Von Tom Guerrero – Mannheim. Der Kreisverband der rechtspopulistischen AfD in Mannheim lud zum Stammtisch in einem Lokal, das bereits in der Vergangenheit häufiger Treffpunkt für Veranstaltungen dieser Art war. Handgezählte 22 Interessierte folgten am Dienstag, 13. September, dem Vortrag von Moritz Brodbeck. Er ist Landesvorsitzender der „Jungen Alternativen“ (JA) in Baden-Württemberg und Aktivist der Identitären Bewegung, die wegen rechtsextremistischer Umtriebe vom Verfassungsschutz beobachtet wird. 25 bis 30 Gegendemonstranten wurden von einem größeren Polizeiaufgebot fernab des Lokals abgeschirmt. Ein Gegendemonstrant wurde bei seiner Festnahme nach Polizeiangaben leicht verletzt.
In aller Regel betreibt der Kreisverband der Rechtsaußenpartei große Geheimniskrämerei, was die Veranstaltungsorte seiner Stammtische angeht. Insidern zufolge wird der Veranstaltungsort Interessierten meist erst kurzfristig per SMS mitgeteilt, und auch das nur, wenn die interessierte Person sich vorher per E-Mail zur Veranstaltung angemeldet hat. Dabei wird die Herausgabe der Handynummer wird gefordert, Die Zusammenkunft am Dienstag wurde ausnahmsweise vorab öffentlich angekündigt. Die lokalen Medien berichteten aber nicht über das Vorhaben.
Moritz Brodbeck spricht über den „Islamischen Staat“
Der Landesvorsitzende der Jungen Alternativen Moritz Brodbeck ist nach Berichten mehrerer Tageszeitungen in diesem Jahr Aktivist der neo-rechten Identitären Bewegung. Sein Powerpoint-Vortrag, der mit zirka 45 Minuten Verspätung begann, lockte nur 22 Menschen an. Die Zuhörer im Lokal „Zum Aubuckel“ im Mannheimer Stadtteil Feudenheim waren jeden Alters und in der Mehrheit männlich. Mit diesem Vortrag zieht Brodbeck bundesweit umher. Im Juni 2016 musste eine geplante Veranstaltung mit ihm in Göppingen kurzfristig wegen des starken Gegenprotests abgesagt werden.
Der Mannheimer AfD-Sprecher Robert Schmidt schien sich als Gastgeber wenig für die Anwesenheit des BN-Reporters und den Beitrag des Redners zu interessieren; er beschäftigte sich lieber mit seinem Smartphone. In der Zeit, in der wir dem Vortrag folgten, wurde er ohne Häme und Hetze vorgetragen. Er basierte auf bekannten Fakten, was den IS angeht.
AfD macht sich angeblich für die Rechte von Muslima stark
Ausgelegt hatte der Kreisverband unter anderem die AfD-Parteischrift „Der Islam gehört nicht zu Deutschland – Die Alternative für Deutschland bekennt sich zur deutschen Leitkultur.“ In dieser Schrift werden Themen behandelt wie zum Beispiel, dass Muslime in Deutschland eine höhere Geburtenrate hätten als Nicht-Muslime. Es wird eine islamische Zweiteilung kritisiert (Haus des Friedens, Haus des Krieges), und es wird Stellung zum Thema „Frau im Islam“ bezogen. Zitat: „Die AfD fordert völlige Gleichberechtigung für Muslimas.“
Allerdings stellt sich da eine Frage: Wenn sich diese rechtspopulistische Partei für Frauenrechte einsetzt, wofür sie bislang nicht wirklich bekannt ist und wofür sie auch keine bekannten Erfolge vorweisen kann, und dies explizit für die Rechte von Muslimas, ist dann dieses Pamphlet („Der Islam gehört nicht zu Deutschland“) nicht ein Schuss ins eigene Partei-Knie?
Gegendemonstrant wird festgenommen und dabei verletzt
Die vor Ort anwesenden Polizeikräfte waren überrascht, als sie feststellten, dass die GegendemonstrantenInnen, die ihren Protest nicht angemeldet hatten, geschlossen aus einer anderen Himmelsrichtung als zuvor angenommen auf den Veranstaltungsort zuliefen. Die BeamtenInnen wurden umdisponiert und zogen auf Höhe des Bombardier-Werks am Zugang zur Straße „In der Au“ dauerhaft einen Sperrriegel auf. Dieser Punkt befindet sich rund 200 Meter entfernt vom Lokal, sodass auch in der Folge kein Protest in Hör-und Sehweite möglich war.
Augenzeugen berichteten, dass das mitgeführte Transparent mit der Aufschrift „Rassismus ist keine Alternative“ von der Polizei temporär beschlagnahmt worden sei. Beim Sperren des Zugangs für die AntifaschistenInnen kam es wohl zu einem Gerangel mit den Ordnungskräften. Dabei soll ein Demonstrant einem Beamten ins Gesicht gegriffen haben. Bei seiner Festnahme durch drei Uniformierte soll der Beschuldigte (Tatvorwurf: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) leicht an einem Knie verletzt worden sein.
Polizei bis zum späten Abend am Veranstaltungsort
Das zunächst eingezogene Transparent wurde der Demogruppe wieder übergeben. Die Einsatzleitung der Polizei ordneten den Gegenprotest als „unangemeldete Spontandemo“ ein, er durfte als solche stattfinden. Der stille Protest der AntifaschistenInnen endete kurz nach 19.30 Uhr. Ihre Losung lautete nun, den festgenommenen Mitdemonstranten auf der Polizeiwache Käfertal solidarisch zu unterstützen.
Selbst deutlich nach 21.30 Uhr befanden sich noch Polizeikräfte rund um den Veranstaltungsort. Weshalb zu dieser vorgerückten Uhrzeit noch ein Einsatzfahrzeug über längere Zeit mit laufendem Motor dort stand, wird ein ungelöstes Rätsel bleiben. Jede Privatperson hätte für ein solches Verhalten eine Verwarnung oder gar ein Bußgeld kassiert.
Heißer Herbst 2016 in Mannheim?
Die AfD bewirbt auf ihrer Homepage auch verschiedene Großveranstaltungen. Die nächste ist für den 29. September in Mannheim mit Jörg Meuthen geplant. Der Veranstaltungsort wird derzeit noch geheim gehalten. Weitere Veranstaltungen und Stammtische befinden sich offenbar in Vorbereitung. Es bleibt spannend, was diese Partei, die nicht im Gemeinderat der Stadt vertreten ist, sich aber augenscheinlich gerne von den „Kollegen“ der Alfa dort „vertreten lässt“, konkret in der Stadt vor hat.
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