Von Alfred Denzinger – Stuttgart. Die Gerichtsverhandlung vor dem Stuttgarter Amtsgericht dauerte nur 30 Minuten. Richterin Szwarc stellte am Mittwoch, 24. August, das Verfahren wegen eines Vorfalls vor der US-Kommandozentrale AFRICOM gegen die deutsch-amerikanische Friedensaktivistin und US-Bürgerin Elsa Rassbach ein. Die Gerichtskosten trägt die Staatskasse. Allerdings muss die Aktivistin ihre eigenen Kosten selbst tragen. Am Montag, 29. August, findet ab 10 Uhr die diesjährige Konzert-Aktion der Gruppe Lebenslaute unter dem Motto „Schlussakkord dem Drohnenmord“ mit fast 100 Musikern und Sängern vor dem AFRICOM statt.
Elsa Rassbach wurde vorgeworfen, sie habe einen Platzverweis nicht befolgt, welcher ihr am 19. April 2016 vor dem US-Stützpunkt Kelley Barracks (Sitz von AFRICOM) in Stuttgart-Möhringen erteilt wurde (wir berichteten). Aus diesem Grund erhielt sie einen Bußgeldbescheid in Höhe von 200 Euro, gegen den sie Einspruch einlegte.
Vor der Verhandlung gab es von rund zwanzig FriedensaktivistInnen im Hof des Amtsgerichtes Solidaritätsbekundungen, die von den anwesenden Justizmitarbeitern zunächst unterbunden wurden. Nachdem sich die Gruppe einige Meter vom Eingang des Amtsgerichts entfernt hatte, ließ man sie gewähren.
Handschellen für Friedensaktivistin
Die Beschuldigte wollte gerichtlich feststellen lassen, dass der Platzverweis nicht rechtmäßig gewesen sei, da es keinen Anlass für ihn gegeben habe. Der Platzverweis sei von der Polizei auch nicht begründet worden, führte Rassbach aus. Nach dem offiziellen Ende einer angemeldeten Mahnwache vor dem US-Stützpunkt habe sie lediglich einen Offenen Brief von US-Friedensorganisationen an General David M. Rodriguez, den damaligen Kommandeur des AFRICOM, übergeben wollen. Laut Rassbach hat ein US-Militärpolizist ihr etwa 15 Meter vor dem Tor zur US-Militärbasis Handschellen angelegt. „Ich habe dem US-Militärpolizisten keinen Anlass gegeben, mich vorläufig festzunehmen“, sagt Rassbach. „Ich hatte nur gefragt, wie ich den Brief übergeben könnte.“
Der Militärpolizist habe sie dann in der Folge zwei vor Ort eingesetzten deutschen Polizisten übergeben. Der Soldat habe als Begründung für seine Handlungen erklärt, dass die Aktivistin sich nicht ausweisen könne und in die Militärbasis eindringen wollte. Ein deutscher Polizist habe sie dann gefragt, ob sie sich ausweisen könne. Diese Frage habe sie umgehend bejaht. Es folgte der Platzverweis und die Androhung, dass man sie mit aufs Revier nehmen werde, sollte sie dem Platzverweis keine Folge leisten. Der als Zeuge geladene Polizeihauptkommissar bestätigte weitgehend die Angaben Rassbachs und betonte, dass die gesamte Aktion der FriedensaktivistInnen absolut ruhig verlief. Am Ende habe man sich gegenseitig „freundschaftlich verabschiedet“, erklärte der Polizist.
Wer Handschellen trägt, muss auch Probleme gemacht haben!?
Auf die Frage Rassbachs an den deutschen Polizeibeamten, ob es am Rand des US-Stützpunktes ein Schild mit dem Hinweis „Hier fängt das US-Gebiet an“ gebe, kam dessen spontane Antwort: „Nein, die Leute wissen das.“ Weiter führte der freundliche Polizist aus: „Dass sie geschlossen waren, war für uns der Hinweis, dass sie Probleme gemacht haben.“ Darüber hinaus sei die polizeiliche Maßnahme auch zu ihrem eigenen Schutz erfolgt, da ja nicht klar gewesen sei, was die US-Mitarbeiter in der Folge noch gemacht hätten. Rassbach betonte nochmals, sie habe nicht auf das US-Gelände, sondern lediglich den Offenen Brief übergeben wollen.
