Stuttgart. Die Kurdische Frauen Initiative Stuttgart fordert Freiheit für Abdullah Öcalan. Sie hat am späten Mittwochnachmittag, 24. August, in der Stuttgarter Innenstadt gegen die Isolationshaft protestiert, der Öcalan unterworfen ist. Das Motto der vierstündigen Kundgebung: „Hände weg von Abdullah Öcalan. Spielt nicht mit dem Feuer!“ Es wurde auch der Opfer des Attentats auf eine Hochzeitsfeier in Gaziantep (Dilok) gedacht.
Neben einem Informationstisch bauten die Mitglieder der Kurdischen Frauen Initiative ein zwei Meter hohes und zwei Meter breites Gitterzelt als Symbol für die Isolationshaft von Abdullah Öcalan auf. Drinnen hängte sie ein großes Transparent mit dem Foto des kurdischen Politikers auf.
Nach dem Putschversuch in Sorge um Öcalan
Am Infotisch verteilte die Fraueninitiative Infomaterial über Abdullah Öcalan und sammelte Unterschriften für seine Freiheit. Sie forderte, dass Familienangehörigen und Anwälten sofort der Zugang zu Öcalan ermöglicht wird. Die Internationale Gemeinschaft müsse hierfür auf die Türkei Druck ausüben.
Gleichzeitig rief die Initiative die türkische Regierung dazu auf, Friedensgespräche mit Öcalan als Verhandlungsführer aufzunehmen und den Weg für eine friedliche Lösung der Probleme der kurdischen Regionen zu eröffnen. Hierfür müsse die permanente Totalisolation gegen den PKK-Vorsitzenden beendet werden. Nur mit der Freiheit Öcalans und aller politischen Gefangenen in der Türkei könne sich das Land aus seinem Zustand der Dauerkrise und Instabilität befreien.
Kerzen und Blumen für die Opfer von Gaziantep
Bei einem Selbstmordattentat in Gaziantep wurden 52 Menschen getötet, die eine Hochzeit feierten. Unter ihnen waren 30 Kinder. Die Namen dieser Kinder wurden auf ein herzförmiges Blatt geschrieben, mit einer Kerze auf den Boden gelegt und mit Nelken und Rosen geschmückt.
Das Interesse der Passanten war sehr groß. Viele blieben stehen und äußerten ihr Beileid. Sie fanden schrecklich, was in der Türkei geschieht, und kritisierten gleichzeitig das Vorgehen Recep Tyyip Erdogans gegen die Kurden.
Die verteilte Erklärung des Dachverbands des Ezidischen Frauenrats im Wortlaut:
Eziden für die Freiheit von Abdullah Öcalan und den Frieden in Kurdistan im unbefristeten Hungerstreik!
Ab dem 23. August 2016 tritt eine Gruppe von in Europa lebenden Eziden in Straßburg in den Hungerstreik. Hintergrund dessen ist die seit April 2015 bestehende Totalisolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan durch die türkische Regierung.
Herr Abdullah Öcalan vertritt die politischen Interessen von Millionen Menschen aus Kurdistan und der Türkei. Insbesondere die Stärkung der Rechte von religiösen und kulturellen Minderheiten, aber auch die Geschlechtergerechtigkeit stehen im Mittelpunkt seiner Philosophie.
Somit haben auch wir Êziden als religiöse Minderheit aus Kurdistan durch Herrn Abdullah Öcalan als eine besonders schutzbedürftige Gruppe seit Jahrzehnten große Anerkennung unter den Menschen in Kurdistan genossen. Während wir laut der türkischen Verfassung nicht einmal existieren.
Als ezidische Frauen haben wir nach dem Genozid vom 3. August 2016 in Sengal/Nordirak uns mit der Philosophie Abdullah Öcalans, beruhend auf der Frauenbefreiung, das erste Mal in unserer Geschichte als Schlußfolgerung aus den nunmehr 74 Genoziden an unserer Religionsgemeinschaft angefangen uns selbst zu organisieren. Die dahinter stehende Philosophie von Abdullah Öcalan zeigt, dass Selbstorganisierung nicht nur gegen die zunehmenden äußeren Angriffe schützt, sondern zugleich auch ein Mittel ist, sich gegen die patriarchalen Strukturen innerhalb der eigenen Gesellschaft zu wehren und somit eine frauenbefreite und demokratische Gesellschaft aufgebaut werden kann. Rojava und Sengal sind ein Beispiel hierfür.
Herr Abdullah Öcalan befindet sich seit nunmehr über 16 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali in der Türkei im Gefängnis. Er hatte kein faires Verfahren. Der politischer Repräsentant kann sich seit dem 27. Juli 2011 bis heute nicht mit seinen AnwältInnen, seit dem 6. Oktober 2014 nicht mit seiner Familie und seit dem 5. April 2015 ebenso nicht mehr mit der Verhandlungsdelegation der HDP (die Demokratische Partei der Völker) treffen.
Als Dachverband des Ezidischen Frauenrats dulden wir die Gefangenschaft Abdullah Öcalans und somit die im Widerspruch zur Rechtsstaatlichkeit stehenden Maßnahmen durch die türkische Justiz und türkische Regierung gegen ihn, wie die Totalisolation nicht.
