Von Tape Lago – Walldorf. Sie sind jung, engagiert und grundsätzlich gegen Rassismus und Fremdfeindlichkeit: Eine Gruppe von SchülerInnen der Theodor-Heuss-Realschule in Walldorf gründete im April dieses Jahres eine Gesangsgruppe, um Geflüchtete zu unterstützen und ihnen eine Stimme zu geben. Ihr Vorbild: Irie Révoltés, die antifaschistische Musikband aus Heidelberg. Wir haben die Gruppe vor kurzem in ihrer Schule besucht.
Entdeckt hatten wir sie in Frankfurt. Beim 11. Afrikanischen Kulturfestival (wir berichteten) trat „Irie Kids and Refugees“ am Samstag, 18. Juni, gemeinsam mit Irie Révoltés auf. Die Idee, eine Gesangsgruppe zu gründen, kam von Alain Charlemoine. Sie besteht aus sieben SchülerInnen und vier Geflüchteten. Neben seiner Aufgabe an der Schule als Schulsozialpädagoge ist Charlemoine auch verantwortlich für die Internationale Koalition der Sans-Papiers und MigrantInnen (IKSM) in Mannheim. Er engagiert sich seit Jahren für die Belange der Geflüchtete.
Charlemoines Ziel in Walldorf war, die Isolation und Ausgrenzung von Flüchtlingen zu brechen. So konnte er seine Schützlinge von der Idee der Gründung dieser Gesangsgruppe mit Flüchtlingen überzeugen. Ein wichtiger Beitrag zum Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, der seine SchülerInnen begeisterte.
Geflüchteten Mut machen und Ihnen Hoffnung geben
Einige Eltern der SchülerInnen waren bei der Gründung der Gruppe skeptisch. Sie fanden zwar die Idee dass ihre Kinder gemeinsam mit Geflüchteten singen wollten, sehr gut. Aber sie glaubten nicht daran. Doch mit der Zeit gewannen sie ein positives Bild von der Aktion. Andere Väter und Mütter, die sich bereits für Flüchtlinge engagierten, unterstützten ihre Kinder und fanden es sehr gut, dass diese sich mit Geflüchteten solidarisierten.
Das Ziel von Nikolas, Tom, Ilias, Laura, Fyn, Olivia und Felix war, den Geflüchteten Mut zu machen und ihnen Hoffnung zu geben. Viele weitere SchülerInnen wollten ebenfalls mitmachen, aber ihre Eltern waren dagegen. Das führte dazu, dass manche SchülerInnen gegenüber dem Projekt ablehnend reagierten. Für ihr Engagement für die Geflüchtete erfuhren die Jungs und Mädels von „Irie Kids“ jedoch keine Anfeindungen von MitschülerInnen.
Kein Mensch ist Illegal – Refugees welcome
Das ist das Motto der „Irie Kids“. Für diese SchülerInnen der Theodor-Heuss-Realschule in Walldorf sei kein Mensch illegal. Alle Flüchtlinge, die aus ihrer Sicht in erster Linie Menschen sind, sind in Deutschland und anderswo willkommen. Insofern: Refugees welcome. Sie singen auf Deutsch, Wolof (Sprache in Senegal, Gambia und Mauretanien) und Französisch. In ihren Liedern „Kai-Kai-Kai“ und „Crois en toi“ heißen sie Flüchtlingen willkommen und raten ihnen, an sich zu glauben und niemals aufzugeben.
„Irie Kids“ fordert Gleichheit für alle – und ebenso, Abschiebungen von Geflüchteten zu stoppen. In diesem Kampf, der in ihrem Alter nicht so leicht erscheint, werden sie von ihrer Schule unterstützt. Das konnten wir bei unserem Treffen mit der Schulleitung feststellen.
Solidarität mit Geflüchteten selbstverständlich
Thomas Lazarus ist Stellvertretender Schulleiter und engagiert sich selbst für Flüchtlinge und ihr Schicksal. Aus seiner Sicht sollte die Solidarität mit Geflüchteten selbstverständlich sein. Er ist gut vernetzt und arbeitet im Arbeitskreis Asyl in Walldorf. Deshalb war es ihm wichtig, die Schule für Flüchtlingsprojekte zu öffnen und diese zu fördern.
So organisierte die Walldorfer Schule Sprachkurse und Musikveranstaltungen für Geflüchtete. Sie lud Flüchtlinge in Unterrichtstunden zum Thema Flucht und Fluchtursachen ein und gab ihnen so die Möglichkeit, zu Wort zu kommen. Auch die Idee einer Fahrradwerkstatt mit Flüchtlingen wurde umgesetzt. Für die Initiative eines Musikchors mit Geflüchteten bedankte sich Lazarus bei „Irie Kids“ und Charlemoine die dieses Projekt ins Leben riefen. Die Bevölkerung ist Lazarus zufolge gegenüber Flüchtlingen positiv eingestellt. Es gebe in der Stadt wenig Ressentiments gegen sie. Hierbei spielte der Arbeitskreis Asyl, der aus 250 FlüchtlingshelferInnen besteht, eine wichtige Rolle.
Behörden sollen schnell über Asylanträge entscheiden
Lazarus hält die Aufnahme von Menschen in Not und auf der Flucht für natürlich. Menschen, die vor Krieg, Armut und Elend flüchten, müsse geholfen werden, so Lazarus. Er fordert von den Behörden eine schnelle Bearbeitung der Asylanträge, damit Flüchtlinge sich ebenso schnell integrieren können. Er kritisiert die Übergriffe auf Geflüchtete und die rassistische Stimmung gegen sie sehr scharf.
In Walldorf leben rund 450 Flüchtlinge in drei Unterkünften. Es gibt eine große Halle, die etwa 300 Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, Irak und Eritrea beherbergt. Ebenso eine kleine Halle mit Menschen aus Gambia und Nigeria. Im dritten Flüchtlingsheim sind Familien untergebracht.
Flüchtlinge wünschen sich ein Leben in Würde und Freiheit
In der kleineren Halle trafen wir Geflüchtete aus Gambia, die Teil von „Irie Kids and Refugees“ sind. Sie freuten sich über das Musikprojekt, das ihnen die Möglichkeit gibt, Teil der Gesellschaft zu werden, und lobten die Zusammenarbeit mit den Walldorfer SchülerInnen. Dagegen beklagten sie sich über ihre Unterkunft und Lebensbedingungen. Denn in dem Haus, in dem sie untergebracht sind, müssen sich drei Personen ein Zimmer von gut 12 Quadratmeter teilen. Sie haben weder Platz noch Privatsphäre und leiden unter diesen Lebensumständen.
Aus politischen Gründen von Afrika nach Deutschland geflüchtet, wünschen sich diese Flüchtlinge aus Gambia ein Leben in Würde und Freiheit. Mit „Irie Kids and Refugees“ wollen sie versuchen, eine Brücke zwischen ihnen und der Bevölkerung zu bauen, damit ihre Botschaft Gehör finden kann.
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