Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Am 1. September gedachten 250 Menschen in Stuttgart des Beginns des 2. Weltkriegs mit einer Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Frauen waren und sind von jedem Krieg doppelt betroffen, machte eine bewegende Rede der kurdischen Schriftstellerin Wajiha Said über ihre Flucht nach Deutschland deutlich. 77 Jahre nach dem Beginn des 2. Weltkriegs ist die Menschheit weiter durch weltweite Kriegszustände bedroht.
Wajiha Said sprach auf Arabisch mit ruhiger Stimme über die Extremsituationen, in denen sich Frauen, mit denen sie geflohen ist, im Krieg in Syrien und auf ihrer Flucht nach Europa befanden. „Ihre Hose war voller Blut“ erzählt Said über eine Gefährtin, die ihre Menstruation nicht verbergen konnte, als sie sich zusammen auf der Flucht verstecken mussten. Sie habe sich für ihre Weiblichkeit geschämt vor den türkischen Einheiten, die sie sexuell belästigten.
Diese und andere Erzählungen lassen erahnen, was Kriege für Frauen in einer patriarchalen Welt heute wie früher bedeuten. Said spricht davon, dass Frauen aus Syrien alles verloren haben, sowohl wirtschaftlich als auch psychisch. „Und trotzdem kämpfen diese Frauen weiter.“ Saids Erzählungen sind keine Geschichten von Opfern, sondern von Frauen, die im Krieg Widerstand leisten.
- Paul Russmann, Ohne Rüstung Leben
- Ilse Kestin, IG Metall
- Philipp Vollrath, DGB
Gegen Kriege Widerstand leisten wollen auch die anderen Menschen, die an der Kranzniederlegung teilnahmen. Nicht wie die Stadt Stuttgart, die die Kommandanten der Drohnenaufklärungsstützpunkte AFRICOM und EUCOM in Stuttgart-Möhringen bittet, sich in das goldene Buch der Stadt einzutragen. Das berichtete Paul Russmann von der Organisation Ohne Rüstung Leben. Auch nicht wie der deutsche Bundestag, der im Dezember 2016 sieben auslaufende Auslandsmandate der Bundeswehr mal wieder verlängern wird, wie die AktivistInnen des Offenen Treffens gegen Krieg und Militarisierung (OTKM) in einem Theaterstück als drohendes Szenario für die Zukunft vorhersagten. Sondern vielleicht, indem mensch – so etwa Philipp Vollrath vom Stadtverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) – die Frage diskutiert, ob „es ein Arbeitsplatz wert ist, dass weltweit Menschen sterben“.
Die Kranzniederlegung wurde so routinemäßig durchgeführt, dass nicht mal mehr Erwähnung fand, wovor und wofür man jetzt einen Kranz niederlegt. Danach formierte sich dann noch ein Großteil der Anwesenden zu einem Demonstrationszug über den Marktplatz quer durch die Stadt zum Schlossplatz.
Aufgerufen zu der Demonstration hatten die ATIF, die BIR-KAR, NAV-DAM Stuttgart, Deutsch-iranische Völkerfreundschaft, MLPD und Solidarität International. Im Anschluss daran plant das OTKM für Mittwoch, 7. September, ein Auftackt-Bündnistreffen gegen die Mandatsverlängerungen für die Bundeswehr im Dezember. Treffpunkt ist um 19 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann in der Böblinger Straße 105.
Wajiha Saids Roman trägt im deutschen den Titel Durchreisen. Wir hoffen die deutsche Übersetzung ihrer Rede vom 1. September in Kürze hier veröffentlichen zu können.
- Laura Halding-Hoppenheit, DIE LINKE
- Dagmar Uhlig (links), DIE LINKE und Janka Kluge, VVN
- Reiner Hofmann, DIE LINKE
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