Von Meide Wolt – Stuttgart. AktivistInnen aus den Stuttgarter Mieterinitiativen versammelten sich am Montag, 22. August, vor den Gebäuden der SWSG in der Dessauer Straße. Sie protestierten dagegen, dass Geflüchtete aus ihren Wohnungen verdrängt und über 50 weiter nutzbare Wohnungen in Stuttgart-Hallschlag abgerissen werden.
Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) steht seit längerem in der Kritik. Der Vorwurf: Sie reiße preisgünstige Wohnungen mit guter Bausubstanz ab, um profitträchtigere Neubauten hochziehen zu können. Vor dem Kundencenter der SWSG hatte es bereits im Mai Proteste gegeben (wir berichteten).
Bleiberecht für Flüchtlinge und Altmieter gefordert
Die Mieterinitiativen befürchten, dass der Mietpreis der neuen Wohnungen von einer Kaltmiete von 5,50 Euro bis 8,45 Euro auf über 11 Euro steigen könnte. Außerdem rechnen sie damit, dass auch Häuser in der Düsseldorfer Straße und Auf der Steig abgerissen werden sollen. Sie fordern ein Bleiberecht für Flüchtlinge und Altmieter, ebenso, die leerstehenden Wohnungen in der Dessauer/Lübecker Straße sofort zu vermieten und nötige Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. So schlagen sie vor, dass die Fassaden neu gestrichen werden.
Beim Umzug halfen einige deutsche FlüchtlingshelferInnen mit. Eine von ihnen äußerte ihren Unmut darüber, dass die anwesenden AktivistInnen nicht auch mit anpackten. Umgekehrt formulierte mindestens einer der Aktivisten sein Unbehagen darüber, wie man bei der Verdrängung von Geflüchteten noch mithelfen könne, statt dagegen zu demonstrieren. Die vom Umzug Betroffenen nahmen selbst nicht am Protest teil. Es gab auch keinen Austausch und keine Aussprache zwischen den AktivistInnen und den Geflüchteten. Die verteilten Flyer waren in Deutsch verfasst.
Die Wohnraumzerstörung geht weiter
Vor einem halben Jahr hatte die SWSG im Hallschlag bereits die Häuser der Lübecker Straße 2 bis 10 abgerissen. Jetzt sollen auch die Lübecker Straße 5, 7 und 9 , sowie zum Abriss vorbereitet werden, ebenso die Häuser in der Dessauer Straße 1, 5 und 9 . Nachdem den MieterInnen in der Dessauer Straße gekündigt wurde, leben dort seit Monaten Familien, die zuvor auf der Flucht waren.
Der Wiedereinzug der Geflüchteten wurde von der SWSG gestattet, da die Eigentumsrechte an dem Gelände noch ungeklärt waren und die Stadtverwaltung schlagartig auf der Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten war. Am 22. August sollten 80 Menschen in Systembauten in der Nähe umziehen. Zu Fuß. Ihre Kleidung werden von einer Spedition transportiert. Die Möbel müssen sie auf den Müll schmeißen, die passen nicht in die Zimmer von 4,5 Quadratmeter pro Person. An diesem Montag war auch gleich Sperrmüll im Hallschlag angemeldet.
Der Flyer der Mieterinitiative im Wortlaut:
Mieter/Bürgerinitiative Hallschlag
Nein zum Abriss der Häuser Dessauer/Lübecker Straße
Protestaktion anlässlich des Zwangsumzugs der Flüchtlinge
Montag 22. August 2016 ab 8 Uhr Ecke Rostocker/Dessauer Straße
Vor über einem halben Jahr hat die SWSG die Häuser Lübecker Str. 2 – 10
abgerissen. Bis heute ist dort eine Brache. Nun soll der Abriss der Häuser
Lübecker Str. 5, 7, 9, Dessauer Str. 1, 5, 9 folgen. Mit dem Abriss der
Laubengänge gehen 123 Wohnungen mit Mieten von 5,50 Euro bis maximal
8,45 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter verloren. Selbst die 51 neuen
Sozialwohnungen werden mit 7,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter teuerer
sein als die meisten frei finanzierten Altbauwohnungen. Die nicht geförderten
Neubauwohnungen werden mindestens 11 Euro Kaltmiete kosten. Hinzu kommt für jede Wohnung ein verpflichtender Tiefgaragenplatz für 55 Euro im Monat.