Die Öffentlichkeit hat keinerlei Informationen hinsichtlich seines Zustandes. Es wird sogar vermutet, dass ihm möglicherweise etwas in der Nacht des Militärputsches in der Türkei vom 15. Juli 2016 zugefügt sein könnte. Es bedarf Klarheit über seine Situation.
Wir rufen daher alle Menschenrechtsorganisationen, die Frauen und die gesamte Weltöffentlichkeit dazu auf, sich den Forderungen der Hungerstreikenden für den Erhalt der Menschlichkeit einzusetzen.
Solidarisieren Sie sich mit den Hungerstreikenden in Straßburg und setzen Sie mit ihrer Solidarität ein Zeichen für den Frieden im Mittleren Osten und weltweit.
Die Freiheit Abdullah Öcalans wird nämlich den Frieden im Mittleren Osten sichern.
Die Informationsstelle Kurdistan schreibt zum Anschlag in Gaziantep:
Dilok: 51 Personen durch Anschlag auf Hochzeitsfeier getötet
Bakur/Nordkurdistan – Samstagnacht wurde in Dilok (Antep) ein Anschlag auf eine kurdische Hochzeitsgesellschaft verübt. Betroffen ist der Stadtteil Beybahçe, ein Stadtteil mit kurdischer Bevölkerung. Ein Selbstmordattentäter hat sich mitten in der Hochzeitsgesellschaft in die Luft gesprengt.
Mahmut Toğrul, Abgeordneter der HDP wies auf Ähnlichkeiten mit den Attentaten in Pirsûs (Suruç), Amed (Diyarbakir) und Ankara hin und mutmaßte, dass es sich bei dem Attentäter wahrscheinlich, um ein Mitglied des Islamische Staat IS handle. Er erklärte, dass es sich bei der betroffenen Familie um Mitglieder und Unterstützer der HDP handle. Die Familie stamme ursprünglich aus Sêrt (Siirt) und sei „die patriotischste Familie am Ort“. Mahmut Toğrul geht davon aus, dass „die Familie bewusst als Ziel ausgesucht worden“ ist. Auch der Zeitpunkt sei nicht zufällig gewählt worden.
Einige Tage zuvor wurde Minbic vom IS befreit, möglicherweise sei der Anschlag aus „Rache“ für die erlittene Schmach verübt werden. Eine weitere Möglichkeit sei, dass Bemühungen für die Anbahnung eines Friedenswegs auf diese Weise sabotiert werden sollte. Am gleichen Tage hatte die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans KCK ein Deklaration veröffentlicht, in der sie erklärte, dass sie für eine politische Lösung des Konflikts weiterhin offen sei, zuvor jedoch ernste Schritte vom türkischen Staat erwarten würden.
Der Kovorsitzende der HDP Selahattin Demirtaş sagte nach dem Attentat seinen Besuch in Süd-Afrika ab und kam gemeinsam mit der HDP-Delegation. Auch Selahattin Demirtaş glaubt nicht an einen Zufall. Er erklärte gegenüber der Presse: „Nach dem Massaker von Pirsûs wurden in Serê Kanî (Ceylanpınar) zwei Polizisten im Schlaf ermordet. Das war ein berechnetes Szenario, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Leider waren sie damit erfolgreich. Seit etwa einem Jahr tobt im Brennpunkt der kurdischen Frage ein Krieg. Als am 10. Oktober das Massaker in Ankara geschah, stand Seitens der KCK die Ausrufung eines Waffenstillstands auf der Agenda. Das Massaker verhinderte dies. Die, die das Massaker verübten, erreichten ihr Ziel. Gestern hat die KCK eine Erklärung abgegeben die einem Waffenstillstand hätte den Weg ebnen können. Und da passiert der Angriff in Dilok. Das ist kein Zufall. Weder die Betroffenen noch der Ort sind zufällig gewählt.“
Inzwischen mehren sich Meldungen, nach denen das Attentat möglicherweise hätte verhindert werden können. Bei den Ermittlungen zum Attentat in Ankara ist die Staatsanwaltschaft auf Hinweise gestoßen, nach denen Aleviten aber auch Ziele in Antalya, dort Vergnügungsstätten wie Diskotheken und Nachtlokale auch Ziele in Dilok vom IS anvisiert worden seien, konkret kurdische Hochzeitsgesellschaften.
Bei dem Attentat verloren 51 Menschen ihr Leben, 94 wurden zumeist schwer verletzt. 50 Leichname wurden mittlerweile freigegeben. Nachdem 5 bereits am frühen Morgen beerdigt worden sind, 3 weitere nach Wan (Van), Semsûr (Adıyaman) und Sêrt gebracht wurden, sind 42 bei einer gemeinsamen Beerdigungszeremonie in Dilok zu Grabe getragen worden. Bei dieser waren die Kovorsitzende Figen Yuksekdağ, die Kovorsitzende der DBP Sabahat Tuncel, der Kosprecher der HDK Ertuğrul Kurkçü und die Abgeordneten der HDP Nursel Aydoğan, İbrahim Ayhan, Behçet Yıldırım und Mahmut Togrul anwesend. Mehrere tausend Menschen kamen zusammen, um gemeinsam Abschied zu nehmen. Der Demokratische Gesellschaftskongress (DTK) hat eine der 3-tägige Trauer ausgerufen.
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