Stuttgart. Schon mehrfach wurde in Stuttgart gegen den Ausnahmezustand in der Türkei, die Bescheidung grundlegender demokratischer Rechte und die Einschränkung der Pressefreiheit demonstriert. So etwa zuletzt mit Kundgebungen am 30. September am Rotebühlplatz und am 3. Oktober, dem Einheitstag, vor dem SWR-Studio. Offenbar kam der misslungene Putschversuch am 15. Juli in der Türkei der AKP Regierung gerade recht.
Kurz nach dem Putschversuch wurde der Ausnahmezustand verhängt. Grundlegende demokratische Rechte, um die es ohnehin schon nicht gut stand, werden seither vehement beschnitten. Sowohl die Repressionen im Land als auch die Kriegsverbrechen außerhalb haben zugenommen. Tausende Menschen wurden entlassen und verhaftet. Intellektuelle, die sich für den Frieden eingesetzt haben, wurden verklagt.
Der Krieg der AKP-Regierung gegen das kurdische Volk wurde verschärft. In vielen Städten wurden Bürgermeister entmachtet. In Syrien wurde einmarschiert. Jetzt hat der türkische Sicherheitsrat auch noch empfohlen, dass der Ausnahmezustand verlängert werden soll. Noch am selben Tag wurden 12 Fernsehsender und 13 Radio Sender geschlossen. Am 3. Oktober um 10 Uhr wurde auch MedNuce geschlossen und vom französischen Satelliten-Unternehmen Eutelsat vom Netz genommen. Zuvor hatte es Rückenwind für türkische Medienzensur auch aus Europa gegeben. Am Montag, 10. Oktober, wurde nun offenbar auch der über Eutelsat zu empfangende Fernsehsender Newroz stillgelegt.
Kurdische Organisationen fordern internationale Solidarität
In Stuttgart organisierte die Demokratische Einheit Kraft Plattform am 30. September eine Demonstration. Unter anderem nahmen die DÄDF-Organisation, Alevitische Vereine und das Demokratische Kurdische Gesellschaftszentrum teil. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen brachten ihre Kritik und ihre Wut über das Erdogan-Regime zum Ausdruck.
Sie baten um internationale Solidarität: „Wir rufen die deutsche Zivilgesellschaft, ArbeiterInnen, SchülerInnen, Studierende, Gewerkschafter, Jugendverbände und JournalistInnen dazu auf, Druck bei der Bundesregierung aufzubauen. Treten wir auch mit unserem Anliegen an Mitglieder der hiesigen Stadt- und Gemeinderäte, an Landtags- und Bundestagabgeordnete heran. Stärken wir die Solidarität mit der Bevölkerung der Türkei. Solidarität – jetzt sofort! Solidarität ist jetzt nötiger denn Je! Weil in der Türkei zu Zeit die oppositionelle Presse mundtot gemacht wird!“
Protest gegen Zensur vor Stuttgarter SWR-Studio
Eine weitere Protestkundgebung gab es nach der Schließung der MedNuce Kurdische Nachrichten Sender am Vormittag des 3. Oktober vor dem SWR. Aufgerufen hatte das Demokratische Kurdische Gesellschaftszentrum. Etwa 60 TeilnehmerInnen kamen.
Sie riefen immer wieder Parolen wie „Diktatur Erdogan!, Es lebe Internationale Solidarität!, Schluss mit dem Massaker in Kurdistan!, Freiheit für Oppositionelle Presse in die Türkei und Überall!“. Am Ende der Kundgebung wurde eine Presse-Mappe über die Situation der Medien in der Türkei und über den von Eutelsat geschlossenen MedNuce Fernsehsender an Christof Baumann vom SWR übergeben.
Die Pressemitteilung des Kurdischen Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit Civaka Azad vom 3. Oktober:
„Medienzensurkampagne der Türkei erreicht Europa: Fernsehsender MedNuce TV gestoppt
Heute Morgen um 10 Uhr hat der Satellitenbetreiber Eutelsat die Ausstrahlung des kurdischen Nachrichtensenders MedNuce TV gestoppt. Damit hat das französische Unternehmen die Forderung des türkischen Staates, welcher seinerseits erst am 29. September gegen kurdische und oppositionelle ein Ausstrahlungsverbot verhängte, in die Tat umgesetzt.
In den letzten Minuten der Ausstrahlungszeit führte der Nachrichtensender ein Telefoninterview mit der HDP-Kovorsitzenden Figen Yüksekdag, die darauf aufmerksam machte, dass der türkische Staat mit einer breit angelegten Medienzensurkampagne derzeit versuche, seine Vergehen in den kurdischen Siedlungsgebieten des Landes zu verdecken. Ziel sei es, über gleichgeschaltete Medien eine unkritische Bevölkerung im Land zu erzeugen. Doch diese Versuche würden am Widerstand der Bevölkerung scheitern und hätten trotz aller Repressionsmaßnahmen der AKP keine Aussicht auf Erfolg.
Nach dem Gespräch mit Yüksekdag führte die Moderatorin von MedNuce TV ein weiteres Telefoninterview mit der Covorsitzenden der Demokratischen Partei der Regionen (DBP), Sebahat Tuncel. Diese rief in den letzten Minuten der Sendezeit des Fernsehsenders die Zuhörerschaft dazu auf, die Familienpatenschafts-Kampagne des Rojava-Hilfsvereins zu unterstützen. „Viele Familien in Şirnex (Şirnak) befinden sich in derzeit in einer dringenden Notsituation“, so Tuncel. In der Folge der Ausgangssperren und des Angriffskrieges des türkischen Staates gegen die Bevölkerung der Stadt, hätten viele Familien ihre Wohnungen und Häuser verloren und würden derzeit in Zelten leben.
Tuncel erklärte, dass dies bei den derzeit schnell sinkenden Temperaturen in der Region eine äußerst schwierige Situation darstelle. Ähnlich schwer sei die Situation auch in der Stadt Nisebîn (Nusaybin). Weitere Informationen zu der Kampagne der Familienpatenschaften finden Sie hier.
Bevor die Ausstrahlung des Senders um 10 Uhr gestoppt wurde, erklärte die Moderatorin von MedNuce TV noch, dass ihr Sender den Widerstand der Bevölkerung gegen die Ausgangssperren und den Angriffskrieg des türkischen Staates gegen die kurdischen Städte von Anfang an begleitet habe. Dies sei der AKP-Regierung stets ein Dorn im Auge gewesen, da dadurch eine breitere Öffentlichkeit über die Kriegsverbrechen der türkischen Armee in Nordkurdistan informiert worden sei. Auch die Kampagne für die Familienpatenschaften für die Menschen, die im Zuge der Zerstörung durch Ausgangssperren ihre Wohnungen und Häuser verloren hatten, hat der Sender in mehreren Sondersendungen unterstützt und publik gemacht.
Der Fernsehsender MedNuce TV wurde im Jahr 2013 ins Leben gerufen, nachdem zuvor dem kurdischen Fernsehsender Roj TV im Jahr 2012 ebenfalls der Sendeplatz durch Eutelsat entzogen worden war.“
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