Von Tom Guerrero und der Redaktion – Karlsruhe. Nach gut einem dreiviertel Jahr Pause gingen am Dienstag, 25. Oktober, in der Karlsruher Innenstadt erneut Pegida-Anhänger auf die Straße, um rassistische und islamfeindliche Hetze zu verbreiten. Etwa 250 Personen demonstrierten gegen den Aufmarsch. Die Polizei zeigte sich sichtlich überfordert und griff zu Gewalt.
Mit lauter Musik, Punsch und guter Stimmung begann gegen 18 Uhr auf dem zentralen Marktplatz die Gegenkundgebung. Nachdem die Menge der GegendemonstrantInnen auf gut 200 Personen angewachsen war, begann die Polizei, massiv Kräfte aufzuziehen und am Rande des Platzes aufzustellen.
Gegen 19 Uhr erklärten die Beamten über Lautsprecher, dass der Platz zur Hälfte geräumt werden müsse, da dort die Pegida-Kundgebung angemeldet sei. Die Reaktion der AntifaschistInnen war eine Sitzblockade. Sie wurde nach weiteren Räumungsaufforderungen langsam aufgelöst. Dabei schubsten und bedrängten die Polizeibeamten die Demonstranten massiv. Eine Person wurde festgenommen. Auch der Karlsruher Stadtrat der Linken Niko Fostiropoulos wurde von der Polizei aufgefordert zu gehen. Der Polizeibeamte versuchte Fostiropoulos wegzuschieben. Nach eigenen Angaben teilte Fostiropoulos dem Beamten mit, dass er dies nicht mache, da er als Bürger der Stadt ein Recht dazu habe, auf dem Marktplatz anwesend zu sein. Als gewählter Vertreter der Stadt habe er sogar die Verpflichtung, sich einen Eindruck von der Veranstaltung zu verschaffen. Der Polizeibeamte soll darauf hin einsichtig gewesen sein.
Rechte Kräfte verbünden sich
Anschließend fanden sich hinter der Polizeikette die bereits anwesenden, handgezählten 46 Pegida-Anhänger zusammen. Sie liefen bereits kurz darauf los. Wie bereits im Vorfeld vermutet, hat die Mini-Pegida-Gruppe um Thomas Rettig und Thomas Brügmann die Unterstützung der rechtsradikalen Fraktion um Ester Seitz nötig, um überhaupt eine sichtbare Gruppe zu mobilisieren.
Hinter bürgerlicher Fassade taten sich Abgründe auf. Ein Teilnehmer trug ein T-Shirt mit dem Schriftzug der Identitären Bewegung.Von der von Thomas Rettig auch im Fernsehen angekündigten Distanzierung von Ester Seitz und ihrem Anhang war an diesem Abend nichts mehr übrig. Es hatte den Anschein, als würde zwischen Pegida und „Karlsruhe wehrt sich“ auf verstörende Art eine Verlobung zelebriert – und dies um jeden Preis (siehe „Karlsruhe wehrt sich hat fertig„).
Schwacher Pegida-Aufzug
Bei ihrem kurzen, von Polizeikräften in Uniform und in Zivil begleiteten Aufzug durch dunkle Straßen wurden die selbsternannten Patrioten von Anwohnern mit Buhrufen und durch Auspfeifen begrüßt. Zwar wurden keine Reichskriegsflaggen gezeigt, doch die laut Veranstalter ebenso wenig gewollten Rufe wie „Wir sind das Volk, maximaler Widerstand“, „Merkel muss weg“ und „Eins zwei drei, danke Polizei“ gehörten dennoch zum Repertoire – ebenso wie islamfeindliche Sprüche.
Ein Großteil der GegendemonstrantInnen machte sich auf den Weg in Richtung Kronenplatz, da die Rechten an dieser Stelle über die zentrale Kaiserstraße laufen würden. Dort hatten sich Polizisten schon zweireihig aufgestellt und Pfefferspray im Anschlag. So versuchte ein Teil der AntifaschistInnen, über eine Nebenstraße auf die Aufmarschroute der Rechten zu gelangen.
Mit dem Schlagstock in den Hinterhof gejagt
Kurz bevor sie die Polizeisperre erreichten, setzten die Beamten wohl aus Überforderung ihr Pfefferspray ein. Dabei wurde eine Person direkt ins Gesicht getroffen und verletzt. Direkt danach begannen BFE-Beamte, die Antifaschisten an der Sperre durch Schläge und Schubsen zurückdrängen. Rund 20 Gegendemonstranten nutzten die Chance und rannten durch einen Hinterhof auf die Route der Rechten. Dort bildeten sie eine Sitzblockade.
Die Beamten jagten nachfolgende Personen mit Schlagstockhieben zurück in den Hinterhof. Die Pegida-Demo musste einen Umweg machen und fand sich letztendlich auf dem Platz der Grundrechte wie eingekesselt wieder. Dort beendeten die Rechten ihren Aufmarsch und verließen den Ort in Kleingruppen.
Vermummungsverbot gilt wohl nur für Antifaschisten
Einige dieser Gruppen wurden von AntifaschistInnen begleitet. Das führte dazu, dass sich nach einigem Hin und Her Pegida-Anmelder Thomas Rettig zwischen die Reihen der Polizei und Ester Seitz ans beziehungsweise ins Polizeirevier am Marktplatz flüchtete. Von dort aus übertrug Seitz ihre Situation theatralisch überzeichnet live ins Internet.
Am Revier kam es zu einer weiteren Festnahme eines Antifaschisten, wie uns berichtet wurde. Der Vorwurf: ein angeblicher Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Kritische Beobachter fragten sich, ob die Polizei Herr der Lage war. In den Reihen der Pegida lief ebenfalls eine vermummte Person mit. Ein Passant erhielt auf seine Frage, wie dies denn sein könnte, von einem Beamten die Antwort: „Dem jungen Mann ist kalt.“
Hektische Polizei-Aktionen
Die eingesetzten Polizeikräfte wirkten während dieser Veranstaltung mehrfach überfordert. Anstelle von Absperrgittern wurde lediglich ein Flatterband am Marktplatz zwischen den wenigen Pegida-Anhängern und mehr als 200 GegendemonstrantInnen gespannt. Am Schlossplatz gelang es GegendemonstrantInnen bis auf wenige Meter an den Pegida-Aufzug heran zu kommen.
Nur eine kurzfristige, hektische Aktion konnte die Lager voneinander trennen, wobei auch die Pegida-Ordner ein sehr bescheidenes Bild abgaben. Auch konnte ein uniformierter Beamter den Versuch nicht unterlassen, die Berichterstattung eines Reporters zu behindern. Nachdem alle Rechten nach und nach fortgeschafft waren, löste sich auch der antifaschistische Protest nach einem langen Abend auf.
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