rassbach will das Amtsgericht bitten, die Rechtmäßigkeit eines Platzverweises zu überprüfen, der ihr im April 2016 vor dem US-Stützpunkt Kelley Barracks in Stuttgart-Möhringen erteilt wurde (wir berichteten). Sie hat zudem beim Polizeipräsidium Stuttgart Widerspruch gegen die Anordnung des Platzverweises eingelegt.
Am frühen Morgen des 19. April lief Frau Rassbach bis kurz vor dem Tor der Kelley Barracks, dem Sitz des US-Afrika-Kommandos (AFRICOM). Sie fragte dort den alleine stehenden US-Militärpolizisten wie sie einen Offenen Brief von US-Bürgern und -Bürgerinnen, der die US-Drohnen-Tötungen kritisiert, an General Rodriguez, dem damaligen Kommandeur von AFRICOM, übergeben könnte. Rassbach sagt, sie habe im Gespräch mit dem US- Militärpolizisten nur kurz erwähnt, dass viele Kinder durch die illegalen US-Drohnen-Anschläge getötet werden, die teilweise von AFRICOM in Stuttgart aus dirigiert werden. AFRICOM ist für alle US-Militäreinsätze in Afrika zuständig, darunter für die US-Drohnen-Basen in Djibouti, Ethiopian, Burkina Faso, Südsudan, Uganda, Kenya, und Seychelles. Die US-Drohnen-Basen in Afrika werden auch für die Drohnen-Attentaten in Jemen eingesetzt.
Handschellen für Kriegsgegnerin
In ihrem Widerspruch vom 16. August 2016 schrieb Rassbach dem Polizeipräsidium: „Während meines kurzen Gesprächs mit dem US-Militärpolizisten war ich höflich und habe nicht versucht, die US-Basis zu betreten. Zu meiner Überraschung legte der US-Militärpolizist mir Handschellen an. Ich leistete dagegen keinen Widerstand. Das Benehmen des US-Militärpolizisten war jedoch unverhältnismäßig und beinhaltete eine Freiheitsberaubung ohne Grund. Sicherlich kommen sehr oft Menschen zum Tor vor den Kelley Barracks und fragen den Militärpolizisten dort dies und jenes. Es gibt keinen Schild oder anderen Hinweis, dass man dort nicht laufen darf. Ich hatte kein Verbrechen begangen und hatte nicht vor, die Kelley Barracks zu betreten.”
Der US-Militärpolizist soll zwei nahestehende deutsche Polizisten hinzugerufen haben. Der US-Militärpolizist habe dann versucht sich den deutschen Polizisten gegenüber durch die Behauptung zu rechtfertigen, Frau Rassbach habe keinen Ausweis dabei. Dieser Vorgang wurde auf einem Video festgehalten. Der Mitschnitt liegt der Friedensaktivistin vor. Nachdem Rassbach die Handschellen abgenommen wurden, habe sie in ihre Handtasche greifen können, um sich sofort durch ihren US-Reisepass mit Niederlassungserlaubnis in Deutschland auszuweisen.
Platzverweis ohne Begründung
Rassbach gibt an, sie sei anschließend friedlich mit den zwei deutschen Polizisten zum Straßenrand auf der Plieninger Straße gelaufen. „Plötzlich erteilte einer der Polizisten mir einen mündlichen Platzverweis; er sagte mir, dass ich 100 Meter weiter auf dem Bürgersteig laufen müsste”, schreibt Rassbach in ihrem Brief ans Polizeipräsidium. „Der Platzverweis war unangemessen, weil ich überhaupt keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung war. Ich habe dann gesagt, dass ich den Offenen Brief General Rodriguez noch zukommen lassen möchte“. Daraufhin habe man Rassbach zum Polizeirevier gebracht. „Ich habe keinen Anlass für den Platzverweis gegeben“, so Rassbach, „und der Polizist hat mir auch keine Begründung für den Platzverweis mitgeteilt“.
Was ist dem US-Militärpersonal auf deutschem Boden erlaubt?
„Für mich wirft der Fall beim Amtsgericht Stuttgart einige wichtige Fragen auf“, erklärt Rassbach. „Zum Beispiel, welches Recht auf freie Meinungsäußerung haben Zivilisten bis zu den Toren der US-Stützpunkte in Deutschland? Darf das US-Militärpersonal auch außerhalb der Tore der US-Stützpunkte Gewalt gegen Zivilisten anwenden? Wenn ja, unter welchen Umständen? Welche Zuständigkeiten haben die deutschen Behörden in, um und um die US-Militärstützpunkte herum? Wieso erlauben die deutschen Behörden die Vorbereitung der illegalen Tätigkeiten der US-Regierung – wie zum Beispiel die Drohnen-Attentate – auf deutschem Boden?“
Wer ist Elsa Rassbach?
Elsa Rassbach, eine in Berlin lebende Rentnerin, freiberufliche Journalistin und Filmemacherin, ist seit den 1960er-Jahren in der US- und deutschen Friedensbewegung aktiv. Sie ist Mitglied in der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigten KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und in Attac, Mitbegründerin der deutschen Drohnen-Kampagne und im Koordinierungskreis der Ramstein-Kampagne, die eine Demo mit über 5000 TeilnehmerInnen vor der US-Basis Ramstein Air Base im Juni 2016 organisiert hat und weitere Aktionen für 2017 plant. Rassbach ist auch Sprecherin in Deutschland für die US-Friedensorganisationen CODEPINK, Frauen für den Frieden, und die United National Antiwar Coalition (UNAC).
Offener Brief der US-Friedensorganisationen, den Rassbach am 19. April übergeben wollte:
http://news.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Offener_Brief_Angela_Merkel.pdf
Originalfassung des Briefes:
http://news.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Open_Letter_to_Angela_Merkel_engl.pdf
Siehe auch „Ziviler Ungehorsam gegen Drohnenkrieg“
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