Von unseren ReporterInnen – Ulm. An die 200 Menschen, überwiegend mit afghanischen Migrationshintergrund, beteiligten sich am Samstag, 12. November, an einer Kundgebung gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Mehrere Organisatoren aus Ulm und Biberach hatten zu ihr aufgerufen. Für die meisten war es die erste Kundgebung dieser Art, sie hatten keine entsprechenden Erfahrungen, erklärte ein Sprecher des Orga-Teams.
Die TeilnehmerInnen hatten den Wunsch, die Bürgerinnen und Bürger von Ulm friedlich auf die Situation in Afghanistan aufmerksam zu machen. So wurden an die Passanten rote Rosen und ein Flyer verteilt.
Afghanistan ist kein sicheres Land
Afghanistan ist eines der vier in Deutschland am stärksten vertretenen Herkunftsländer geflüchteter Menschen, hieß es darin. Allein im Jahre 2015 hätten über 31 000 Afghaninnen und Afghanen einen Asyl-Erstantrag in Deutschland gestellt. Im selben Jahr verzeichnete die UNAMA (Unterstützungsmission der Vereinten Nationen) 3545 zivile Todesopfer – eine tragische Bilanz.
Die Anzahl von zivilen Toten und Verletzten sei seit dem Ende der Taliban-Herrschaft 2001 nicht mehr so hoch gewesen. Sie habe sich im Vergleich zum Jahre 2013 verdoppelt. Terror, blutige Kämpfe und Gewalttaten gehörten zum Alltag vieler afghanischer Bürger. In den mehr als dreißig Jahren Krieg, die das Land zerrütteten, seien mindestens 75 Prozent der Bevölkerung einmal in ihrem Leben zu Vertriebenen geworden. Über eine Millionen Afghaninnen und Afghanen seien in ihrem eigenen Land auf der Flucht.
Schutzquote für afghanische Asylsuchende sank rapide
Trotz der verheerenden humanitären Missstände wurde auf der Geberkonferenz zu Afghanistan am 4. und 5. Mai in Brüssel ein Abkommen mit der afghanischen Regierung und dem Präsidenten Ashraf Ghani ausgehandelt, in dessen Rahmen weitere 15 Milliarden Euro an Entwicklungshilfe in das Land fließen sollen. Im Gegenzug soll Afghanistan 80 000 geflüchtete Afghaninnen und Afghanen aus ganz Europa wieder aufnehmen. 40 000 davon sollen allein aus Deutschland abgeschoben werden.
Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière ist oberster Dienstherr des Bundesamts für Migration und Flüchtlingshilfe. Seit er für mehr Abschiebungen nach Afghanistan plädierte, sank die Schutzquote für Afghanen in Deutschland von 78 Prozent im Jahr 2015 auf 52,9 Prozent im ersten Halbjahr 2016. De Maizière behauptet laut eigener Aussage zwar nicht, dass Afghanistan sicher sei. Doch es gebe sichere Gebiete. In der Hauptstadt Kabul sei es beispielsweise nicht überall unsicher.
Abgeschobene werden bedroht
Diesen Aussagen de Maizières widersprechen die OrganisatorInnen der Ulmer Kundgebung entschieden. Aus ihrer Sicht ist Afghanistan für die dort ansässige Bevölkerung nicht sicher. Menschen, die zurück nach Afghanistan abgeschoben werden sollen, seien noch weitreichenderen Bedrohungen ausgesetzt.
Die Abschiebungspläne der Bundesregierung widersprächen sämtlichen humanitären Prinzipien, auf die sich die westliche Zivilisation gründet. Afghaninnen und Afghanen müssten auch in Zukunft in Deutschland und der EU Schutz erhalten und Zuflucht finden, so die Forderungen.
Kinder sind die Leittragenden
Eine bewegende Rede hielt bei der Kundgebung ein geflüchteter Junge aus Afghanistan. Er sagte weinend, dass er Angst habe, abgeschoben zu werden in ein Land, in dem er keine Perspektive hat. Weihnachten kommt, sagte der Junge, „und wir wünschen uns auch Geschenke, wie die Kinder hier. Was wir uns aber noch mehr wünschen, ist dass wir in Deutschland bleiben dürfen“. Eine Sprecherin der Flüchtlingshilfe berichtete, dass 30 Prozent der Bevölkerung in Afghanistan weder lesen noch schreiben lernten. 60 Prozent seien unterernährt.
„No border, no nation, stop deportation“ und „Kein Mensch ist illegal, Bleiberecht überall“ waren die meist skandierten Sätze während der knapp zweistündigen Kundgebung, die absolut friedlich verlief.
Folge uns!