Zwangsumzug der Flüchtlinge – Druck auf Altmieter
20 Wohnungen stehen in den Laubengängen der Dessauer Straße trotz
Wohnungsnot schon lange leer. Ein Teil der Wohnungen wurde für ein Jahr mit Flüchtlingen belegt. SWSG und Stadt Stuttgart haben nun angeordnet, dass die Flüchtlinge aus der Dessauer/Lübecker Straße am 22.8. in Systembauten in der Quellenstraße bei Mahle zu Fuß umziehen müssen. Nur ihre Kleidung und wichtigsten persönlichen Sachen werden umgezogen. Die ganzen übrigen gekauften und gespendeten Einrichtungsgegenstände sollen auf den Müll.
Die Unterbringung in den Systembauten in der Quellenstraße bedeutet: nur
Gemeinschaftsküchen, -Toiletten und –Duschen , schlechte Infrastrukur, isoliert im Industriegebiet. In einer Wohnung in der Dessauer Straße wohnen noch Altmieter, die nun von der SWSG massiv unter Druck gesetzt werden, um für den Abriss auszuziehen.
Heute die Dessauer und Lübecker Straße, morgen die Düsseldorfer Straße
und Auf der Steig und übermorgen Dessauer Straße und Am
Römerkastell?
Anfang August wurden Bodenproben und Vermessungen um Altbauwohnungen in der Düsseldorfer Straße und Auf der Steig vorgenommen. Daraus schließen wir, dass diese Altbauten die nächsten Abrissopfer sein sollen. Und auch danach wird es weitergehen. Denn ein Drittel aller Wohnungen, die 2007 im Hallschlag vorhanden waren, sollen durch teuere Neubauten ersetzt werden.
Eine 93 Quadratmeter große Wohnung in den Neubauten Auf der Steig kostet warm mit Tiefgaragenplatz 1.250 Euro Monatsmiete. Und alle drei Jahre will die SWSG die Mieten um bis zu 10% erhöhen. Die SWSG wird früher oder später wieder versuchen den Hallschlag als beste Wohnlage einzustufen – mit Konsequenzen für alle hier lebende Mieter. Der frühere SPD-Baubürgermeister Matthias Hahn hat vor Beginn der „Aufwertung“ des Hallschlags gesagt: „Eigentlich ist der Hallschlag ja eine bevorzugte Wohnlage“. Wir wollen aber keinen weiteren Killesberg, sondern Stadtteile, in denen Normal- und Geringverdiener, RentnerInnen und sozial Benachteiligte zu bezahlbaren Mieten leben können. Die zu 100% städtische SWSG muss aufhören, sich als Immobilienspekulant und Profithai zu betätigen. Die SWSG gehört der tuttgarter Bevölkerung und muss in ihrem Interesse handeln. Mit unserer Protestaktion wollen wir ein Zeichen setzen gegen den Abrisswahn und Widerstand aufbauen gegen weitere Abrisse.
- Nein zur Zwangsumquartierung der Flüchtlinge in die Quellenstraße
- Bleiberecht für Flüchtlinge und Altmieter
- Sofortige Vermietung der leerstehenden Wohnungen in der
Dessauer/Lübecker Straße und Durchführung nötiger
Instandhaltungsmaßnahmen (z.B. Anstrich der Fassade) - Bezahlbaren Wohnraum erhalten statt abreißen
Folge uns!