Karlsruhe. Nach langer Sommerpause meldete sich am Samstag, 3. September, die extrem rechte Gruppierung „Karlsruhe wehrt sich“ zurück. Gegen den Aufmarsch der Neonazis, Rassisten und sogenannten „Reichsbürger“ formierte sich vielfältiger Widerstand. Die Polizei ging mit großer Härte gegen den antifaschistischen Gegenprotest vor.
Mit einem Stand auf dem Flohmarkt auf dem Stephansplatz, dem Ort des rechten Aufmarschs, wurde schon seit dem frühen Morgen die Öffentlichkeit auf die spätere Veranstaltung aufmerksam gemacht. Doch bereits recht früh am Nachmittag begann die Polizei, den Platz zum Aufbau von Absperrgittern zu räumen. Das stieß auf große Ablehnung.
Ab 18 Uhr begann außerhalb des nun abgesperrten Bereichs die angemeldete Gegenkundgebung. Verschiedene Redner verurteilten die weiterhin stattfindenden rechten Demonstrationen. Knapp 400 engagierte Personen schlossen sich dem Gegenprotest an. Viele hatten sich mit lärmenden Utensilien, Fahnen und Schildern ausgestattet, um der rechten Hetze ein Zeichen entgegen zu setzen. Neben einer Trommler-Gruppe, die dem Gegenprotest Einiges an Stimmung und Lautstärke bescherte, waren auch die Demosanitäter vor Ort.
Rauchkörper auf der Demoroute
Nachdem sich rund 60 Rechte eingefunden hatten, begannen die Redner – unter anderem aus Nordrhein-Westfalen und der Schweiz -, eine krude Mischung aus Rassismus und Verschwörungstheorien unter ihre Anhänger zu bringen. Danach zogen die Rechten auf ihrer üblichen Demoroute los. Kurz zuvor hatte sich bereits eine lautstarke antifaschistische Spontandemonstration auf den Weg gemacht, um den rechten Aufmarsch an einer günstigen Stelle zu stören. Kurz bevor der rechte Demozug dort an den GegendemonstrantInnen vorbeizog, flogen Rauchkörper auf die Demoroute, sodass sich die Neonazis und Rassisten durch dichten Rauch kämpfen mussten. Anschließend zogen die AntifaschistInnen wieder geschlossen zurück zum Stephanplatz und lärmten weiter gegen die rechtsextreme Hetze.
Gegen 22 Uhr beendete „Karlsruhe wehrt sich“ die Veranstaltung mit der Nationalhymne, welche dank des Gegenprotests jedoch kaum zu vernehmen war. Danach machten sich auch die vielen engagierten Menschen auf den Heimweg, die den ganzen Abend gegen die rechtsextreme Versammlung demonstriert hatten.
Polizei kriminalisiert Gegenprotest
Bereits mit der frühzeitigen Räumung des Platzes hatte die Polizei klar gemacht, dass an diesem Tage ein hartes Durchgreifen an der Tagesordnung stehen würde. So war es dann auch nicht überraschend, dass die Polizei ein besonders langes, auffälliges Transparent, das über den Absperrgittern hing, mit großer Gewalt an sich riss und es zerstörte. Die Gegendemonstranten antworteten ihrerseits mit weiteren Transparenten, sodass ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel entstand.
Vermutlich aus daraus entstandener Aggression begannen Polizisten letztlich aber auch nach Transparenten zu greifen, die völlig korrekt hinter den Gittern platziert waren. Der Abend war auch von zahlreichen Festnahmen geprägt, die teilweise auf polizeilichen Beobachtungen vergangener Demonstrationen beruhten. Dabei gingen die Beamten mitunter sehr schikanös vor und rissen etwa einem Festgenommenen regelrecht die Hose herunter, weil sie bei ihm versteckte Gegenstände vermuteten. Zum Schlagstock- oder Pfeffersprayeinsatz kam es nicht.
„Karlsruhe wehrt sich“ auf der Spitze der Radikalisierung
Die Demonstration zeigte einmal mehr, dass die rechtsextreme Gruppierung unter Frontfrau Ester Seitz weiterhin ein Sammelbecken des gesamten rechten Spektrums ist. So war ein buntes Sammelsurium an Fahnen zu sehen. Neben Deutschland- und Reichskriegsflaggen auch solche der „Europäischen Aktion“ und der „Identitären Aktion“. Zentral im Mittelpunkt stand eine auf dem Kopf aufgehängte Deutschlandfahne, ein Zeichen für einen großen Einfluss der „Reichsbürger“ in der rechten Gruppierung.
Fraglich ist, ob dies rechtlich korrekt ist oder ob hier bereits Paragraph 90a StGB (Strafgesetzbuch) „Verunglimpfung des Staats und seiner Symbole“ wirksam werden kann. Ebenfalls auffällig war die Verteilung der Fahnen im Demozug. So waren vorne hauptsächlich rechtsextreme Fahnen zu sehen, ein Zeichen dafür, dass Neonazis diese Gruppierung fest im Griff haben. Während der gesamten Veranstaltung filmten die Rechten zudem die GegendemonstrantInnen mit mehreren Kameras auf Stativen ab.
Dennoch ist von der Stadt Karlsruhe oder lokalen Medien kaum Interesse vorhanden, diese rechtsextremen Aufmärsche zum Thema zu machen. Das ist erstaunlich, jetzt wo dieses Schauspiel wieder regelmäßig zu werden droht und schon längst eine Gefahr darstellt. Für den Gegenprotest war der Abend durchaus erfolgreich. Viele neue GegendemonstrantInnen schlossen sich an und trugen so zur großen Überzahl gegenüber den Rechten bei, während diese lediglich eine Handvoll mehr Teilnehmer verzeichnen konnten.
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