Einstellung des Verfahrens – aber der Kampf geht weiter
Richterin Szwarc stellte das Verfahren ein. Für die Feststellung, ob der Platzverweis rechtmäßig gewesen sei, sei nicht das Gericht, sondern das Polizeipräsidium zuständig. Rassbach hat auch Widerspruch gegen die Anordnung des Platzverweises beim Polizeipräsidium Stuttgart eingelegt. Am 16. August 2016 schrieb sie nach eigenen Angaben dem Polizeipräsidium: „Während meines kurzen Gesprächs mit dem US-Militärpolizisten war ich höflich und habe nicht versucht, die US-Basis zu betreten. Zu meiner Überraschung legte der US-Militärpolizist mir Handschellen an. Ich leistete dagegen keinen Widerstand. Das Verhalten des US-Militärpolizisten war jedoch unverhältnismäßig und führte zu einer grundlosen Freiheitsberaubung. Sicherlich kommen sehr oft Menschen zum Tor vor den Kelley Barracks und fragen den Militärpolizisten dort dies und jenes. Es gibt kein Schild oder einen anderen Hinweis, dass man dort nicht laufen darf. Ich hatte kein Verbrechen begangen und hatte nicht vor, die Kelley Barracks zu betreten.”
Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung gegen US-Militärpolizisten
Rassbach hat am Samstagvormittag, 27. August 2016, im Polizeirevier 4 in Stuttgart eine Strafanzeige gegen einen unbekannten US-Militärpolizisten wegen Freiheitsberaubung erstattet und einen Strafantrag aus allen rechtlichen Gründen gestellt. „Ich erstatte diese Strafanzeige aus präventiven Gründen“ sagte Rassbach. „Es muss geklärt werden: Darf das US-Militärpersonal auch außerhalb der Tore der US-Stützpunkte in Deutschland Gewalt gegen Zivilisten anwenden? Wenn ja, unter welchen Umständen? Welche Zuständigkeiten haben die deutschen Behörden in, um und um die US-Militärstützpunkte herum? Wieso erlauben die deutschen Behörden die Vorbereitung der illegalen Tätigkeiten der US-Regierung, wie zum Beispiel die Drohnen-Tötungen, auf deutschem Boden?“
AFRICOM ist für alle US-Militäreinsätze in Afrika zuständig, darunter für die US-Drohnen-Basen in Djibouti, Äthiopien, Burkina Faso, Südsudan, Uganda, Kenia, und Seychellen. Die US-Drohnen-Basen in Afrika werden auch für die Drohnen-Attentate in Jemen eingesetzt.
„Schlussakkord dem Drohnenmord“
Am Montag, 29. August, beginnt um 10 Uhr die diesjährige Konzert-Aktion der Gruppe Lebenslaute unter dem Motto „Schlussakkord dem Drohnenmord“ vor dem AFRICOM. Mit Werken von Mozart, Beethoven, Saint-Saens, Pasquay und anderen. Vorgetragen werden die Werke von fast 100 Orchestermusikern und Chorsängern. Weitere Infos hierzu gibt es hier.
Elsa Rassbach, eine in Berlin lebende Rentnerin, freiberufliche Journalistin und Filmemacherin, ist seit den 1960er in der US- und deutschen Friedensbewegung aktiv. Sie ist Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigten KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und von Attac, Mitbegründerin der deutschen Drohnen-Kampagne und im Koordinierungskreis der Ramstein-Kampagne, die eine Demo mit über 5000 TeilnehmerInnen vor der US-Basis Ramstein Air Base im Juni 2016 organisiert hat und weitere Aktionen für 2017 plant. Elsa Rassbach ist auch Sprecherin in Deutschland für die US-Friedensorganisationen CODEPINK, Frauen für den Frieden und die United National Antiwar Coalition (UNAC).
Offener Brief der US-Friedensorganisationen, den Rassbach am 19. April übergeben wollte:
http://news.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Offener_Brief_Angela_Merkel.pdf
Originalfassung des Briefes:
http://news.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Open_Letter_to_Angela_Merkel_engl.pdf
Siehe auch „Ziviler Ungehorsam gegen Drohnenkrieg“ und „Keine Meinungsfreiheit vor US-Stützpunkten?“
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