Von Andreas Scheffel – Stuttgart. Bundesweit sind am Samstag, 17. September, in sieben Städten zentrale Demonstrationen für einen gerechten Welthandel und gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA geplant – so auch in Stuttgart. In einem breiten gesellschaftlichen Bündnis rufen rund 30 Organisationen zu der Großdemonstration auf. Die Organisatoren erwarten bis zu 30 000 Teilnehmer in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Die Auftaktkundgebung soll um 12 Uhr vor dem Hauptbahnhof in der Stuttgarter Innenstadt beginnen.
Das Bündnis gegen CETA und TTIP fordert, dass das Gemeinwohl stets Vorrang haben und dass es soziale sowie ökologische Leitlinien für einen gerechten Welthandel gelten müssen. Unmittelbar vor dem SPD-Parteikonvent zu CETA und dem entscheidenden Treffen des EU-Handelsministerrats sind weitere Großdemonstrationen in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Leipzig und München geplant.
- Martin Gross, Ver.di – Sarah Händel, Mehr Demokratie – Dr. Brigitte Dahlbender, BUND, Jaime Timoteo Gonzalez (v.l.n.r)
Flugzeug mit Banner kreist über Stuttgart
Vor dem Landtag in Stuttgart stellten Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie, der stellvertretende Landesbezirksleiter von Verdi Martin Gross, die Landesvorsitzende des BUND Brigitte Dahlbender und Jaime Timoteo Gonzalez als Vertreter des bundesweiten Trägerkreises das Demo-Programm bei einer Pressekonferenz unter freiem Himmel vor. Währenddessen kreiste ein Flugzeug mit Banner über der Stuttgarter Innenstadt. ÜnterstützerInnen begleiteten die Konferenz mit Schildern und Bannern. Im Anschluss war noch Zeit für einen Flashmob.
Das Bündnis in Baden-Württemberg umfasst Umweltschutzverbände, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Sozialverbände, kultur-, demokratie-, entwicklungspolitische und globalisierungskritische Organisationen, Initiativen für Verbraucherschutz und nachhaltige Landwirtschaft sowie die katholischen und evangelischen Kirchen.
Die SPD hat eine Schlüsselrolle
„CETA und TTIP, die Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA, drohen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und unsere Umweltstandards zu untergraben. Diesen Herbst geht die Auseinandersetzung in die heiße Phase“, kündigte Brigitte Dahlbender vom BUND an. CETA sei bereits fertig verhandelt und solle als Blaupause für TTIP dienen. „EU-Kommission und Bundesregierung wollen, dass das Abkommen beim EU-Kanada-Gipfel im Oktober unterzeichnet wird. Dafür ist mitentscheidend, wie die SPD am 19. September auf ihrem Sonderkonvent über CETA abstimmt“, erklärte sie.
Dahlbender hob die besondere Bedeutung der Haltung der SPD hervor. Sie fordert die SPD-Mitglieder auf, sich beim kleinen Parteitag am Montag in Wolfsburg nicht vom Kurs des SPD-Vorsitzenden und Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel blenden zulassen. Der Wiederstand und Druck gegen TTIP und CETA müsse stetig weiter aufgebaut werden. Diese Forderung richte sich an alle Parteien.
Verdi: Neoliberale Politik endlich bremsen
Martin Gross fordert eine breite transatlantische Bewegung zum Schutz der Daseinsvorsorge. „Mit den Freihandelsabkommen soll die neoliberale Politik der letzten beiden Jahrzehnte, an deren Folgen wir immer noch weltweit leiden, weiter forciert statt endlich gebremst werden. Dagegen wehrt sich eine breite gesellschaftliche Bewegung dies- und jenseits des Atlantik, wie wir sie seit der Friedensbewegung nicht mehr erlebt haben.“
Der stellvertretende Landesbezirksleiter von Verdi weiter: „Der neoliberale Geist der Abkommen manifestiert sich vor allem in den Klauseln, die einer weiteren Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge Tür und Tor öffnen, sowie der Einführung einer Paralleljustiz mit Sonderrechten für Unternehmen und Konzerne.“
Demokratie verkommt zum bloßen Beiwerk
„TTIP und CETA sind Freihandelsabkommen einer neuen Generation, für die die Demokratie selbst zum Handelshemmnis wird “, so Sarah Händel von Mehr Demokratie: „Die geplante regulatorische Kooperation öffnet starken Lobbyinteressen Tür und Tor und verhindert neue Regulierungen zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern. Dass demokratische Mitbestimmung hier nur noch Beiwerk ist, ist vollends klargeworden, als die EU-Kommission angekündigt hat, dass CETA an den Parlamenten der Mitgliedsländer vorbei, vorläufig in Kraft gesetzt werden soll.“
Jaime Timoteo Gonzalez, Vertreter des bundesweiten Trägerkreises, sprach über die organisatorische Planung und Leistung, die für die Veranstaltungen notwendig war. Beeindruckend sei die Zahl der gecharterten Busse, mit denen die DemonstrantInnen sicher zu den sieben Großdemonstrationen im Bundesgebiet gebracht werden sollen. Dagegen kritisierte Gonzales die Deutsche Bahn. Sie habe kein Interesse am Einsatz von Sonderzügen, die ebenfalls TeilnehmerInnen zu den Großdemonstrationen hätten bringen können.
AfD und rechte Gruppen sind unerwünscht
Neben den Veranstaltern sollen rechte Gruppierungen Interesse an der Demo-Teilnahme bekundet haben. Bisher sei bekannt, dass die AfD mitmachen wolle. Sie wurde von dem Bündnis aber ausgeladen. Auch andere rechte Gruppen und Personen sollen am Samstag keine Chance haben, sich unter die Teilnehmer zu mischen. Das Bündnis hat spezielle Beobachter der Demonstrationen am Samstag beauftragt.
Sie sollen nach solchen rechten Gruppen und entsprechenden Parolen Ausschau halten, sagte Sarah Händel. „Solche Gruppen und Personen werden dann – natürlich professionell gemeinsam mit der Polizei – aus dem Demozug entfernt. Wir treten ein für eine solidarische Welt, in der Vielfalt eine Stärke ist. Auf unserer Demonstration gibt es keinen Platz für Rassismus, Rechtspopulismus und Antiamerikanismus.“
Bürgerinitiative klagt vor dem Europäischen Gerichtshof
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg verhandelt derzeit über die Zulassung einer EU-Bürgerinitiative gegen TTIP. Gegner des Abkommens haben geklagt. Sie wehren sich dagegen, dass die EU-Kommission ihrer Bürgerinitiative Stop TTIP 2014 die offizielle Registrierung verweigerte. Sie will, dass die EU die Verhandlungen über TTIP abbricht und das CETA-Abkommen mit Kanada nicht unterzeichnet.
- v.l. Martin Gross Ver.di, Sarah Händel Mehr Demokratie, Dr. Brigitte Dahlbender BUND
- v.l. Martin Gross Ver.di, Sarah Händel Mehr Demokratie, Dr. Brigitte Dahlbender BUND, Jaime Timoteo Gonzalez
- v.l. Martin Gross Ver.di, Dr. Brigitte Dahlbender BUND, Jaime Timoteo Gonzalez
- l. Martin Gross Ver.di, r. Dr. Brigitte Dahlbender BUND
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