Fotobericht als Ergänzung zur Nachricht „AFRICOM über Stunden blockiert“ vom 29. August 2016:
Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. In Stuttgart-Möhringen wurde am Montag, 29. August, das US-amerikanische Militärgelände AFRICOM blockiert. Über 80 MusikerInnen des Netzwerks Lebenslaute versperrten vier Stunden lang alle drei Zufahrten der Einrichtung. Das US-Kommando AFRICOM steht in der Kritik, Ziele für Drohnenangriffe des amerikanischen Militärs in Afrika auszukundschaften.
Bereits um 6 Uhr morgens musizierten die Chor- und OrchestermusikerInnen des Netzwerks Lebenslaute vor jeder Zufahrtsstraße zum US-AFRICOM auf dem Gelände der Kelley-Barracks. Damit verhinderten sie die An- und Abreise hunderter SoldatInnen und Angestellter auf das und von dem Gelände. Auf der Plieninger Straße staute sich der anreisende Verkehr aus Bussen, Transportern und hunderten Privatfahrzeugen zeitweise hinein bis nach Möhringen. Nach Schätzungen arbeiten etwa 1500 Menschen auf dem Stützpunkt. Vielen Anreisenden blieb nichts anderes übrig, als sich von der anwesenden Militärpolizei zu Fuß durch die Blockade führen zu lassen. „Today is no anonymous killing“, riefen einige Beistehende den Anreisenden zu.
Auch über die Ohnholdstraße blieb die Zufahrt bis 9.45 Uhr verschlossen. Erst nachdem deutsche Polizeikräfte die MusikerInnen und ihre Instrumente vom Tor 2 – oder der Bühne 2, wie die MusikerInnen sagten – wegtrugen und erkennungsdienstlich behandelten, konnten wieder anreisende Fahrzeuge auf das Gelände. Etwa hundert Personen die zu Fuß versuchten, durch Tor 2 auf das Gelände zu gelangen, wurden erst gegen 9 Uhr von Einheiten der Militärpolizei durch eine Schleuse auf das Areal geführt.
„Haben die Amerikaner keine Panzer hier?“
Trotz der zeitweisen Anspannung vor den Toren hörte keine der MusikerInnen zu spielen oder zu singen auf. Einige spielten auch, während sie von Polizeibeamten weggetragen wurden. Andere setzten ihr Stück dort fort, wo sie von den Beamten abgesetzt wurden. Die Beamten selbst zeigten sichtlich Spaß an ihrer Arbeit, durch die sie erst den Militärbetrieb auf dem Gelände ermöglichten. Einer fragte scherzend, ob die Amerikaner keine Panzer hier hätten, mit denen sie „einfach mal kurz durchs Tor fahren könnten“. Ein anderer verkündet feierlich kurz vor Beginn der Räumung: „Ich weiß schon, welchen ich zuerst nehme“ – als ob es für ihn etwas zu gewinnen gäbe.
Eine Schülerin, die sich auf dem Gelände befand, zeigte sich verärgert. Wegen der Blockade könne sie das Gelände nicht verlassen und verpasse so ihren Schulunterricht. Die meisten Anreisenden zeigen sich eher wortkarg. Niemand will so recht unsere Frage beantworten, warum die MusikerInnen gegen Drohnen protestieren, obwohl es in Stuttgart doch gar keine Drohnen gibt. Von einer Frau in Zivil auf dem Gelände erfuhren wir später, dass es mit der Arbeit wohl heute nichts würde, weil kaum jemand auf dem Stützpunkt sei, woraufhin sie scharf von ihrer Begleiterin angefahren wurde.
Merkwürdiger Umgang mit der Pressefreiheit
Angestellte und SoldatInnen auf dem Gelände scheinen strikt angewiesen zu seinen, wie sie mit der Öffentlichkeit umzugehen haben. Dies gilt im Besonderen für die anwesenden Militärpolizisten, die immer wieder versuchten, unsere Arbeit zu stören. Neben den Militärs waren auch deutsche Polizeibeamte im Einsatz. Teilweise kam es zu Pressebehinderungen durch Polizeikräfte. Ein Mitarbeiter der Beobachter News wurde aufgefordert, sein Bildmaterial zu zeigen. Der Fotojournalist kam dieser Aufforderung nicht nach, da es für dieses Verlangen keine rechtliche Grundlage gibt.
Todeslisten gegen politisch unliebsame Personen
Die MusikerInnen des Netzwerks Lebenslaute werfen der Bundesregierung vor, einen Drohnenkrieg in Afrika mit zu unterstützen. Durch das AFRICOM sollen „Todeslisten gegen politisch unliebsame Personen“ erstellt werden, heißt es in einem Informationsschreiben der Gruppe. Tausende Menschen seien danach bereits ohne Gerichtsverfahren ermordet worden.
Die Lebenslaute geht davon aus, dass im AFRICOM Daten über die Zielpersonen in Afrika gesammelt werden. Die Daten sollen an den US-amerikanischen Stützpunkt in New Mexico, Nevada, Arizona oder Missouri (USA) gesendet werden, von wo aus die Drohnen in Afrika gesteuert werden. Die Erklärungen während des Konzerts können hier nachgelesen werden.
Um 10 Uhr begann vor dem Haupttor ein Konzert der Lebenslaute an dem auch die MusikerInnen teilnehmen konnten, die zuvor weggetragen worden waren. Nachdem die Polizei den MusikerInnen zunächst Platzverweise erteilt hatte und ihnen daraufhin den Zugang zur Bühne 1 zu versperren versuchte, konnten sich die MusikerInnen schließlich durchsetzen und ihr Konzert gemeinsam beginnen. Das Programmheft zum Konzert gibt es hier.
Selbstdarstellung der Lebenslaute
„Unter dem Namen LEBENSLAUTE engagieren sich seit 1986 bundesweit Musiker_innen, einmal jährlich in Chor- und Orchesterstärke (Sommeraktionen), dazwischen auch in kleineren Ensembles regional. Als offene Musik- und Aktionsgruppe bringen wir überwiegend klassische Musik gerade dort zum Klingen, wo dies nicht erwartet wird: auf Militärübungsplätzen und Abschiebeflughäfen, vor Atomfabriken und Raketendepots, in Ausländerbehörden und an anderen menschenbedrohenden Orten.
Bei der Wahl unserer Konzert-Orte lassen wir uns nicht durch herrschende Vorschriften einschränken. Im Gegenteil: Lebenslaute-Aktionen suchen die politische Konfrontation durch angekündigten und bewussten Gesetzesübertritt (Zivilen Ungehorsam): Blockaden, Besetzungen, Entzäunungen, Betreten verbotener Orte. Seriöse Konzertkleidung unterstreicht unser konzentriertes Auftreten. Wo es geht, versuchen wir, lokale Protestbewegungen zu stärken.
Wir bereiten uns gemeinsam und intensiv auf unsere Konzert-Aktionen vor und handeln auch gemeinsam. Dabei bleibt es in der Verantwortung der Teilnehmenden, wie weitgehend sie sich einbringen. Wir entscheiden stets basisdemokratisch, die Bedürfnisse und Bedenken aller Teilnehmenden sollen berücksichtigt werden. Betroffene möglicher rechtlicher Konsequenzen unterstützt das Lebenslaute-Netzwerk gemeinsam mit anderen solidarisch.
LEBENSLAUTE sind musikalische Laien und Profis, Instrumentalist_innen und Sänger_innen, nicht musizierende Aktivist_innen (für Organisatorisches, Verpflegung, Kinderbetreuung) und Zuhörer_innen.“
Mehr Infos zur Lebenslaute gibt es hier.
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